Rede von
Dr.
Ludwig
Erhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Herren, ich hoffe, Sie haben nachher bessere Argumente, wenn Sie sprechen!
Mit dieser Preispolitik ist nicht zu vereinbaren die allzu bequeme und weitverbreitete Maßnahme der heute noch vorhandenen Absatzfinanzierung. Es muß also verhindert werden, daß im gleichen Zuge,
in dem wir eine Konsumbeschränkung für notwendig halten, nicht durch Absatzfinanzierung indirekt eine Konsumausweitung vorgenommen wird. Um in der Frage der Hortungen, der Abdämmung der Spekulation wirksamer operieren zu können, sind bereits in einer ganzen Reihe von Industriezweigen für knappe Rohstoffe Meldepflichten in bezug auf die Produktion, die Lagerhaltung und den Absatz auferlegt worden.
Was nun mit der Politik stabiler Preise das Problem noch notwendiger Subventionen anlangt, so sind wir vor allem auch aus Gründen der Haushaltpolitik gezwungen, diese Mittel so knapp wie möglich zu halten, aber eben doch so ausreichend, um die Politik stabiler Preise erfolgreich durchführen zu können.
Wir werden also Verfahren zu entwickeln haben, die sicherstellen, daß nicht die Volksschichten mit relativ hohen Einkommen aus einer allgemeinen Subventionierung indirekt auch noch Nutzen ziehen, sondern die vorhandenen schmalen und begrenzten Mittel dazu verwenden, um den wirklich bedürftigen Schichten unseres Volkes die Lebenshaltung zu gewährleisten.
Diese für die Subventionen notwendigen Mittel sollen nach meinem Dafürhalten durch die Einführung spezifischer Luxussteuern gewonnen werden, weiter durch eine Erhöhung der Wettsteuer und durch eine Reklamesteuer, außerdem durch eine relativ hohe Abgabe auf Neubauten oder Investitionen von kostspieligen Restaurants, Luxusgaststätten, Bars, Kabaretts, Lichtspieltheatern und dergleichen mehr.
Ich werde des weiteren Maßnahmen einleiten, um in der deutschen Wirtschaft die Vertragstreue wieder in den Vordergrund zu rücken und ihr wieder bessere und allgemeinere Anwendung zu sichern.
Zu der Frage der Investitionen und der Mittelbeschaffung für die Investitionen ist zu sagen, daß dieses Problem indirekt mit der Frage der Kaufkraftabschöpfung zusammenhängt. Ich habe das bei der Erwähnung des Sparmarkengedankens bereits zur Sprache gebracht. Selbstverständlich muß die Politik im ganzen dahin gehen, vor allem wieder ein höheres Maß von organischer und f rei-williger Kapitalbildung in die Wege zu leiten. Ich bin überzeugt, daß gerade die energisch zu verfolgende Politik stabiler Preise
die beste Voraussetzung zur Weckung des Spargedankens sein wird. Die Bundesregierung ist im Augenblick mit der Prüfung der Frage beschäftigt, ob der Abschöpfung von Kaufkraft und ihrer Hinlenkung auf die Investitionen nicht auch noch andere Maßnahmen zur Seite gestellt werden können. So wird zum Beispiel der Vorschlag erwogen, 20 % der gesetzlich zulässigen Abschreibungen von den Verbrauchsgütersektoren zur Bindung in den Grundstoffindustrien umzuleiten. Es wird dabei sorgfältig zu prüfen sein, daß mit einer solchen
Maßnahme dann nicht auch solche Exportindustrien behindert werden, deren weiterer Ausbau und Rationalisierung zum Zwecke weiterer Leistungssteigerung und höherer Wettbewerbsfähigkeit gerade umgekehrt unsere Aufgabe sein muß.
Es wird weiter noch der Plan erwogen und geprüft, inwieweit die vorhandenen privaten Sozialfonds und mögliche andere Vermögensstocks zu einem Teil auch für Zwecke der Investition in der Grundstoffindustrie Anwendung finden können.
Meine Damen und Herren! Es bedeutet keinen Erfolg — um das vor der Diskussion gleich sicherzustellen —, vom Konsum Kaufkraft abzuziehen und dann etwa über Subventionen wieder in den Kreislauf zurückzugeben, sondern es kommt darauf an, eine echte produktive Umschaltung in dem Sinne vorzunehmen, daß die vom Konsum abgezogene Kaufkraft — und gerade die vom erhöhten Konsum abgezogene Kaufkraft — durch die Transformierung in der Kapitalgüterindustrie dann erst wieder in Gestalt von produktiven Löhnen in den Konsum zurückfließt.
Es sind weiter Maßnahmen in Richtung einer Wiederherstellung einer geordneten Kapitalmarkt- und Zinspolitik geplant, denn das ist die Voraussetzung, um neu sich bildendes Kapital freiwillig an den Kapitalmarkt heranzuführen. Es wäre hier z. B. an die Bindung von Versicherungsgeldern zu denken, die heute in weitem Umfange vagabundierende Kaufkraft bedeuten, weil es eine gesicherte Wertpapieranlage noch nicht gibt und weil ein fünfprozentiger Pfandbrief mit seinem hohen Disagio nicht den Notwendigkeiten einer organischen Kapitalmarkt- und Zinspolitik gerecht wird. Zu diesem Zweck und um neben der straffen, aber in individuellerer Weise zu gestaltenden Kreditpolitik auch zu einem Eingriff auf dem Versicherungssektor schreiten zu können, scheint es mir notwendig, die Banken- und Versicherungsaufsicht möglichst schnell wieder zu aktivieren und gegebenenfalls bis zu der Verabschiedung eines solchen Gesetzes mit kommissarischer Tätigkeit auf diesem Gebiet zu operieren.
Was endlich den Außenhandel anlangt, so hat die Bundesregierung gestern eine Kabinettsvorlage angenommen, die eine steuerliche Begünstigung des Exports, sowohl in Richtung einer Erhöhung der Umsatzsteuerrückvergütung als auch der Gewährung von Rücklagen und Freibeträgen im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, zum Gegenstand hat. Sie werden sich in Kürze damit zu befassen haben.
Des weiteren habe ich jetzt Pläne zu entwickeln — und diese werden auch in Kürze dem Kabinett zugeleitet werden —, um zur Sicherung und Steigerung des Exports Prioritäten der Rohstoffzuweisungen zu schaffen.
Es soll damit vor allen Dingen der deutsche Beitrag zu einem demokratischen Defence-Programm belebt und sichergestellt werden, und zum anderen soll darüber hinaus der gesamte deutsche Export, wie er zur Sicherstellung unserer Ernährung und Beschäftigung und zum Ausgleich unserer Zahlungsbilanz notwendig ist, daraus auch den notwendigen Vorteil genießen und in Vorsprung kom-
men. Die Bank deutscher Länder hat bereits Maßnahmen eingeleitet und immer weiter vervollkommnet, um eine wirksame Devisenkontrolle durchführen zu können.
Des weiteren wird von meinem Ministerium ein Plan ausgearbeitet, um den Möglichkeiten einer Kapitalflucht vor allen Dingen durch eine schärfere Preiskontrolle im Außenhandel begegnen zu können.
Diese Möglichkeit ist uns heute in zweifacher Hinsicht in leichterem Maße gegeben, einmal durch die Steuerung der Importe, die notwendig geworden ist, und außerdem durch die Zuweisung von Prioritäten für den Export. Mit beiden Maßnahmen soll eine Preiskontrolle und damit indirekt eine Kontrolle gegen Kapitalflucht durchgeführt werden. Auch hier wird mit aller Strenge vorgegangen werden müssen.
Schließlich beabsichtigt die Bundesregierung, sich dem Transferable Sterling Account Area anzuschließen, um damit die Möglichkeit zu gewinnen, innerhalb dieses Blocks von Ländern zu einer größeren handelspolitischen Aktivität zu kommen.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen hier ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgetragen, die selbstverständlich nur in ihrer Einheit, Gesamtheit und Zusammengehörigkeit begriffen werden können.
— Das war nicht die Leichenrede der freien Wirtschaft, sondern das waren die notwendigen Maßnahmen, die uns aus dem politischen Geschehen sinnvoll erscheinen oder auch, wenn Sie so wollen, aufgezwungen werden.
Aber wir sind einsichtig genug und sind weniger starr als Sie, um auch diese Wendungen zu vollziehen.
Wir haben allen Grund, das System der Marktwirtschaft, soweit es nur überhaupt von außen her durchführbar erscheint, unter allen Umständen weiter aufrechtzuerhalten.
Ich möchte heute mit besonderem Nachdruck das Gewicht auf den Begriff „soziale Marktwirtschaft" legen.
— Sie rühren mich nicht im geringsten. Wo der Markt heute von außen her durch politische Maßnahmen und Einflüsse beengt wird, – schön, da nehmen wir das hin. Aber wir wollen dann, wenn unser Programm sich „soziale Marktwirtschaft" nennt, heute das besondere Gewicht und den Schwerpunkt auf den Begriff „sozial" legen, ob Sie es glauben, ob Sie es wollen oder nicht.
Vor allen Dingen soll das deutsche Volk über aller Kritik wissen, daß eine klare Konzeption wirtschaftspolitischer Art vorliegt
und daß die Bundesregierung bereit ist, vor dem deutschen Volk die Verantwortung für diese Maß-
nahmen zu tragen. Ich wiederhole noch einmal: Ich bin mir bewußt, daß in erster Linie ich die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik des Bundes im Rahmen der Gesamtpolitik der Bundesregierung zu übernehmen habe. Ich werde deshalb auch noch in diesem Monat der Regierung das Wettbewerbsgesetz im Sinne des Kartellgesetzes vorlegen,
weil ich glaube, daß die Belebung des Wettbewerbs unabdingbarer Bestandteil unserer marktwirtschaftlichen Politik bleibt und daß wir vor allen Dingen heute mehr als je dafür sorgen müssen, daß die private Initiative und der Wille zur Leistungssteigerung und zu vermehrter Leistung lebendig bleiben.
— Meine Damen und Herren, wenn Sie über das, was sich seit Korea nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt vollzogen hat, frohlocken und wenn Sie darüber frohlocken, daß die Bundesregierung — —
— Sie tun es indirekt.
Denn Ihre Freude — —