Rede von
Erich
Ollenhauer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß entgegen der sonstigen Regelung in diesem Hause die jetzt vorgeschlagene Abänderung der Tagesordnung nicht zu Beginn der Sitzung oder bei dem betreffenden Punkt der Tagesordnung zur Diskussion gestellt worden ist.
Ich möchte hier für die sozialdemokratische Fraktion erklären, daß wir dem Antrag auf Absetzung des Punktes 10 der Tagesordnung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht zustimmen können, und ich möchte das Hohe Haus auf die besondere Bedeutung und die große Tragweite einer Absetzung dieses Punktes ausdrücklich aufmerksam machen. Niemand in diesem Hause kann die Dringlichkeit der Erledigung dieser Angelegenheit bestreiten.
Genau vor einem Monat hat hier im Hause die
erste Lesung dieses Entwurfs stattgefunden. Inzwischen haben die Ausschüsse einen Monat Zeit
gehabt, um die Differenzen und Streitfragen zu
behandeln. Wir haben vor allem im letzten Teil der
Beratungen im Ausschuß den Eindruck gewonnen,
daß mindestens ein Teil der Ausschußmitglieder die Absicht verfolgt, eine baldige und positive Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zu verzögern.
Mit allem Nachdruck möchten wir unsere ernsteste` Sorge über diese Taktik gegenüber einer solchen Lebensfrage der deutschen Demokratie zum Ausdruck bringen.
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in einer besonderen und merkwürdigen Situation. Wir haben eine Vorlage der Regierung gehabt, die nach all dem, was vorangegangen war, als eine tragbare Basis für eine positive Entscheidung angesehen werden konnte.
Die Beratungen im Ausschuß haben bei uns nicht nur den Eindruck erweckt, daß man Zeit gewinnen will, sondern daß man auch in bestimmten Teilen dieses Hauses glaubt, unter dem Zeitgewinn sachliche Verschlechterungen des Entwurfs durchführen zu können,
und zwar in einem Maße, daß der positive Wert dieses Gesetzes überhaupt gefährdet erscheint.
Täuschen Sie sich doch bitte darüber nicht, daß die Entscheidung über dieses Gesetz weit über den Rahmen seiner Bedeutung für die unmittelbar Betroffenen hinausgeht!
Ich möchte im Namen meiner Fraktion angesichts der gegenwärtigen allgemeinen innen- und außenpolitischen Lage der Bundesrepublik mit allem Nachdruck dafür plädieren, daß wir heute zu diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung Stellung nehmen.
— Das geht! Sie brauchen gar nichts anderes zu tun, als den ursprünglichen Entwurf der Regierung jetzt zur Debatte zu stellen.
Ich will nicht zur Sache sprechen.
Ich will nur eines sagen, meine Damen und Herren, und das meine ich gegenüber allen denjenigen Mitgliedern dieses Hauses, die durch ihr Verhalten bei uns den Verdacht einer solchen Verschleppung erweckt haben. Glauben Sie nicht, daß in diesem Falle das Wort: „Zeit gewonnen, viel gewonnen" zu irgendeinem Resultat in Ihrem Sinne führen wird!
Ich möchte Sie außerdem auf folgendes aufmerksam machen. Sie wissen, daß die beteiligten. Arbeitnehmerkreise, die von diesem Gesetz betroffen werden, bisher in vollem Vertrauen auf eine loyale Durchführung einer Abmachung der Behandlung im Parlament gegenübergestanden haben. Sie sind an dem Punkt, wo eine weitere Verschleppung dieser Angelegenheit dazu führen muß, den
Deutscher Bundestag — 126. Sitzurig, Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4787
Glauben an eine loyale Erledigung auf das schwerste zu erschüttern.
— Das hat mit „Drohung" nichts zu tun.
Wenn Sie gegenüber 800 000 Arbeitnehmern Anfang Februar dieses Jahres in diesem Hause die Erklärung abgegeben haben, daß nach einer sachlichen Erledigung im Ausschuß die Vorlage so schnell wie möglich auch zur Entscheidung im Plenum gebracht werden soll, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn einen Monat später Zweifel an den loyalen Absichten in der Öffentlichkeit hervortreten.
Wir wünschen, daß die ganze Angelegenheit mit einem positiven Resultat im Sinne der Stärkung der Demokratie
und des sozialen Gehalts dieser Demokratie erledigt wird.
Aus diesem Grunde widersprechen wir dem Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung und bitten Sie, den Punkt auf der Tagesordnung zu belassen, damit wir heute im Plenum in die zweite Lesung dieses Gesetzentwurfs eintreten können.
Präsident Dr. !Ehlers: Meine Damen und Herren! Es liegen weitere vier Wortmeldungen zur Geschäftsordnung vor. Ich möchte zur Klärung des Sachverhalts folgendes sagen. Der Herr Abgeordnete Ollenhauer hat beanstandet, daß die Frage, ob der Punkt 10 der Tagesordnung erörtert werden kann oder nicht, nicht zu Beginn der Sitzung oder bei dem Aufruf dieses Punktes der Tagesordnung behandelt worden ist. Der Punkt ist vom Ältestenrat auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ich hätte beim Aufruf dieses Punktes pflichtgemäß zu fragen gehabt, ob angesichts der Tatsache, daß ein Ausschußbericht nicht vorliegt und die Behandlung im Plenum gemäß § 40 der Geschäftsordnung erst am zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichts vorgenommen werden soll, Widerspruch gegen die Behandlung erhoben würde. Auch die Kürzung dieser Frist wäre nur möglich gewesen, wenn nicht zehn Abgeordnete widersprechen. Der Widerspruch ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano ausgesprochen worden. Damit liegt der Widerspruch vor.
Meine Damen und Herren, eine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit, diesen Punkt der Tagesordnung heute zu erörtern, gibt es angesichts dieses Widerspruches und des Nichtvorliegens des Ausschußberichts nicht. Es bedarf keiner Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten von Brentano, sondern es liegt eine geschäftsordnungsmäßige Unmöglichkeit vor.
– Ich habe nicht verstanden, was eben gesagt wurde.
– Darf ich die Frage stellen, ob der Widerspruch des Herrn Abgeordneten von Brentano unterstützt wird.
— Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie zur Geschäftsordnung sprechen? — Bitte schön, Herr Abgeordneter Mellies!