Rede:
ID0112503600

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Metadaten
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    4. Frau: 1
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    6. Wessel.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 125. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. März 1951 4757 125. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. März 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4757B Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung (Konferenz der Außenminister und Deutschland-Problem; Wiederherstellung der Einheit Deutschlands): Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . . 4757C Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung: Dr. Schumacher (SPD) 4761B Dr. von Merkatz (DP) 4767C Loritz (WAV) 4771C Fisch (KPD) 4772B Tichi (BHE-DG) 4776C Dr. Seelos (BP) 4776D Frau Wessel (Z) 4777A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z, BHE-DG (Nr. 2028 der Drucksachen) 4779A Beschlußfassung 4780A Präsident Dr. Ehlers 4780A Nächste Sitzung 4780C Die Sitzung wird um 10 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Gebhard Seelos


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es würde den Sinn und den Eindruck dieser Kundgebung vor der deutschen und vor der Weltöffentlichkeit mindern, wenn man die ein-


    (Dr. Seelos)

    deutige Erklärung der Bundesregierung zerreden würde. Die Bayernpartei hat sich nie gesamtdeutschen Notwendigkeiten verschlossen. Die erste gesamtdeutsche Notwendigkeit ist die Vereinigung mit unseren deutschen Brüdern im Osten, ist die deutsche Einheit in Freiheit. Die Bayernpartei stellt sich daher ohne einschränkenden Vorbehalt hinter die Erklärungen der Bundesregierung.

    (Beifall im ganzen Hause, mit Ausnahme bei der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte an den Schluß der Rede anknüpfen, die Herr Kollege Dr. Schumacher gehalten hat, denn unter den Fragen, die heute das deutsche Volk bewegen und sein politisches Interesse wachhalten, stehen ohne Zweifel die Frage nach der Wiedergewinnung der deutschen Einheit und die Frage nach den Möglichkeiten ihrer Verwirklichung im Vordergrund unserer Betrachtungen in diesem Hohen Hause. Von der deutschen Einheit hängt nicht nur die nationale, kulturelle und geistige Verbundenheit der Deutschen in allen vier Besatzungszonen ab, mit ihr würden auch die gemeinsamen wirtschaftlichen Kräfte wirksam werden können — und wer würde das bei den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, denen sich die Bundesregierung und in weit größerem Maße auch die Menschen in der sowjetisch besetzten Zone gegenübersehen, nicht wünschen —, die uns eine, wenn auch bescheidene, aber doch einigermaßen ausreichende Existenzgrundlage bieten.
    Die Zentrumsfraktion begrüßt es deshalb, daß sich die Bundesregierung mit ihrer heutigen Erklärung in so positiver Weise zur deutschen Einheit bekannt und in der Forderung nach gesamtdeutschen freien Wahlen auch den Weg dazu gezeigt hat. In diesem Bemühen werden meine politischen Freunde und ich die Bundesregierung jederzeit unterstützen, weil wir der Auffassung sind, daß die Wiedergewinnung der deutschen Einheit eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, daß das Spannungsfeld Europa endlich zur Ruhe kommt, im Kampf um den Frieden der Kalte Krieg besiegt und den Völkern die Angst vor einem neuen „heißen Krieg" in Europa, wie es in der Sprache der Diplomaten heute heißt, genommen wird.
    Aus dieser Haltung heraus hat die Zentrumsfraktion an der Beratung der uns vorliegenden gemeinsamen Erklärung der Parteien dieses Hohen Hauses teilgenommen, und sie stimmt ihr auch zu, weil sie der Auffassung ist, daß wir über die Zonengrenzen hinweg vor aller Welt deutlich machen müssen, daß es in der Frage des Willens zur deutschen Einheit unter Deutschen keine Meinungsverschiedenheiten gibt.

    (Bravo! und Beifall beim Zentrum, bei der SPD und rechts.)

    Auch die Bundesregierung wird sich darüber nicht täuschen dürfen, daß ihre Tätigkeit wesentlich danach beurteilt wird, ob sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten und durch ihre Maßnahmen bewiesen hat, daß ihr Streben nach der gesamtdeutschen Einheit ein unverrückbares Ziel ihrer politischen Handlungen ist.
    Trotz ihrer positiven Haltung zu der Ost-WestFrage gibt sich die Zentrumsfraktion nicht der Täuschung hin, daß es allein von uns Deutschen
    abhängen würde, ob und wann wir die deutsche Einheit erreichen werden. Das sei auch den Menschen in der Ostzone gesagt, die da glauben, es hänge nur vom guten Willen der Bundesregierung und des Bundestags ab, diese deutsche Einheit herbeizuführen. — Von meinen Vorrednern ist eine Reihe von Gründen dargelegt worden, die die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten aufzeigten.
    Die Frage der deutschen Einheit ist heute eine der Fragen, die im Spannungsfeld der europäischen und Weltpolitik liegen. Die Entscheidung darüber ist nicht ohne oder gar gegen den Willen der Besatzungsmächte möglich, aber es ist das Recht und die Pflicht der Deutschen, den Besatzungsmächten gegenüber auszusprechen, daß es ihre Verpflichtung ist, auch dem deutschen Volk gegenüber jene Grundsätze durchzuführen, die sie während des Krieges als ihre Kriegs- und Friedensziele der Welt bekanntgegeben haben, nämlich den Völkern ein staatlich selbständiges, unabhängiges und friedliches Leben zu ermöglichen, das frei von Furcht, frei von Not und frei von Bedrückung ist. Sogar noch auf der Konferenz von Jalta am 11. Februar 1945 haben sich die drei an der Konferenz teilnehmenden Regierungen, nämlich die Amerikas, Englands und Sowjetrußlands, verpflichtet, auf Grund der Ergebnisse freier Wahlen Regierungen in Europa einzusetzen, die sich nach dem Willen des Volkes richten und, wo dies notwendig sein sollte, Beistand in der Abhaltung solcher freien Wahlen zu leisten. Bundesregierung und Bundestag stehen somit mit ihren Forderungen nach freien gesamtdeutschen Wahlen ganz auf dem Boden dessen, was die Besatzungsmächte als ihre Grundlage für den politischen Aufbau Europas und Deutschlands dargelegt haben.
    Nun scheint es meinen politischen Freunden und mir notwendig zu sein, den Besatzungsmächten gegenüber — wie es auch von den Vorrednern schon geschehen ist — nochmals hervorzuheben, was ein wesentliches Merkmal der Friedensziele der Vereinten Nationen ist, nämlich die Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen zu schaffen und dafür, daß insbesondere auch in der Ostzone nach den Wahlen die Sicherheit gegeben ist, daß jeder Wähler ein Leben ohne Furcht und frei von Bedrückung führen kann ohne Rücksicht darauf, welcher Partei er seine Stimme gegeben hat. Das gleiche Recht und die gleiche Freiheit für alle Parteien und ihre Anhänger vor und nach den Wahlen muß unter allen Umständen von allen Besatzungsmächten garantiert werden. Ferner scheint es uns notwendig zu sein, daß eine nach den Wahlen sich bildende Regierung ebenfalls unabhängig und frei in ihren Entschlüssen sein muß.
    Wenn wir dies aussprechen, so wollen wir damit jene Klarheit schaffen, daß wir uns jeder Beeinflussung unseres nationalen Eigenlebens oder gar der Bolschewisierung unseres Landes mit allen Mitteln widersetzen werden. Auch darüber muß völlige Klarheit bestehen, daß es keinerlei Kompromiß hinsichtlich der Freiheit und Beachtung der Menschenrechte und unserer Zugehörigkeit zur westlichen Welt und zum abendländischen Kulturkreis geben kann.
    Wohl aber sollten unsere Bemühungen darauf gerichtet sein, eben um dieser Klarheit willen, von der aus Deutschland seinen Standort und seine Aufgaben im politischen Spannungsfeld der Weltpolitik heute sehen muß, für jene Freiheiten sich einzusetzen und sie zu erhalten, die wesentlich im


    (Frau Wessel)

    Selbstbestimmungsrecht der Menschen und Völker ihre Grundlage haben. Vor Jahresfrist schrieb ein angesehener amerikanischer Journalist in einer Schweizer Zeitung, die Amerikaner hätten viel mehr Interesse an einem Deutschland, das sich kräftig regt und auch auf die Gefahr des Nichtverstandenwerdens hin sein Selbstbewußtsein und eine geachtete Stellung wiedergewinnt.

    (Zuruf von der KPD.)

    Meine Damen und Herren! Wenn das deutsche Volk durch seine Abgeordneten im Bundestag heute in dieser denkwürdigen Sitzung die Forderung nach Einheit erhebt und zur Herbeiführung derselben die vier Alliierten darum bittet, die notwendigen Voraussetzungen dafür durch gesamtdeutsche, freie Wahlen zu schaffen, so glauben wir, damit zu einer Befriedung Deutschlands, aber auch zu einer Entspannung in der Weltpolitik beizutragen.
    Gegenwärtig bemühen sich in Paris die stellvertretenden Außenminister dieser vier Nationen, die Grundlagen zu untersuchen, die eine gemeinsame, erfolgversprechende Außenministerkonferenz ermöglichen, um die Spannungen in der Welt zu beseitigen, die die Völker immer stärker in Angst und Sorge um die Erhaltung des Weltfriedens gebracht haben. Gewiß gilt es heute, die nüchternen und harten Tatsachen zu sehen, in der sich die Weltpolitik befindet. Bedenklicher noch als die militärische Schwäche Westeuropas scheint für die Menschen auf dem westeuropäischen Kontinent der Mangel an Führungskunst der Politiker des Westens zu sein. Der Verstand und die Logik des einfachen Mannes führen zu der Meinung, daß in der Geschichte der letzten Dekade schwerwiegende Fehlhandlungen zu verzeichnen sind.

    (Sehr richtig!)

    Denn wenn die Welt nach den furchtbaren Jahren des Krieges, nach fast sechs Nachkriegsjahren noch nicht wieder zur Ruhe und Ordnung gekommen ist, dann sollte man sich gerade heute wieder jener Grundsätze erinnern, die auch in den Ausführungen eines meiner Vorredner angeklungen sind. Es sind die in der Atlantik-Charta der Vereinigten Nationen — Amerika, England, Frankreich und Sowjetrußland — mit Zustimmung von 36 Regierungen als ihre Kriegs- und Friedensziele am 1. Januar 1942 niedergelegten Grundsätze, die der Welt als d i e Politik bekanntgegeben worden sind, auf der diese Staaten glauben, eine bessere Zukunft aufbauen zu können.
    Mit Zustimmung des Herrn Präsidenten möchte ich diese acht Grundsätze der Atlantik-Charta vorlesen, weil ich glaube, daß sie so instruktiv für die großen Grundformen des Menschseins und der Völker sind — Formen, um die es heute in der Welt geht —, für die Zivilisierung sowohl als auch für die deformative Entwicklung der Welt, daß sie tatsächlich bei ihrer echten Durchführung — das ist die wichtigste Aufgabe und das bedeutsamste Anliegen der Welt — aus der dunklen Stunde der Gegenwart, aus der Resignation und der Angst der Völker und den Mißerfolgen der Politik zu einer wahrhaften und konstruktiven Neugestaltung der Welt und der Gemeinschaft der Völker führen könnten.
    Die acht Grundsätze der Atlantik-Charta lauten:
    1. Ihre Länder suchen keinen Gewinn, weder territorialer noch anderer Natur.

    (Abg. Rische: Siehe Korea!)

    2. Sie streben keine territorialen Veränderungen an, die nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der beteiligten Länder übereinstimmen.
    3. Sie respektieren das Recht aller Völker, die Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen, und es ist ihr Wunsch, daß souveräne Rechte und eine autonome Regierung allen denen zurückgegeben werden, denen sie entrissen worden sind.

    (Abg. Rische: Siehe Deutschland!)

    4. Sie werden sich bemühen, unter voller Beachtung ihrer bestehenden Verpflichtungen für alle Staaten, groß oder klein, Sieger oder Besiegte, zu gleichen Bedingungen besseren Zugang zum Handel und zu den Rohstoffen der Welt zu schaffen, die zum wirtschaftlichen Wohlstand der Staaten benötigt werden.

    (Abg. Rische: Was sagt McCloy dazu?)

    5. Es ist ihr Bestreben, auf wirtschaftlichem Gebiet die Zusammenarbeit aller Nationen herbeizuführen, um verbesserte Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichen Aufschwung und soziale Sicherheit zu gewährleisten.
    6. Nach der endgültigen Vernichtung der nationalsozialistischen Tyrannei hoffen sie, daß ein Friede geschlossen werde, in dessen Rahmen allen Nationen die Möglichkeit gegeben wird, innerhalb ihrer Grenzen in Sicherheit zu leben, und der die Gewähr dafür bieten wird, daß alle Menschen in allen Ländern ihr Leben frei von Furcht und Not führen können.
    7. Ein solcher Friede soll alle in die Lage versetzen, die Meere ungehindert befahren zu können.
    8. Sie glauben, alle Völker der Welt müssen aus realpolitischen und aus geistigen Gründen auf die Anwendung von Gewalt verzichten. Da kein künftiger Frieden gewahrt werden kann, wenn die Völker über ihre Grenze hinaus durch ständige Aufrüstung zu Wasser, zu Lande und in der Luft mit Angriffen drohen, so glauben sie, daß die Entwaffnung solcher Länder bis zur Feststellung eines breiter gefaßten und dauernden Systems allgemeiner Sicherheit wesentlich ist. Sie werden ebenso alle übrigen praktischen Maßnahmen unterstützen, die den friedensliebenden Völkern die drückende Rüstungslast erleichtern.
    Meine Damen und Herren! Wer wollte es leugnen, daß hier wirklich die Grundsätze niedergelegt sind, die die Welt nicht auf ein fixiertes Schema der Politik festlegen wollen, die anerkennen, daß der geschichtliche Prozeß nicht verläuft nur zwischen Alternativen und Extremen, in dem Entweder-Oder, sondern die zum Ausdruck bringen, daß Ziel aller Politik der Mensch und sein Wohlergehen sein muß. Die Erkenntnis dieses Zieles ist heute um so wichtiger, als man gerade im Totalitären die größte Gefahr für den Menschen, für die Erhaltung des Friedens erkennt. In der Atlantik-Charta ist nichts von jenem Geist der Verrechnung und des politischen Schuldurteils zu spüren, der ein Kind des Totalitarismus ist. Wohl aber spüren wir darin jenen Geist echter Humanität, der in Wirklichkeit zur Behebung der Skepsis in der Welt beitragen könnte und viele zur Aktivi-


    (Frau Wessel)

    tät und zum Mittun aufrufen und ermuntern würde, die heute in Verzweiflung, Fatalismus oder Resignation abseits stehen.
    Man kann deshalb — und mit diesen Gedanken, meine Damen und Herren, möchte ich schließen — die Staatsmänner, die heute in Paris um die Entgiftung der Weltspannung bemüht sein wollen, auf diese ihre eigenen Grundsätze nicht eindringlich genug hinweisen. Sie würden die besten Punkte einer Tagesordnung abgeben, die man heute aufstellen kann. Auf diesem Niveau und in dieser Gesinnung würden sich dann auch die konkreten Wege jener Politik finden lassen, die wahrhaft dem Frieden dient, der nach einem Wort Immanuel Kants das Meisterstück der Vernunft ist.

    (Lebhafter Beifall beim Zentrum, bei der SPD und den Regierungsparteien.)