Herr Präsident! Meine Damen' und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung vom 28. März 1950 das Erste Wohnungsbaugesetz einstimmig verabschiedet. Diese Tatsache kennzeichnet am dringlichsten die gegenwärtige Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt; denn einzig und allein das Wissen um die katastrophalen Verhaltnisse auf dem Wohnungsmarkt hat diese Einheit geschaffen. Wenn wir nun mit dem Ergebnis der Bautätigkeit im sozialen und im steuerbegünstigten Wohnungsbau im vergangenen Jahr zufrieden sein dürfen, so fehlt uns aber für dieses Jahr noch der Silberstreifen am Horizont, der uns befriedigt aufatmen ließe. Ja, meine Damen und Herren, ohne schwarzzumalen müssen wir im gegenwärtigen Augenblick feststellen, daß sich statt des Silberstreifens dunkle Wolken am Horizont abzeichnen. Im zuständigen Wohnungsbauausschuß haben wir schon seit Monaten über dieses Problem gegrübelt.
Heute liegt uns in der Drucksache Nr. 1970 ein Antrag der SPD vor, in dem sich in den einzelnen Punkten die Probleme abzeichnen, die das Kernstück oder besser gesagt die Voraussetzungen bilden, die zuvor von der Regierung zu erfüllen sind, um das Jahr 1951 im sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau erfolgreich zu bestehen. Als tiefste Ursache der Schwierigkeiten wurde eben bereits Korea genannt. Dieses Wort Korea haben wir schon oft gehört. Mit ihm benennen wir das Geschwür an unserem Volkskörper, das uns auch auf diesem Sektor ungeheure Schmerzen bereitet.
Wir unterstützen den Antrag der SPD, weil es selbst unser tiefstes Anliegen ist, daß hier Wandel geschaffen wird. Die Bauwirtschaft ist der Schlüssel zur Gesamtindustrie. Es ist hier dringend erforderlich, daß Wiederaufbau- und Wirtschaftsministerium mehr Hand in Hand arbeiten. Mit einer Erfüllung von nur etwa 50 % der Anforderungen z. B. auf dem Eisensektor können wir unter keinen Umständen den Erfordernissen auf dem Bausektor im Jahre 1951 Rechnung tragen. Hier muß dringend ab sofort Wandel geschaffen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Baustoffindustrie den gestellten Anforderungen voll und ganz nachkommen kann; und sie kann diesen Anforderungen nur nachkommen, wenn ihr die genügende Kohlen-
menge zur Verfügung gestellt worden ist, wie das schon mein Vorredner ausgeführt hat; denn die Baustoffindustrie hat in diesem Jahr nicht nur das Programm auf dem Sektor des sozialen Wohnungsbaus, sondern darüber hinaus noch ein weiteres Programm zu erfüllen, das auch wieder durch Korea ausgelöst wurde, und zwar müssen die Kasernenverdrängten neue Wohnungen bekommen. Hierfür ist der Betrag von einer Milliarde DM bereits überschritten, was ein bedeutendes Mehr an Baustoffen erfordert hat. Die Alliierten selbst erstellen unzählige militärische Bauten, deren Kosten allerdings durch die Haushalte der Besatzungsmächte bezahlt werden, die aber andererseits unsere Baustoffindustrie wesentlich belasten.
Das allererste Erfordernis, um diese Mehrproduktion zu erzielen, ist also, wie gesagt, Kohle, Kohle und nochmals Kohle. Wie sieht es nun auf diesem Gebiet aus? Während der tatsächliche Kohlenverbrauch der Steine- und Erden-Industrie im letzten Quartal des vergangenen Jahres 1 325 509 t betrug, wurden die genannten Richtmengen des ersten Vierteljahres nur mit 727 400 t festgesetzt, so daß sich ein Fehlbetrag von 598 109 t ergibt, der sich dadurch noch erhöht, daß die Richtmengen teilweise nur in Bruchteilen ausgeliefert werden. Diese unzureichende Belieferung mit Kohle hat schon im gegenwärtigen Stadium dazu geführt, daß die Baustoffindustrie nicht in der Lage ist, die aus jahreszeitlichen Gründen relativ geringen laufenden Bedarfsmengen zu liefern, während sie normalerweise in diesen Monaten auf Lager arbeitete, um dann in der Hauptsaison den erforderlichen Spitzenbedarf so wie erforderlich decken zu können. Vorräte an Baustoffen sind aber heute so gut wie gar nicht vorhanden.
Infolge der ungenügenden Kohlenzuteilung könnte also der Bedarf für den sozialen Wohnungsbau im Jahre 1951 gar nicht gedeckt werden, wenn das Bauvolumen lediglich die Höhe von 1950 erreichen würde. Da aber, wie eben schon ausgeführt, eine wesentliche Erhöhung des Bauvolumens für das Jahr 1951 durch die Bauten für die Kasernenverdrängten, durch die militärischen Bauten, für die wir auch die Baustoffe zu liefern haben, eingetreten ist, ist ein Mehr von rund 380 000 t erforderlich, und zwar gegenüber der bereits angeführten Fehlmenge von 598 109 t.
Meine Damen und Herren, es dürfte uns allen klar sein, daß es so, unter diesen Verhältnissen, nicht weitergehen kann. Da allerdings nicht wir allein über die Kohle bestimmen, ist hier einzig und allein dadurch Wandel zu schaffen, daß die Ruhrbehörde ein Einsehen hat. Wenn eben verlangt wurde, der Bund solle helfen, so darf ich dazu sagen: es erscheint mir dringend erforderlich, daß unsere Regierung erst einmal diesbezüglich mit der Ruhrbehörde über die Freigabe weiterer Kohlenmengen verhandelt; denn sonst sind wir nicht in der Lage, den erweiterten Baustoffansprüchen nachzukommen.
Soll die deutsche Bevölkerung da zurückstehen, sollen wir weiterhin die deutsche Bevölkerung in den Bunkern belassen und die durch die bewilligte Kohle erzeugten Baustoffe für militärische Bauzwecke verwenden? — Meine Damen und Herren, für'uns ist im Augenblick das wichtigste der soziale und steuerbegünstigte Wohnungsbau, und er soll auch für uns die Aufgabe Nummer eins bleiben.
Wenn nun zu a) 4. und b) in dem Antrage gefordert wird, daß
alle Wohnungsbauten des Bundes, auch diejenigen für Besatzungsangehörige, Besatzungsverdrängte, verschleppte Personen, sowie die Bauten für weitere Besatzungszwecke durch das Bundesministerium für Wohnungsbau so aufeinander abgestimmt werden, daß der Wohnungsbau und das Preisgefüge auf dem Baumarkt nicht beeinträchtigt werden,
und daß diesbezüglich mit den Hohen Kommissaren Verhandlungen aufzunehmen sind, so darf ich feststellen, meine Damen und Herren, daß in den darin gekennzeichneten Dingen schwere Hemmnisse für den Wohnungsbau für unser deutsches Volk liegen. Es ist ein Hemmnis in zweifacher Hinsicht, einmal in der übergroßen Zahl von Bauten für Besatzungsangehörige, zum andern in den Kosten der Besatzungsbauten, die ein Vielfaches derer der Wohnungseinheiten des sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbaues betragen. Hierüber ist am 15. . Dezember durch den Vorsitzenden des Wohnungsbauausschusses ausführlich berichtet worden. Er hat damals ausgeführt, daß für eine dreiräumige Wohnung für die deutsche Familie zirka 10 000 DM verausgabt werden müssen, während für einen Unteroffizier mit Familie 46 000 DM, für einen Offizier mit Familie 71 000 DM und für einen Stabsoffizier mit Familie 172 000 DM verausgabt werden müssen.
Wer je Gelegenheit hatte, sich in den Ländern umzuschauen, aus denen unsere jetzigen Sicherheitstruppen kommen, und die Wohnverhältnisse dort zu studieren, der wird mir zugeben müssen, daß unsere normalen Wohnungen, d. h. die, die auch jetzt im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt werden, im Vergleich zu dem Wohnraum der breiten Masse z. B. in den Ländern Belgien und Frankreich und selbst auch zum Wohnraum in England einen Luxus darstellen. Was aber in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiete gefordert und ausgeführt worden ist, ist ein nicht mehr zu vertretender Luxus. Es dürfte nunmehr für die Sicherheitstruppen gut sein, in einen bescheideneren Rahmen zurückgeführt zu werden, damit sie sich dem heimatlichen Milieu nicht zu sehr entfremden.
Unsere bisherigen Anwürfe nach dieser Seite hin sind ungehört verhallt. Wenn man uns als Partner gewinnen will, wenn man sogar unseren aktiven Beitrag wünscht, dann ist es erforderlich, auf der Gegenseite auf dem Gebiet der Wohnansprüche eine Gleichheit herbeizuführen, d. h. daß man seine Wünsche dem angleicht, was den Deutschen kraft Gesetzes zugestanden wird. Es dürfte für den Deutschen Bundestag an der Zeit sein, von sich aus abzulehnen, daß für Ausländer, wer immer es auch sein mag, aus deutschen Mitteln größere Räume erstellt werden, als es durch das Erste Wohnungsbaugesetz festgelegt worden ist.
Diese Richtlinien möchten wir der Regierung mit auf den Weg geben. Bei ihren Verhandlungen mit der Hohen Kommission ist es dringend erforderlich, auch auf mancherlei Widerwärtigkeiten hinzuweisen. Es geht nicht an, daß bei der inter-alliierten Kommission die Bauvorhaben einmal von irgendeinem Polizeimajor, ein andermal von einem Pionieroberst und dann wieder von diesem oder jenem Beamten ausgeführt werden. Hier muß dringend eine zentrale und straffere Lenkung gefordert werden. Der interministerielle Ausschuß sollte das ebenfalls auf die hier im Antrag der SPD aufgestellten Forderungen abstimmen. Wir begrüßen die Forderung, daß uns das Wiederaufbauministerium zum 1. April einen Bericht geben soll, denn die deutsche Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf,
von uns darüber unterrichtet zu werden, was auf diesem Gebiet geschieht. Wir begrüßen diesen Antrag, unterstützen ihn und fordern, daß er außer der Regierung auch dem Ausschuß für Wohnungsbau zugeleitet wird.