Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich in zwei Sitzungen sehr eingehend mit der Finanzlage SchleswigHolsteins befaßt. Dabei hat er nicht nur den Vertreter des Landesministers für Finanzen, sondern vor allem auch die Beauftragten des Bundesfinanzministers gehört. Schon im vorigen Jahre ist mit Zustimmung des Landesfinanzministers eine Studienkommission mehrere Male in Kiel gewesen, und seit einigen Wochen ist der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, Dr. Haaser, fast ausschließlich in Kiel, zwar nicht offiziell nach Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes, aber so gut wie —, im Einvernehmen mit dem Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein. Ich sage das deswegen, um Ihnen, meine Damen und Herren, klarzumachen, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sich nicht auf die Erklärungen der Vertreter Schleswig-Holsteins beschränkt hat.
Ich mache zunächst einige Bemerkungen zur Haushaltslage. Wie bereits bei der Einbringung des Gesetzes dargelegt wurde, beträgt der Fehlbetrag im Haushalt des laufenden Jahres nach Eingang von rund 110 Millionen DM aus dem horizontalen Finanzausgleich noch 70 Millionen DM, die bis zum 31. März vorhanden sein müssen. Der Ausschuß hat geprüft, ob im Landeshaushalt noch Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen gegeben sind, und hat sich davon überzeugt, daß das nicht der Fall ist. Sämtliche Gemeindesteuern liegen in SchleswigHolstein weit über dem Durchschnitt der anderen Länder. Die Rückstände an Landes- und Bundessteuern bewegen sich in Schleswig-Holstein ganz an der unteren Grenze und liegen weit unter dem
Durchschnitt der anderen Länder; ein Zeichen dafür, daß die Steuererhebung und Steuererfassung in Schleswig-Holstein sehr ernsthaft durchgeführt wird. Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen sind nicht mehr vorhanden.
Der Ausschuß hat weiter geprüft, ob auf der Ausgabenseite Einsparungen vorgenommen werden können, und sich davon überzeugt, daß alle Möglichkeiten auch hier bereits erschöpft sind. Ich darf ein paar Einzelangaben dazu machen, wobei ich aus der Fülle das Wichtigste herausgreife: Die Ausgaben im Landeshaushalt werden ja nicht zuletzt durch die große Zahl der Heimatvertriebenen hervorgerufen, die eine größere Verwaltung erfordert. Denken Sie allein daran, daß bei den Schulkindern eine wesentlich größere Vermehrung eingetreten ist als im Durchschnitt der Bevölkerung, so daß wir in unseren ländlichen Schulen überall mindestens eine Verdopplung, häufig eine Verdreifachung, manchmal eine Vervierfachung der Kinderzahl haben, was natürlich eine besonders große Zahl von Lehrern bedingt. Das sind mittelbare Kriegsfolgelasten, die sich in einem Lande, das so überfüllt ist wie Schleswig-Holstein, besonders unangenehm auswirken.
Mit Interesse hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen davon Kenntnis genommen, welche Einschränkungen auf dem Gebiet des Beamten- und Besoldungsrechtes in Schleswig-Holstein durchgeführt worden sind. Schleswig-Holstein kennt nicht wie andere Länder Staatssekretäre, sondern hat in jedem Ministerium einen leitenden Beamten, einen Landesdirektor, mit der Höchstbesoldung nach Gruppe B 7 a. Schleswig-Holstein kennt keine
Ministerialdirektoren und keine Ministerialräte, sondern die Abteilungsleiter der Ministerien sind Oberregierungsräte oder Regierungsdirektoren. Die Eingruppierung sowohl der leitenden wie der höheren Beamten und der Beamten des gehobenen Dienstes ist in Schleswig-Holstein durchweg niedriger als in anderen Ländern. Ministerialzulagen werden nicht gewährt. Die Sätze für Beschäftigungsvergütungen und Trennungsentschädigungen werden nur in Höhe von 50 % der früheren Reichssätze gewährt. Die Bezugsdauer für die Trennungsentschädigung ist begrenzt, Zahlung über 12 Monate hinaus nur in besonders dringlichen Fällen zulässig. Schleswig-Holstein hatte im Jahre 1948 noch 2 Millionen DM für Trennungsentschädigungen zu zahlen; jetzt sind es nur noch 600 000 DM. Beihilfen in Geburts-, Krankheits- und Todesfällen werden nur in Höhe von 50 % der früheren Reichssätze gewährt. Die Pauschalvergütungen nach dem Umzugskostengesetz werden nur in Höhe von 80 % gezahlt. Das Übergangsgeld für Angestellte nach § 16 TO A wird nur in Höhe von 80 % gewährt. Die Polizeibeamtenbesoldung ist ebenso wie die Besoldung der Berufsfeuerwehren neu geregelt worden. Die Unterhaltszuschüsse für Beamte im Vorbereitungsdienst werden nur noch bis zur Höhe der früheren Reichssätze gewährt. Schulbeihilfen für Erziehung der Kinder der Bediensteten außerhalb des Elternhauses werden nicht gegeben. Auch außerordentliche Zuschüsse zum Wohnungsgeldzuschuß werden nicht mehr gezahlt. Gehaltsvorschüsse werden nur in Höhe eines Monatsgehalts an verdrängte und ausgebombte Bedienstete, in Krankheits- und in Todesfällen und zur Beschaffung von Hausrat gewährt. Darlehen zur Beschaffung von Hausrat werden in Schleswig-Holstein nicht gegeben.
Sogar im Versorgungsrecht werden Einschränkungen gemacht: die Änderung der Ruhegehaltskala — statt 35 bis 80 % jetzt 25 bis 75 % —, die Beschränkung des Witwengeldbezugs nach dem
Lebensalter der Witwe und der Dauer der Ehe, die Herabsetzung des Wartegeldes auf 75 %, die Aufhebung des § 70 des Deutschen Beamtengesetzes: Versetzung in den Ruhestand auf Antrag nach dem 62. Lebensjahre.
Diese allein aus fiskalischen Gründen erfolgte Schlechterstellung der Beamten in stellenplanmäßiger, besoldungsrechtlicher und fürsorgerischer Hinsicht gegenüber dem Bund und gegenüber den Ländern ist auf die Dauer nicht vertretbar und führt schließlich zur Abwanderung der besten Kräfte. Seit 1947 sind die Stellenverminderungen planmäßig erfolgt. Die Zahl der vom 1. April 1947 bis 1. April 1949 im öffentlichen Dienst eingesparten Stellen beträgt 2056.
Die sächlichen Ausgaben sind seit dem Jahre 1948 in jedem Jahr planmäßig herabgesetzt worden und im Jahre 1950 noch einmal bei den Titeln 13 , 14 (Post, Telegraph usw.) und 16 (Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken) in Höhe von 5 % der Haushaltsansätze, bei den Titeln 11 (Geschäftsbedürfnisse), 12 (Unterhaltung und Ergänzung der Geräte), 18 (Dienstkraftwagen usw.) erneut um 10 % gekürzt worden. Die Bauunterhaltungsmittel sind auf 1,5 % des Friedensbauwertes herabgesetzt worden. Unbedingt nötig wären 2 %. Aber die Summe von 450 000 DM ist nicht aufzubringen.
Der Finanzausschuß hat alle diese Zahlen sorgfältig geprüft. Wie ich schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt habe, ist der Haushalt 1950 auf der Ausgabenseite um 64 Millionen gedrosselt worden. Für den Haushalt 1951 sind weitere Drosselungen vorgesehen, z. B. sind für Wirtschaftsförderung statt 24 Millionen nur 3 Millionen in Ansatz gebracht, was sich allerdings sehr bald in einer Minderung des Bundessteueraufkommens auswirken wird. Hier läge also eine Notwendigkeit für den Bund vor, einzugreifen. Ebenso liegen die Dinge auf dem Gebiet des Straßenbaues, der Wasserwirtschaft und des Siedlungswesens.
Ich will Sie nicht mit weiteren Einzelheiten behelligen. Ich habe diese Dinge hier vorgetragen, um Ihnen einen Einblick in das zu geben, was in diesem armen Lande tatsächlich geleistet worden ist, und um Ihnen zu zeigen, daß Einsparungen bis an die Grenze des Erträglichen gemacht worden sind. Diese ganzen Feststellungen sind von den Beauftragten des Herrn Bundesfinanzministers und vom Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes getroffen worden. Es ist klar, daß Schleswig-Holstein mit Finanzzuweisungen nicht endgültig geholfen werden kann, sondern daß mit Umsiedlung, Investierung und den Mitteln, die hier schon erörtert worden sind, geholfen werden muß.
Auch die Kassenlage ist sehr eingehend geprüft worden. Die Zahlen über die Kassenlage will ich Ihnen natürlich nicht geben. Praktisch sind die Kassen fast immer leer, und die Landeshauptkasse muß sich von einem Zahlungstermin bis zum anderen durchzwängen. Der Ausschuß hat aber mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, in wie hohem Grade jetzt z. B. Handwerkerrechnungen in Schleswig-Holstein nicht mehr bezahlt werden können, weil einfach die Kassenmittel nicht ausreichen. Der Herr Bundesfinanzminister hat grundsätzlich für die Lage Schleswig-Holsteins Verständnis gezeigt; aber den Schwierigkeiten der Kassenlage ist von seinen Beamten wohl nicht immer Rechnung getragen worden. Z. B. sind im Augenblick 5 Millionen Mark nötig, um vor dem
31. März die Mittel für die Auslösung der Pächter
— im wesentlichen für das Überinventar — zu bekommen. Wird diese Summe nicht in den nächsten Tagen überwiesen, weichen die Pächter nicht, wird also die Siedlung auf den in Aussicht genommenen Höfen um ein ganzes Jahr hinausgeschoben. Man sieht, wie dringlich diese Fragen gelöst werden müssen.
Der Ausschuß ist also zu dem Ergebnis gekommen, und zwar einstimmig, daß Schleswig-Holstein geholfen werden muß. Es war nur noch die Frage, wie dem Lande geholfen werden sollte und ob der Gesetzentwurf Aussicht hat, angenommen zu werden. Wir zweifelten nicht daran, daß er im Bundestag angenommen wird. Aber das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, und daß der Bundesrat diesem Gesetz nicht zustimmen würde, war allen Beteiligten klar. Der Ausschuß mußte sich deshalb überlegen, welche Form er dem Gesetz geben konnte, damit es der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf.
Infolgedessen legt der Ausschuß Ihnen Änderungsvorschläge vor. Er macht aus dem Gesetz über eine Bundeshilfe ein reines Kreditgesetz, welches jetzt heißt „Entwurf eines Gesetzes über eine Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein". Zu diesem Kreditgesetz ist die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich. Daher entfallen die beiden ersten Paragraphen, und es heißt in § 3:
Der Bund gewährt dem Lande SchleswigHolstein zur Aufrechterhaltung seiner Zahlungsfähigkeit bis zum Vollzug des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1951 einen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.
Gestern habe ich nun mit Bestürzung festgestellt
ich darf das vielleicht jetzt sagen, Herr
Präsident; ich habe zwei kleine Anträge einzubringen —, daß das Wort „unverzinslichen" fehlt.
Tm Ausschuß war beschlossen worden, daß es sich
— wie es in der Vorlage steht — um einen unverzinslichen Kredit handeln soll. Ich stelle deshalb namens des Ausschusses den Antrag, vor „Kredit" das Wort „unverzinslichen" einzufügen.
In § 3 a heißt es:
Das Land Schleswig-Holstein ist verpflichtet, den Kredit aus den Mitteln zurückzuzahlen, die ihm auf Grund des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1951 zufließen.
Der Finanzausschuß des Bundesrates hat sich heute vormittag mit der Drucksache Nr. 2000 befaßt. Mir ist die persönliche Information zugegangen, daß der Bundesrat, wenn das Gesetz in dieser Form beschlossen werden sollte, den Vermittlunwsausschuß anrufen werde; die Anrufung des Vermittlungsausschusses solle jedoch nicht erfolgen, wenn in § 3 a bei den Worten „den Kredit aus den Mitteln zurückzuzahlen" das Wort „insbesondere" eingefügt werde, so daß es also heißen würde: ,,den Kredit insbesondere aus den Mitteln zurückzuzahlen", welche aus dem Finanzausgleich 1P51 erwartet werden. Der Finanzausschuß des Bundesrates befürchtet sonach, daß in der jetzigen Fassung des § 3 a eine Präjudizierung des künftigen Finanzausgleichs liege. Ich trage keine Bedenken, das Wort „insbesondere" hier einzufügen, und erhebe die Einfügung des Wortes „insbesondere" zum Antrag.
Damit bin ich am Schluß meiner Ausführungen. Ich habe gestern mit Interesse gesehen — ich muß mir noch eine kleine persönliche Anmerkung gestatten —, daß diese Drucksache die Nummer 2000 trägt. Bei der Hochachtung, welche die Menschen vor dem dekadischen Zahlensystem haben, erinnerte ich mich, daß bei der Einbringung der Drucksache Nr. 1500 der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls seine Referenz vor der großen runden Zahl machte und auf die Drucksache Nr. 1000, die berühmte „Katastrophendenkschrift", hinwies. Er glaubte damals, daß wegen ihrer Nummer die beiden Drucksachen 1000 und 1500 der besonderen Aufmerksamkeit des Hauses sicher seien. Ich bin der 'Meinung, daß auch die Drucksache Nr. 2000 Ihre besondere Aufmerksamkeit und Ihre ungeteilte Zustimmung finden wird.
Bei der Einbringung des Haushaltsgesetzes unterbrach der verehrte Herr Präsident den Minister und meinte, daß das nicht nur Zufall sei, sondern daß das Schicksal etwas gestaltet worden sei. Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob auch bei der Nummerngebung für die Drucksache Nr. 2000 das Schicksal gestaltet worden ist; ich glaube, daß es vielmehr einem reinen Zufall zu verdanken ist, aber immerhin wird die Nummer die Wirkung haben, daß ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der Herr Minister Schäffer sagte dann, er freue sich, wenn die Menschen das Schicksal rechtzeitig ahnen und ihm den Weg bereiten. Wir können also mit Interesse erwarten, was uns die Drucksache Nr. 2500 bringt — vielleicht den Bundeshaushalt 1951? — oder was dann die Drucksache Nr. 3000 sein wird. Ich möchte nur hoffen, daß uns die Drucksache Nr. 3000 der Notwendigkeit enthebt, vor der wir bei der Drucksache Nr. 2000 stehen, wieder vor den Bundestag hinzutreten und für Schleswig-Holstein zu sprechen.
Dieses Gesetz hilft nur bis zum 31. März, am nächsten Tag, mit dem 1. April, beginnt ein neues Rechnungsjahr mit der alten Not. Möge die Drucksache Nr. 3000 einen wesentlichen Fortschritt und
— es tut mir leid, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht da ist —, vielleicht eine leichte Modifizierung des Föderalismus im Sinne einer zentralen Bundesfinanzverwaltung bringen!