Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es begrüßt, daß die von uns am 13. Dezember eingebrachte Gesetzesvorlage von dem Vertriebenenausschuß in verhältnismäßig kurzer Zeit bearbeitet worden ist. Wir bedauern jedoch, daß gewisse Änderungen, die wir nicht ohne Bedenken zur Kenntnis nehmen können, vorgenommen worden sind. Die Abgeordneten des Landes Niedersachsen — und ich glaube, nicht nur, die Abgeordneten meiner Fraktion — werden nicht ohne weiteres damit einverstanden sein, daß die Abgabezahl für Niedersachsen von 100 000 auf 85 000 herabgesetzt und dafür die Abgabezahl Bayerns von 50 000 auf 65 000 erhöht wird. Trotz aller Bedenken wollen wir jedoch davon absehen, einen Änderungsantrag zu stellen, weil wir angesichts der ungeheuren Vertriebenennot glauben, es nicht verantworten zu können, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes irgendwie gefährdet oder hinausgezögert wird.
Ebenso kamen uns Bedenken, als wir feststellen mußten, daß der Vertriebenenausschuß statt der in § 1 des Gesetzentwurfs genannten Zahl von 300 000 in seinem § 1 a die Zahl von 200 000 Heimatvertriebenen angegeben hat, die vorerst bis zum 30. September 1951 umgesiedelt werden sollen, und daß er dann in § 1 c von weiteren 100 000 spricht. Nach den bisher gemachten Erfahrungen — wir denken daran, daß im Jahre 1950 von 300 000, die umgesiedelt werden sollten, tatsächlich nur etwa 250 000 zur Umsiedlung kamen — fürchten wir, daß im Vertriebenenministerium allzu große Neigung bestehen könnte, sich mit der Zahl von 200 000 auch
für 1951 zu begnügen. Da man uns jedoch erklärt hat, daß mit den Ländern bereits gewisse Vereinbarungen getroffen seien, und da man annimmt, daß man durch die Regelung, wie sie der Entwurf des Vertriebenenausschusses vorsieht, weniger Schwierigkeiten haben wird, erklären wir uns auch mit dieser Abänderung einverstanden. Wir hoffen jedoch, daß die erweiterten Machtbefugnisse, die das Gesetz der Bundesregierung, dem Herrn Bundesvertriebenenminister, gibt, tatsächlich auch restlos ausgenützt werden. Es darf nicht vorkommen, daß an uns Abgeordnete der Vertriebenenländer immer wieder die unzufriedenen, verbitterten Vertriebenen herantreten und meinen, in Bonn warte man darauf, daß der bekannte Zahn der Zeit auch dieses Vertriebenenproblem lösen würde.
Wir meinen aber, daß nicht allein die Machtbefugnisse, die das Gesetz gibt, anzuwenden sind, sondern wir meinen, dass es auch zweckmäßig ware, wenn das Ministerium oder die Regierung versuchte, in den Aufnahmeländern in geschickter Form die psychologischen Voraussetzungen zu schaften, damit der Aufnahme von Heimatvertriebenen nicht allzu große Schwierigkeiten entgegengestellt werden. Ich glaube nicht, daß ein Appell an die Einsicht und an das Mitgefuhl der Bewohner dieser Lander vollkommen vergeblich ware.
Von meinem Vorredner wurde vorhin schon von den Evakuierten gesprochen. Wir haben in § 1 unseres Entwurfes vorgesehen, daß die Lander Hamburg und Bremen als Aufnahmeländer nicht in Betracht kommen sollen. lier Entwurf des Vertriebenenausschusses hat unsere Anregung nicht akzeptiert. Trotz alledem meinen wir, daß man das Problem der Rückführung der Evakuierten nicht ohne weiteres mit dem der Seßhaftmachung der Heimatvertriebenen zu verknupfen brauchte. Der Evakuierte hat seine Heimat nicht in demselben Sinne verloren wie der Heimatvertriebene. Er steht mit seiner Heimat noch in irgendeiner Verbindung oder er lebt gar noch in ihr. seine Rückführung ist insbesondere eine Frage der Wohnraumbeschaffung. Der Heimatvertriebene dagegen hat nicht nur Heimat und Heim verloren, sondern ist in dem wilden Durcheinander von 1945 irgendwohin verschlagen worden, wo er nicht Fuß fassen kann, weil er nicht seßhaft werden kann, weil er erwerbslos bleibt und weil er in Elends- oder Massenquartieren hausen muß. Deshalb sind wir durchaus einverstanden, daß man in diesem Gesetz, wie es der § 1 vorsieht, nur die Heimatvertriebenen berücksichtigt. Andererseits erkennen wir die berechtigten Forderungen der Evakuierten an. Wir erkennen auch das berechtigte Interesse der Städte Hamburg, Bremen, Köln und der vielen anderen zerbombten Städte an, die ihre Evakuierten wieder in ihre Mauern aufnehmen möchten.
Aus diesem Grunde stellen wir folgenden Antrag: Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, baldigst einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der, zur beschleunigten Rückführung Evakuierter die Schaffung des erforderlichen Wohnraums in den zerbombten Städten regelt.
Wir bitten das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Vorhin ist der Antrag erwähnt worden, der die besondere Berücksichtigung der heimatvertriebenen Spätheimkehrer verlangt. Es ist selbstverständlich, daß wir diesen Antrag aufs wärmste unterstützen. Auch wir meinen, daß man hier die Möglichkeit
wahrnehmen sollte, gerade an den Spätheimkehrern etwas gutzumachen.
Zusammenfassend möchte ich das Hohe Haus bitten, von irgendwelchen Abänderungsanträgen, die geeignet sind, die Verabschiedung des Gesetzes hinauszuzögern und eine Rückverweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß herbeizuführen, abzusehen. Das Elend in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und in Bayern zwingt uns, so rasch wie möglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bundesregierung, daß der Herr Vertriebenenminister, mit der Umsiedlung tatsächlich fortfahren kann. Ich glaube, wir sollten angesichts dieser Tatsachen alle Länderinteressen, alle Bedenken, die wir wegen irgendwelcher Unzulänglichkeiten des Entwurfs haben könnten, unter allen Umständen zurückstellen. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.