Rede von
Johannes
Albers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, zur zweiten Lesung des Haushaltsplanes für den Wohnungsbau das Wort zu nehmen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Erler zwingen mich aber, auch die Meinung meiner Fraktion in diesem Augenblick dem Hohen Hause zur Kenntnis zu bringen.
Wir sind mit Herrn Kollegen Erler der Auffassung, daß sich das Bauvolumen und auch die Leistungen im Jahre 1950/51 sehen lassen können. Wir sind aber auch mit den gesamten Parteien der Meinung, daß hier nicht allein das Ministerium diese großen Leistungen für das Jahr 1950/51 aufzuweisen hat, sondern daß das gesamte deutsche Volk das Seine dazu beigetragen hat, um hier ein Beispiel zu setzen für das, was dem deutschen Volke, wenn es einig ist, zu schaffen möglich ist.
Meine Damen und Herren! Wir haben seitens der CDU/CSU-Fraktion im Laufe des letzten Jahres auch bei der Beratung des ersten Wohnungsbaugesetzes unsere besten Kräfte mit zur Verfügung gestellt, und wenn der Herr Kollege Lücke am Schlusse der Beratung über das erste Wohnungsbaugesetz feststellen konnte, daß im deutschen
Volke durch die einmütige Verabschiedung des Wohnungsbaugesetzes im Bundestag doch der gute Wille aller verantwortlichen Parteien gezeigt wurde, durfte er wohl auch im Namen des ganzen Bundestages zum deutschen Volke sprechen, und was wir voriges Jahr angefangen haben, wollen wir fortsetzen. Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, daß die CDU/CSU-Fraktion nicht willens ist, vor aufkommenden Schwierigkeiten, mögen sie liegen, wo sie wollen, zu kapitulieren.
Wir denken nicht daran, es uns zum Beispiel in der Frage der Kapitalnot oder der Beschaffung der ersten Hypotheken damit leicht zu machen, daß wir jetzt hier die Forderung auf Bau von Schlicht- und Einfachwohnungen aufnehmen. Wir geben Primitivlösungen dieser Art nicht unsere Zustimmung, und wir werden nicht dafür zu haben sein, daß wir mit Kleinstwohnungen, Primitivbauten und Einfachstwohnungen jetzt dieses Problem Nr. 1 in Deutschland im Laufe der nächsten Jahre zu lösen versuchen. Wir wollen eine echte Lösung, und diese echte Lösung liegt .darin, .daß auch die aufgewandten Kapitalien echt verwandt werden und auch für das deutsche Volk eine dauerhafte und gute Anlage sind.
Meine verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhange hat Herr Kollege Erler die verschiedensten Probleme angepackt. Ich will im einzelnen nicht darauf eingehen; wir behalten uns vor, bei der dritten Lesung zu den einzelnen Problemen noch Stellung zu nehmen. Ein Problem aber hat Herr Kollege Erler nicht angepackt, und darauf möchte ich doch noch einmal verweisen.
Wir müssen feststellen, daß man in fast jeder zerstörten Stadt mit dem Wohnungsbau immer weiter nach außen in die unbebauten Gebiete geht und daß die Stadtkerne zum Teil zerstört liegen bleiben.
Die großen kommunalen Vorleistungen, die in den Straßen liegen, bleiben ungenutzt, und die Anlagen verkommen mehr und mehr.
Die Kosten für Neuerschließungen bei Wohnungs-und Siedlungsbauten für städtische Wohnungen machen im Durchschnitt 1500 bis 2000 DM pro Wohnung aus. Aus dieser Tatsache ist erklärlich, welche Einsparungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht vorhanden sind, wenn das Bauen in die schon erschlossenen Gebiete gelenkt wird. Ich weiß, welche Schwierigkeiten hier vor uns stehen. Das Bauen in Trümmergebieten ist mit der Überwindung erheblicher rechtlicher Schwierigkeiten verbunden. Wir wissen, daß ein Mittel zur Behebung dieser rechtlichen Schwierigkeiten die Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes ist. Aber selbst wenn ,das Baulandbeschaffungsgesetz jetzt schon Gesetzeskraft hätte, könnte beim Aufstellen von Bauprogrammen in zerstörten Stadtgebieten noch nicht großzügig verfahren werden, weil die Wiederaufbaupläne der Städte zum großen Teil noch nicht fertiggestellt sind.
Man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, unsere Städteplaner seien noch nicht zu der Erkenntnis gekommen, daß wir ein armes Volk geworden sind und daß aus allgemeinpolitischen
Gründen schnell und ordentlich gebaut werden muß.
Es kommt nicht darauf an, daß man Liebhabereien nachgeht,
sondern darauf, daß man die Stadtkerne aufbaut mit den Mitteln und Möglichkeiten, über die wir noch verfügen. Ich denke nicht daran., einen auch mir bekannten großen Städteplaner für die Vorlage des letzten Plans für den Aufbau einer großen zerstörten Stadt in der Nähe von Bonn noch mehrere Jahre zu konzedieren. Jede Städteplanung ist eine rein akademische Arbeit,
wenn sie nicht von der sicheren Erkenntnis ausgeht, daß sie sich mit den den Gemeinden im Laufe des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehenden Kapitalmitteln durchführen lassen muß.
Meine verehrten Damen und Herren! Ich sagte eben schon, daß wir u s für die dritte Lesung vorbehalten, zu den einzelnen Problemen, die hier schon erörtert wurden, eingehend Stellung zu nehmen. Aber ich möchte in diesem Augenblick noch einmal ganz klar herausstellen . — Kollege Erler hat es schon angedeutet —, was uns veranlaßt hat, die letzten Entscheidungen bei diesem wichtigen Problem zu treffen. Das Baujahr 1951 wird schwerer als das Jahr 1950. Der Wohnungsbau wird sicherlich auch von der Sicherheitsfrage irgendwie mit-beeinflußt. Ich habe mehr als einmal in diesem Hause davon sprechen hören, daß es keine innere und äußere Sicherheit gibt, wenn nicht das Sozialprogramm Nr. 1 —der Wohnungsbau — durchgeführt wird. Wir stehen nicht vor der Frage, ob wir Bauten für die Sicherheit errichten sollen oder ob wir Wohnungen erstellen sollen, die 15 Millionen Menschen in Westdeutschland, die schon fast ein halbes Jahrzehnt in menschenunwürdigen Verhältnissen leben, verlangen können. Ich möchte so sagen: Wir haben auf unsere Sicherheit zu sehen, aber innere und äußere Sicherheit bilden eine Einheit. Für die Sicherung gegen die Bedrohung unserer Freiheit muß der Grund gelegt sein durch Maßnahmen, die unserer eigenen politischen Entscheidung entstammen. Diese eigene politische Entscheidung sehen wir vorzugsweise darin, daß wir den Willen und die Kraft haben, das auch für das Jahr 1951 gesteckte Ziel, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues mindestens 300 000 Wohnungen zu bauen, zu erreichen. Wenn wir das schaffen, haben wir unserem Volke und der Freiheit den besten Dienst erwiesen.