Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Leuchtgens hat mit Anerkennung für das Wohnungsbauministerium nicht gekargt. Wenn wir uns noch an sein Auftreten bei den Haushaltsdebatten im letzten Jahr an dieser Stelle erinnern, dann müssen wir ihm dieses Kompliment wirklich von ganzem Herzen auch jetzt zuteil werden lassen.
Welch ein Wandel, der sich vollzogen hat, wenn jemand von dem Oppositionssplitter aufsteigt auf einen der Regierungsbalken! Es hat sich da doch eine erfreuliche Wandlung vollzogen.
— Ich bin jederzeit dem Alter gegenüber höflich; aber die Erinnerung an die Haushaltsdebatten ist noch so furchtbar in mir, daß ich diesen Stoßseufzer der Erleichterung doch einmal ausstoßen darf.
Nun wollen wir uns mit dem Wohnungsbauministerium und seiner Einrichtung beschäftigen. Es ist das erste Ministerium, für das wir hier, nachdem die etwas turbulente Aufbauperiode abgeschlossen ist, für ein ganzes Jahr den Plan vorgelegt bekommen. Noch keines der anderen echten großen Ministerien hat eigentlich diese seine Feuerprobe vor dem Bundestag bestanden. Es wird daher gut sein, wenn wir uns mit der Einrichtung der Ministerien und den allgemeinen Problemen, die sich daraus ergeben, heute etwas ausführlicher beschäftigen.
Ich darf in diesem Zusammenhang einige Anträge ankündigen, die meine politischen Freunde aber erst zur dritten Lesung einbringen werden, und zwar deshalb, weil sie sich nicht ausschließlich auf das Wohnungsbauministerium, sondern auf alle Ministerien erstrecken und weil wir glauben, daß wir dem Hause viel Zeit ersparen, wenn wir diese Dinge nicht bei jedem einzelnen Ministerium immer wieder von neuem über die Bühne gehen lassen, sondern bei der dritten Lesung im Zusammenhang eine echte politische Entscheidung zu den Fragen herbeiführen, in denen wir vielleicht nicht ganz einer Meinung sein werden.
Es wird sich bei diesen Anträgen etwa um folgende handeln. Wir werden zum Tit. 24 bei allen Ministerien einheitlich eine Herabsetzung um 50 % fordern, weil wir der Meinung sind, daß man in einer Zeit, in der die Regierung dem Volke Sparsamkeit predigt, in einer Zeit, in der von Verbrauchseinschränkung und Selbstbescheidung gesprochen wird, damit an der Spitze beginnen und deshalb der Repräsentationsaufwand nicht unbedingt in dem bisherigen Umfang von 20 000 DM für jeden Minister und sogar von 30 000 DM für den Verkehrsminister aufrechterhalten werden muß. Dieser Antrag wird sich dann natürlich auch auf das Wohnungsbauministerium erstrecken.
Der zweite Antrag, der durch eine Reihe von Erfahrungen, die wir im Haushaltsausschuß gemacht haben, veranlaßt ist, wird dahin gehen, daß wir es begrüßen würden, wenn dem Bundestag eine Übersicht über alle aus dem Titel Sachverständigengutachten geleisteten Zahlungen vorgelegt würde. Das Haus wird mit großem Interesse feststellen, in welcher Weise diese Beträge verausgabt worden sind und wie die Gutachten im einzelnen beschaffen sind, die aus diesem Posten bezahlt wurden. Wir werden dazu noch etwas Weiteres wünschen, um zu verhindern, daß sehr unerwünschte Aufwendungen aus diesen Posten für Dinge gemacht werden, die bei dem vorhandenen Regierungsapparat eigentlich mit eigenen Kräftèn bewältigt werden könnten. Wir werden nämlich wünschen, daß die Verausgabung dieses Titels dann, wenn die Zahlung im Einzelfall 3000 DM übersteigt, an die Genehmigung des Haushaltsausschusses geknüpft wird.
Wir haben im Haushaltsausschuß weiter ein Problem angeschnitten, das im Zusammenhang mit der dritten Lesung gleichfalls einmal im Plenum ausführlicher erörtert werden muß. Wir werden wünschen, daß die erst neulich im Bundesgesetzblatt wieder veröffentlichten Bestimmungen über die Abführungspflicht von Einnahmen derjenigen Beamten, die im Nebenamt Aufsichtsratssitze innehaben, wirklich genau durchgeführt werden. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren und haben begründeten Anlaß dazu, daß wesentlich mehr leitende Beamte der verschiedensten Bundesministerien Aufsichtsräten angehören und Einnahmen aus diesen Aufsichtsratsposten beziehen, die den Vorschriften widersprechend nicht im Haushaltsplan nachgewiesen sind. Wir werden diesem Kapitel sehr große Aufmerksamkeit zuwenden müssen, zumal es doch so zu sein scheint, daß an manchen Stellen auf diese Weise aus den von den Beamten vereinnahmten Beträgen sogar gewisse Fonds gebildet werden, aus denen Personen bezahlt werden, die eine Tätigkeit ausüben, von der der Bundestag nichts weiß, und die im Haushaltsplan an keiner Stelle erscheinen.
Das verstößt gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit. Das Haus wird sicher in voller Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister Wert darauf legen, daß diese Dinge abgestellt werden. Wenn man das nicht gleich von Anfang an tut, reißen Mißbräuche ein, die auf die Dauer unerfreulich sein können.
Wir werden weiter wünschen, daß die Besetzung der leitenden Stellen der Ministerien an die beratenen Organisations- und Stellenpläne gebunden wird — nur der leitenden Stellen, nicht der andern —, damit nicht den Wünschen der parlamentarischen Körperschaften widersprechend eine Stelle von einem Gebiet auf ein anderes, für das sie nicht ursprünglich gedacht worden ist, umgelegt werden kann.
Als letztes werden wir schließlich fordern, daß keine neue Dienststelle geschaffen werden kann, die man aus allgemeinen Verfügungsmitteln bezahlt. Wenn man neue Dienststellen und Behörden einrichtet, müssen sie ordnungsmäßig etatisiert und dürfen nicht aus Verfügungsmitteln bestritten werden. Ich brauche hier nicht deutlicher zu werden. Die Dienststellen, um die es sich hier handelt, sind allen Mitgliedern des Hauses bekannt. Ihre Tätigkeit mag noch so sinnvoll und nützlich sein — das bestreiten wir nicht —; aber dann müssen sie im ordentlichen . Haushaltsplan veranschlagt und vom Parlament auch bewilligt werden.
Zur Organisation des Wohnungsbauministeriums selbst möchte ich nicht viel sagen. Der Herr Berichterstatter hat alles Wesentliche dazu ausgeführt, was im Haushaltsausschuß an Anregungen gegeben und an Kritik in diesen verhältnismäßig geringfügigen Punkten geübt worden ist. Das Wohnungsbauministerium ist kein klassisches Ministerium. Es ist so ein Stück Wildwachs in unserer Verwaltungsorganisation. Der Herr Minister hat
mit beneidenswertem Talent etwas improvisieren müssen. Das erklärt, daß die Organisation an manchen Stellen noch nicht so abgeschliffen und aufeinander abgestimmt ist, wie das bei Ministerien mit einer langen Tradition im Laufe der Jahrzehnte wächst. Um so größer wird seine Pflicht sein, darauf zu achten, daß sich keine unerwünschten Kompetenzüberschneidungen ergeben und der Aufbau stets sauber und klar ist und die Zuständigkeiten klar abgegrenzt sind.
Hier haben auch wir von unserer Partei ganz besonders den Wunsch, daß die Stellung des sogenannten Amtes Bundeszone geklärt wird. Wenn es eben ministerielle Aufgaben wahrnimmt, wie es tatsächlich der Fall ist, dann ist es in das Ministerium einzubauen und kann nicht als Bundesoberbehörde sein Dasein fristen; oder aber man darf ihm nur diejenigen Aufgaben anvertrauen, die. tatsächlich einer Bundesoberbehörde zukommen, und muß die anderen Stellen herauslösen und in das Ministerium hineinnehmen.
Die Frage der Verwendung der Mittel, über die das Ministerium nicht für sich selbst, sondern für den Wohnungsbau verfügt, muß uns allen hier ganz besonders am Herzen liegen. Wir haben im Haushaltsausschuß verschiedentlich erlebt, daß Versuche unternommen worden sind — und denen haben sich der Haushaltsausschuß und auch der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen mit aller Entschiedenheit widersetzt —, die Mittel des sozialen Wohnungsbaues für andere Zwecke anzuknabbern. Der Herr Kollege Lücke nickt mir hier erfreut zu. Es ist die Meinung, die unser Ausschuß einhellig vertreten hat, und ich möchte das hier von der Tribüne dieses Hauses aus noch einmal ausdrücklich sagen: Es gibt eine ganze Reihe von zweifellos dringenden Aufgaben, zu denen wir ohne weiteres auch die ländliche Siedlung zählen. Aber wenn wir diese finanzieren müssen, dann müssen wir nach Wegen suchen, um sie an der gebührenden Stelle im Haushaltsplan unterzubringen, und dürfen nicht den Wohnungsbautopf damit belasten. Das ist eine der Investitionsaufgaben Nummer eins. Hier investieren wir nämlich nicht in Fabriken und nicht in Verkehrsanlagen, sondern wir investieren in Menschen, in ihrer Arbeitsfähigkeit und ihrer Arbeitskraft. Deswegen wollen wir keinen Pfennig von diesen Mitteln für andere Zwecke, so wichtig sie auch sein mögen, abzweigen. Dann muß man das ehrlich machen und muß eben an einer anderen Stelle des Planes die Mittel ausweisen, die für den anderen Zweck gebraucht werden.
Der Wohnungsbau in Deutschland steht — das weiß jeder — vor einer ernsten Krise, wenn man nicht sogar sagen kann in einer ernsten Krise. Die Auswirkungen der verschiedensten Engpässe setzen ein. Die Baustoffwirtschaft hat infolge der mangelhaften Kohlenversorgung große Schwierigkeiten, die Baustoffe in dem benötigten Ausmaße herzustellen. Mit diesem Problem wird der Wohnungsbauminister allein nicht fertig. Das ist selbstverständlich. Aber er wird der Wächter im Kabinett sein müssen, der mit dafür zu sorgen hat, daß bei der allgemein einzuschlagenden wirtschaftspolitischen Linie die Investitionen so gesteuert werden, daß die Baustoffwirtschaft, die Bauwirtschaft im ganzen und auch die Kohlenversorgung, die man dazu braucht, nicht übersehen werden gegenüber den dringenden Aufgaben auf anderen Gebieten. Wir wünschen dem Wohnungsbau die unbedingt erforderliche Priorität auf diesem Gebiet zu erhalten.
Selbst für den Bergbau ist das wichtig; denn auch seine Leistungen werden nicht allein durch technische Investitionen steigen, sondern auch dadurch, daß man den Bergarbeiterwohnungsbau in geeigneter Weise fördert, so daß auch der Bergbau selbst sich wieder eine Investition nützlicher Art zuführt.
Die zweite ernste Frage, vor der der Wohnungsbau heute steht, betrifft die Preisentwicklung. Die Preise sind nicht nur auf dem Gebiete der Baustoffe, sondern auch sonst in den letzten Wochen stärker als im vergangenen Jahre ins Schwimmen gekommen. Das wirft alle Berechnungen über die Finanzierungsgrundlagen des Wohnungsbaues glatt über den Haufen. Hinzu kommt die Unsicherheit, die sich auf dem Gebiete des Kapitalmarkts bemerkbar macht. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, daß nicht nur der Wohnungswirtschaftliche Beirat beim Wohnungsbauministerium, daß nicht nur eine Reihe von anderen Sachkennern, sondern sogar neuerdings auch eine Reihe von wirtschaftspolitischen Sachverständigen der Bundesregierung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht haben, daß man von einer Zinserhöhung in einer Zeit steigender Preise keinen Anreiz für die Sparkapitalbildung erwarten kann.
Deswegen müssen wir endlich einmal mit diesem Gerede über den Kapitalzins aufhören. Wir müssen hier eine gewisse Sicherheit herstellen, damit die Leute wissen, woran sie sind. Ich glaube, es würde die falsche Entwicklung sein, von der Seite der Kapitalzinserhöhung her allgemein eine neue Welle zu den ohnehin vorhandenen Triebkräften in Richtung Preissteigerung und damit Auslösung inflationistischer Tendenzen in Gang bringen; nicht nur, weil das wirtschaftspolitisch falsch wäre, sondern weil es jetzt gerade unser Sorgenkind Nummer eins, nämlich den Wohnungsbau, sehr ernstlich gefährden würde.
Daß man sich im Wohnungsbauministerium und auch sonst gewiß darüber Gedanken macht, wie man denn nun den Kapitalmarkt trotzdem fördern kann, wie man z. B. die Pfandbriefe, deren Aufkommen gerade für die Finanzierung des Wohnungsbaues mit bestimmt ist, mit einer Art dinglicher Sicherheit ausstatten kann, damit der Sparer weiß: ich habe kein Geldpapier, sondern ich habe einen Sachwert in Händen —, das ist klar, und es sind sehr verdienstvolle Erwägungen. Wir würden uns freuen, wenn wir hier möglichst schnell zu greifbaren Ergebnissen kommen könnten. Aber das Entscheidende werden nicht diese Anreize sein, das Entscheidende werden auch keine Steuervorteile sein, sondern das Entscheidende wird sein, daß wir durch geeignete wirtschaftspolitische Mittel der Tendenz, die augenblicklich alle Preise nach oben jagt, endlich einmal Herr werden.
Denn solange die Preise uns davonlaufen, ist alles andere, ist jede andere Berechnung in den Sand geschrieben. Das müssen wir uns einmal sehr deutlich klarmachen.
Immerhin gibt es auch im Rahmen der jetzt bestehenden Möglichkeiten noch so manches, was nicht voll ausgeschöpft worden ist. Ich darf an die Baukostenkonferenz erinnern. Wir haben im Bundestag in einer Entschließung zum Wohnungsbau-
gesetz dem Wohnungsbauminister mit auf den Weg gegeben, daß es seine Aufgabe ist, die großen öffentlichen Bauträger in Stadt und Land so zusammenzufassen, daß man nicht von der öffentlichen Nachfrage her, die allein einen großen Teil des ganzen Bauvolumens ausmacht, sich noch gegenseitig Konkurrenz macht und damit die Preise in die Höhe jagt. Wir können uns des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß zwar gelegentlich einige Konferenzen stattgefunden haben, daß aber die Durchsetzung der Ergebnisse dieser Konferenzen bis in die Baupraxis, in die letzte Gemeinde hinaus, in der auch noch aus öffentlichen Mitteln gebaut wird, stark zu wünschen übrig läßt. Wir würden uns freuen, wenn hier in energischerer Weise als bisher wenigstens der Versuch unternommen würde, die allgemeine Preissteigerungswelle vom Wohnungsbau so fernzuhalten, wie das unter den obwaltenden wirtschaftspolitischen Umständen nur möglich ist.
Hinzu kommt die Notwendigkeit, das gesamte öffentliche Bauvolumen einschließlich des allmählich wachsenden Volumens derjenigen Bauten, die im Auftrage und für Rechnung der Besatzungsmächte durchgeführt werden, in einer Hand zusammenzufassen und etwas aufeinander abzustimmen, damit nicht der eine Bauträger dem anderen die Kapazitäten, die Baustoffe und das Kapital aus den Händen reißt und sich nicht unerwünschte Auswirkungen auf die Baupreise im ganzen ergeben. Wir werden Gelegenheit haben, zu diesen beiden Problemen im Bundestag ausführlich Stellung zu nehmen, wenn der Ihnen vorliegende Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu diesen Fragen hier im Hause behandelt wird. Wir würden uns freuen, wenn sich aus der gemeinsamen Beratung im Hause und in den Ausschüssen wieder eine allgemeine einheitliche Linie ergibt, die es uns gestattet, der jetzt auf den Wohnungsbau einstürmenden Schwierigkeiten einigermaßen anständig Herr zu werden. Es wird keine verlorene Zeit sein, die wir im Hause an die Erarbeitung dieser Dinge wenden werden.
Die nächste große Schwierigkeit, der der Wohnungsbau heute gegenübersteht, ist die Beschaffung von Bauland. Es liegen darüber bereits mehrere Regierungsentwürfe vor. Ich will die Frage im einzelnen jetzt gar nicht erörtern. Ich möchte an alle damit befaßten Stellen nur den dringenden Wunsch richten, daß etwas auf das Tempo gedrückt wird,
damit nicht nur im Bundesrat und bei der Bundesregierung, sondern auch bei uns allen hier Klarheit darüber besteht, daß unabhängig von der Finanzierung und unabhängig von den Baustoffen und der Baukapazität auf alle Fälle doch erst einmal der Baugrund gesichert sein muß,
auf dem man zu Bedingungen rechtlicher und finanzieller Art bauen kann, die es gestatten, darauf preiswerte und — auch für die Zukunft — solide Häuser zu errichten.
Beim Wohnungsbauministerium gibt es den Wohnungswirtschaftlichen Beirat. Er hat bestimmt eine ganze Reihe verdienstvoller Arbeiten geleistet. Wir würden uns nur darüber freuen, wenn man diese Arbeiten als ein Ganzes werten und wenn nicht ein jeder sich nur diejenigen Punkte herauspicken und in die Praxis umzusetzen versuchen würde, die ihm gerade gefallen. Der Wohnungswirtschaftliche Beirat hat z. B. in einer Sache
Stellung genommen, die uns gar nicht gefällt, nämlich in der Frage der Mietpreiserhöhung. Er hat aber in einer anderen Frage ebenso klar Stellung genommen, in der offenbar doch erhebliche Kräfte in der Regierung sich anders verhalten, als es der Wohnungswirtschaftliche Beirat will. Das ist die Frage der Kapitalzinserhöhung, die vom Wohnungswirtschaftlichen Beirat nicht nur aus Gründen der Wohnungswirtschaft, sondern aus Gründen der Volkswirtschaft schlechthin als unerträglich und falsch abgelehnt wird.
Zur Frage der Mietpreiserhöhung gestatten Sie mir wenige Worte. Es ist zweifellos richtig, daß jetzt das durch die Zufälle der verschiedenen Bauperioden zustande gekommene Mietniveau eine ganze Reihe von offenbaren Ungerechtigkeiten und Verzerrungen enthält, über deren Bereinigung man sich zu gegebener Zeit einmal unterhalten kann. Aber was wir auf keinen Fall gutheißen, ist, daß in der jetzigen Situation, in der uns alles davonläuft., nun von der Seite der Mietpreissteigerung her erneut idle Lohn-Preis-Spirale in Be-Bewegung gesetzt wird.
Die Lebenshaltung der breiten Massen der zur Miete wohnenden Bevölkerung ist in Anbetracht der Preisentwicklung der letzten Monate und Wochen wirklich nicht dazu angetan, ohne Lohnkompensationen eine Mietpreiserhöhung einfach aufzufangen. Dazu reicht das Einkommen der breiten Bevölkerungsschichten jetzt nicht aus. Wenn Sie infolgedessen jetzt an die Mietpreiserhöhung denken, dann bedeutet das, daß Sie damit zwangsläufig eine neue Welle der Lohnerhöhungen auslösen. Dann bedeutet das, daß wir noch weiter in den Abgrund hineinkommen, dem zu entgehen wir uns alle doch bemühen müssen.
— Die Mietpreiserhöhung ist schon im Gange, höre ich.
— Die Lohnerhöhungswelle, die bisher im Gange ist, ist durch die allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten in den letzten zwei Jahren verschuldet worden. Das ist aber keine Lohnerhöhungswelle, die durch die noch zu erwartende Mietpreissteigerung ausgelöst worden ist.
Darüber wird man zu gegebener Zeit noch ein Wort zu reden haben.
Die Vorschläge zur Mietpreiserhöhung gehen sehr stark auseinander. Die merkwürdigerweise radikalsten und für die breiten Massen der Bevölkerung unsozialsten Vorschläge hat der Niederbreisiger Arbeitskreis der Koalitionsparteien entwickelt. Er sieht eine dreißigprozentige Mietpreiserhöhung für die Uraltbauten vor.
— Das Dokument ist doch in unserer Hand, meine Herren.
— Nein, die 200/o, Herr Kollege Lücke, stammen wieder aus dem Gutachten des Wohnungswirtschaftlichen Beirats.
15 % sind für den Altbesitz, den Sie so nennen — das ist der mittlere und neueste Neuhausbesitz —, vorgesehen, weiter eine Erhöhung auf 1,50 DM als Richtsatz für die Mieten des sozialen Wohnungsbaus. Demgegenüber rechnen die Sachverständigen der Bundesregierung selber nur mit einer Mietkorrektur ausschließlich für die Altbauten in Höhe von 5 bis 10 %. Ich will Ihnen diese verschiedenen Projekte nur einmal vortragen, damit Sie sich darüber im klaren sind, welch weitschichtiges Problem damit angerührt wird.
Ich will Ihnen gleichfalls sagen, daß wir es als außerordentlich befremdend empfunden haben, daß in einer Zeit, in der allen Ernstes Vorschläge gemacht worden sind, die Bundes- und Ländermittel für den sozialen Wohnungsbau um eine Milliarde DM zu verringern, andererseits eine Rechnung aufgemacht wird, die per Saldo den öffentlichen Körperschaften die Finanzierung eines Sicherheitsbeitrages in Höhe von 4,8 bis 5 Milliarden DM gestattet. Der Wohnungsbau ist eine Aufwendung für unsere Sicherheit, und zwar wahrscheinlich die beste Aufwendung, die wir für unsere innere und äußere Sicherheit machen können.
Die Beseitigung der sozialen Krisenherde, das Herausholen der Heimatvertriebenen aus den Lagern, in denen sie noch wohnen, machen unser Volk unempfänglich gegen irgendwelche östlichen Sirenenklänge. Infolgedessen ist das eine sehr wichtige Investition, die für meinen Geschmack für unsere politische Zukunft wichtiger ist als die Ausrüstung von ein paar Panzerdivisionen.
Ich möchte mich noch kurz zu einem Vorschlag äußern, der augenblicklich ebenfalls die Runde macht und den der Herr Bundeswohnungsbauminister selber mit propagiert hat. Das ist der Bau von Schlichtwohnungen. Es ist ein schlichtes Wort für ein schlechtes Programm. Wir werden uns mit diesem Programm nicht abfinden können. Selbstverständlich kann man sich darüber unterhalten, wie man mit den vorhandenen Mitteln ein Maximum an anständigen Wohnungen herstellt und wie man es erreicht, daß irgendwelcher überflüssige Luxus auch auf dem Gebiete des Wohnungsbaus in der jetzigen Notzeit unterbunden wird. Es gibt jedoch bestimmte Mindestforderungen, von denen wir nicht abweichen können. Warum? Eine schlechte Wohnung ist eine teure Wohnung, weil wir in sehr kurzer Zeit gezwungen sein werden, eine bessere an ihre Stelle zu setzen. Damit schaffen wir Elendsquartiere. In einer schlimmen Notzeit, in den Jahren 1918 und 1919, ist das preußische Wohnungsgesetz entstanden. Darin stand eine ganze Reihe technischer Dinge. Diese haben von damals ab für alle Zeiten bis heute in Preußen das Mietskasernenunwesen mit den Hinterhöfen verschwinden lassen. Darin stand z. B., daß jede Wohnung mindestens von zwei Seiten her Zugang zum Außenlicht haben muß, und ähnliche Dinge. Darin wurden die Toiletten auf dem Flur unten und ähnliches beseitigt. Alle diese Dinge werden wir im Auge behalten müssen. Wir wollen keine Luxuswohnungen bauen. Aber das, was wir bauen, muß dauerhaft sein und muß imstande sein, unseren Familien nicht nur für heute, sondern auch für morgen und übermorgen und für lange Jahre eine Heimstatt zu bieten.
Ich glaube, so sollten wir an dieses Problem herangehen. Dann wird uns manches sehr verdächtig vorkommen, was heute als Schlichtwohnung propagiert wird, weil es eben keine Dauerlösung, sondern ein Provisorium ist. Leider Gottes ist mitunter — ich hoffe, daß es nicht für den Bundessitz gilt — nichts beständiger als das Provisorium. Deshalb wollen wir doch lieber alle gemeinsam gegen die schlechten Provisorien und, gerade auf dem Gebiete des Wohnungsbaus, für das gute Beständige kämpfen.