Rede von
Josef
Arndgen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soweit aber die Fragen, die uns hier im Bundestag interessieren, in Ihrer Interpellation angeschnitten und soweit sie auch in unserem Antrag angesprochen sind, bin ich — und ich glaube auch Sie mit mir — der Meinung, daß ernste Überlegungen erst dann angestellt werden konnen, wenn man ein Fundament hat. Sie — besonders diejenigen Freunde aus Ihrer Fraktion, die dem Soziaipolitischen Ausschuß angehoren — wissen genau so gut wie ich, daß zunachst einmal eine versicherungsmathematische Bilanz gezogen werden mußte, um eine Grundlage zu bekommen, von der aus man die Dinge so gestalten kann, wie es notwendig ist. Man kann auch in der Sozialversicherung nicht im luftleeren Raum taktieren.
Wenn uns nun — wenigstens den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses — vor kurzem die Bundesregierung diese versicherungsmathematische Bilanz vorlegen konnte, dann darf man hinzufügen, daß das ein Ergebnis einer Arbeit gewesen ist, die nicht in fünf Monaten zu erledigen ist.
Da wir nun diese Unterlagen in der Hand haben, konnten wir an Hand derselben dem Hohen Haus einen Antrag unterbreiten, der substantiiert ist, mit dem man was anfangen kann,
der nicht aus propagandistischen Gründen hier in das Plenum hineingeworfen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was will unser Antrag? — Durch den § 23 des Militärregierungsgesetzes zur Neuordnung des Geldwesens war die Rentenversicherung verpflichtet, die Renten 1 zu 1 umzustellen, obwohl ihr durch das gleiche Gesetz die Deckungsgrundlagen weggenommen wurden. Durch diese Geldumstellung ist die Rentenversicherung nicht in der Lage, auf die Dauer auch nur die Renten zu zahlen, die nach dem jetzigen Recht gewährt werden müssen. Tatsächlich ist der Zustand so, daß die durch die Beitragsleistung für die kommenden Anwartschaften ein-
kommenden Mittel benutzt werden, um Rentenansprüche zu befriedigen, die in den hinter uns liegenden Jahren erworben wurden. Ein solcher Zustand ist auf die Dauer nicht haltbar. Es muß dafür gesorgt werden, daß in irgendeiner Form die Deckungsvermögen, die die Rentenversicherungen aufgespeichert hatten, die etwa 12 Milliarden Mark ausmachten, wenigstens in ihrem Zinsendienst wieder zum Aufleben gebracht werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann können wir, obwohl die Invalidenversicherung in den letzten vier Monaten noch mit einem Überschuß von 124 Millionen Mark und die Angestelltenversicherung von etwa 40 Millionen Mark rechnen konnten, den Zeitpunkt genau ausrechnen, in dem die Rentenversicherung nicht mehr leistungsfähig ist. Es muß daher nach Mitteln und Wegen gesucht werden, um wenigstens den Zinsendienst für die verlorenen Vermögen wieder flüssig zu machen.
Zu dem Antrag auf Erhöhung der Renten brauche ich kein Wort zu sagen. Ich kann mich zum Teil dem anschließen, was Frau Korspeter und Frau Kalinke hier ausgeführt haben. Wir sind aber mit konkreten Vorschlägen gekommen, ohne demagogisch zu werden, Frau Korspeter!
Weiter sind wir der Auffassung, daß die Rentenleistung künftig wieder stärker an die Beitragsleistung gebunden werden muß. Durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz sind die Rentenerhöhungen für alle Stufen und Klassen pauschal durchgeführt worden, wodurch die Rentenhöhe nicht mehr bis ins letzte der Ausdruck der Beitragsleistung ist. Um den Versicherungscharakter der Rentenversicherung aufrechtzuerhalten und um die Verantwortung, für sich selbst — auch für die alten Tage — zu sorgen, in jedem zu wecken, müssen nach unserer Auffassung die Renten in ihrer Höhe stärker an die tatsächliche Beitragsleistung gebunden werden.
Weiter verfolgt unser Antrag den Zweck, die Härten zu beseitigen, die mit dem § 1274 der Reichsversicherungsordnung verbunden sind. Es ist Ihnen bekannt, daß, wenn eine Rente aus der Unfallversicherung und eine Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung zusammenfallen, die Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung zur Hälfte ruhen muß. Hier ist eine Härte und auch eine Ungerechtigkeit zu verzeichnen, weil eben für diese Rentenversicherung Beiträge geleistet wurden. Wir sind der Meinung, daß diese Härte und diese Ungerechtigkeit beseitigt werden muß.
Meine verehrten Damen und Herren, es ist vorhin von Frau Korspeter darauf verwiesen worden, daß die Durchführung der Vorschläge unseres Antrages etwa eine Milliarde Mark kosten würde. Das kann schon sein. Denn wenn ich von einem Vermögen von etwa 12 Milliarden Mark die Zinsen rechne, so sind das bei 31/2% Zinsen rund 400 Millionen Mark. Wenn man berücksichtigt, daß die augenblicklichen Leistungen der Invalidenversicherung jährlich rund 2,2 Milliarden Mark, die der Angestelltenversicherung rund 900 Millionen Mark, die der Knappschaftsversicherung rund 600 Millionen Mark und die der Unfallversicherung rund 500 Millionen Mark betragen, und hierzu im Durchschnitt 25 % nimmt, ergibt das einen weiteren Betrag von etwa 700 bis 800 Millionen Mark. Der gesamte Antrag hätte also ungefähr 1 Milliarde
Mark mehr an Aufwendungen finanzieller Art für die Rentenversicherung zur Folge.
Darüber werden wir reden! Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, keinen Antrag in die Luft hinein gestellt. Wir haben auch Dekkungsvorschläge gemacht. Beispielsweise haben wir an eine Giralsteuer gedacht. Bei dieser Steuer muß alles ernsthaft erwogen werden, damit sie nicht eine allzu große Belastung mit sich bringt. Wir zahlen eine Umsatzsteuer für den Warenumsatz. Warum soll nicht auch in irgendeiner Form eine Steuer für den Geldumsatz über die Girokonten gezahlt werden, die nicht auf die Konteninhaber abgewälzt werden kann? Wenn es darum geht, nicht" nur diese Leistungen, sondern auch die Steuern für die Aufbringung dieser Leistungen zu beschließen, dann wird sich zeigen, wer verantwortungsbewußt für die Ärmsten der Armen — wie Frau Korspeter sagte — ist oder nicht. Dann wird auch die SPD-Fraktion zeigen müssen, ob sie neben großen Reden, die sie hier hält,
sich auch dann für die Ärmsten der Armen verantwortlich fühlt, wenn es gilt, die notwendigen Steuern zu beschließen.