Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns hier um die Findung der richtigen Formulierungen bemühen, so sollten wir das — das tun wir wahrscheinlich auch alle -- im Bewußtsein unserer Verantwortung vor dem Ganzen tun. Ich finde, daß es diesen Eindruck sehr erheblich stört, wenn das allzusehr vom Standpunkt einer einzelnen Gruppe aus gesehen wird.
So habe ich mich beschwert gefühlt, als mir soeben auf dem Wege zum Hammelsprung jemand sagte: ,.Mit dieser Abstimmung beweist die SPD wieder einmal, daß sie gegen die Landwirtschaft ist." Ob der Betreffende, der durch diese Tür hin- eingegangen ist, der Landwirtschaft besser dient, wird noch zu untersuchen sein. Ich halte es aber für genau so peinlich und unzweckmäßig, wenn hier einem anderen Abgeordneten gesagt wird: „Ihre Wähler werden Ihnen das schon heimzahlen." Ich könnte mich auch hier hinstellen und fragen, ob es im Interesse .des Berufsstandes ist, wenn der Herr Kollege Mensing uns durch eine so anschauliche Schilderung des Wurstmachens den Appetit auf Wurst noch mehr verdirbt, als er bei vielen Leuten schon verdorben ist.
Es wird ja gelegentlich — sicherlich nur im Scherz — gesagt, daß die Metzgermeister keine Wurst essen, weil sie wissen, wie sie gemacht wird.
Ich stelle anheim, daß man mir das als die Diffamierung eines ganzen Berufsstandes auslegt und sämtliche Metzgermeister auffordert, nun also auch die Sozialdemokraten einmal zu rasieren, wie es hier soeben schon Ihnen angeboten worden ist.
Ich komme nun zu dem Abänderungsantrag. Ich glaube nicht, daß man so etwas in das Gesetz hineinnehmen kann, schon weil die Handhabung einer solchen Vorschrift einfach unmöglich ist. Einer meiner Kollegen, der sicherlich nicht für sich in Anspruch nimmt, in Fragen der Agrarwirtschaft besonders auf dem laufenden zu sein, hat bloß so hingegriffen und gesagt: Ja, was macht nun aber eine Frau, deren Mann unglücklicherweise gestorben ist, deren ganze Familie sozusagen ausgestorben ist, mit dem Fleisch, das sie da eingeschlachtet hat; darf sie das nicht verkaufen, wenn sie es dem ursprünglich gedachten Zweck nicht mehr zuführen kann? Es ist j a eine gute und von vielen Leuten gern geübte Sitte, sich bei einem Bauern einen Schinken aus dem Rauch zu kaufen, weil er ihnen besser schmeckt als maschinell geräucherter Schinken. Wollen Sie das alles unter allen Umständen verbieten? Ich kann mich an einen Fall erinnern, in dem die Bauern — es war in Niedersachsen — sich wegen des Mißverhältnisses zwischen den Preisen, die sie erhielten, und den Preisen, die die Verbraucher anlegen mußten, so übervorteilt fühlten, daß sie sich in größerem Stil dazu entschlossen haben, die Verarbeitung ihrer Tiere zwecks Abgabe an den Letztverbraucher selber in die Hand zu nehmen. Wenn sich alle Beteiligten richtig verhalten, kann daraus eine ernsthafte Gefahr nicht abgeleitet werden. Eine Gefahr für die Volksgesundheit, glaube ich, gilt es auch hier nicht abzuwenden.
Aus den verschiedensten Gründen, vor allen Dingen aber aus der Überzeugung, daß eine solche Vorschrift keinesfalls durchzusetzen ist, und da sie auch vielleicht ein bißchen zu sehr von einem Gruppeninteresse ausgeht und manche anderen Gruppeninteressen zu sehr benachteiligt, werden meine Freunde und ich gegen diesen vorgeschlagenen neuen § 22 a stimmen.