Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine der vordringlichsten Aufgaben einer verantwortungsbewußten Staatsführung ist die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung mit dem Bestreben, Spekulationsgeschäfte und ständig schwankende Preise auf diesem Sektor weitgehend zu vermeiden. Diesen Zielen dienen die vier Agrargesetze, von denen das Vieh- und Fleischgesetz neben dem Milch- und Fettgesetz an erster Stelle steht. Die Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe mit dem vorherrschend klein- und mittelbäuerlichen Besitz verlangt geradezu eine Veredelungswirtschaft, da sie am ehesten die Möglichkeit schafft, auf kleinster Fläche viel zu erzeugen und viele Menschen zu beschäftigen.
Vernachlässigt man diesen sehr wichtigen Zweig der Wirtschaft, dann nimmt man damit diesen klein- und mittelbäuerlichen Betrieben ihre Existenzgrundlagen, bringt gleichzeitig aber auch die Versorgung in eine Abhängigkeit und eine Unsicherheit, die volkswirtschaftlich einfach nicht zu vertreten ist.
Erfreulicherweise hat sich der Viehbestand nach der Dezemberzählung des vorigen Jahres außerordentlich verbessert. Es konnte allein der Schweinebestand um 22°/o gegenüber dem Vorjahr und der Rindviehbestand um 2,2°/o erhöht werden. Allein diese Tatsache hat dazu geführt, daß die Fleischversorgung des deutschen Volkes im letzten Jahr ganz wesentlich verbessert werden konnte. Es kann damit gerechnet werden, daß im Laufe des jetzt angelaufenen Wirtschaftsjahres der Anfall an Inlandfleisch von Kälbern, Rindern, Schweinen und Pferden etwa 1,5 Millionen Tonnen — einschließlich der Hausschlachtungen — beträgt. Wenn man die Hausschlachtungen abzieht, stehen immerhin noch 1,15 Millionen Tonnen für die Versorgung zur Verfügung. Damit verbleibt ein Importbedarf von etwa 200- bis 220 000 Tonnen, immerhin ein außerordentlich erfreuliches Ergebnis.
Wenn man dann vom finanziellen Standpunkt aus die Lage betrachtet, kommt man zu der Feststellung, daß die Erträgnisse der Viehwirtschaft unserer landwirtschaftlichen Betriebe des westlichen Deutschland mit 3,1 Milliarden DM Verkaufswert etwa 45% aller Einnahmen ausmachen oder umgerechnet 30%aller landwirtschaftlichen Einnahmen. Wird dieser Betriebszweig durch eine falsche Einfuhr- und Preispolitik geschädigt, dann
wird damit nicht nur der Landwirtschaft eine sehr I wichtige Einnahmequelle genommen, sondern gleichzeitig werden infolge des alsdann zwangsmäßig eintretenden Erzeugungsrückganges Schwierigkeiten in der Versorgung mit Fleisch eintreten. Andererseits, meine Damen und Herren, ist es ganz selbstverständlich, daß Vorkehrungen getroffen werden müssen, daß dem Verbraucher jederzeit genügend Fleisch zu tragbaren Preisen und in bester Qualität zur Verfügung gestellt werden kann.
Das waren die Gedankengänge, von denen wir uns bei Beratung dieses Gesetzes im Ernährungsausschuß jederzeit haben leiten lassen. Eigenerzeugung und Einfuhr müssen so aufeinander abgestimmt werden, daß die Erzeugung nicht gefährdet wird, andererseits müssen aber auch die Preise für den Verbraucher in tragbaren Grenzen gehalten werden. Dieses Ziel kann ohne eine Einfuhr- und Vorratsstelle nicht erreicht werden. Eine Vorratsstelle allein ohne Schleusen und Abstimmen der Einfuhr wäre geradezu sinnlos.
Wenn nun der Wirtschaftspolitische Ausschuß bei Beratung des § 16 den Vorschlag gemacht und heute auch den Antrag eingebracht hat, die Einfuhr nur zeitlich zu begrenzen, ohne mengenmäßige Einschränkung, so ist dazu zu sagen, daß eine solche halbe Maßnahme nicht zum Ziele führen kann. Jede Einfuhr von Übermengen muß sehr schnell entweder zu einer starken Belastung der Vorratsstelle führen und diese funktionsunfähig machen, da sie einfach — das wissen wir aus der Erfahrung der letzten Monate — nicht die Mittel hat und auch die Lagerräume nicht vorhanden sein werden, oder aber die Belastung des Marktes wird so groß, daß erhebliche Preiseinbußen zwangsläufig eintreten und damit die Eigenerzeugung rückläufig sein wird, was gleichzeitig natürlich auch die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch außerordentlich gefährden kann. Hier kann nur ein Vollembargo, wie wir es auch bei den anderen drei Agrargesetzen vorgesehen haben, zum Ziele führen. Eine Vorratsstelle kann überhaupt nur dann einen Marktausgleich herbeiführen, wenn das Auslandsangebot aufgefangen wird, bevor es auf den Markt drückt. Auch wird jede preisregelnde Wirkung der Einfuhr- und Vorratsstelle zum Schutze der Verbraucher und Erzeuger illusorisch, wenn nicht die Möglichkeit gegeben ist, entweder jeweils mehr Fleisch auf den Markt zu werfen, wenn die Preise ungesund hoch sind, oder umgekehrt bei gefährlichen Preiseinbrüchen überflüssige Mengen in die Vorratsstelle zu bringen. Diese Einfuhr- und Vorratsstelle muß daher mit dem Recht ausgestattet sein, ein Vollembargo zu verhängen und gleichzeitig als öffentlich-rechtliche Körperschaft bei weitestgehender Beteiligung der berufsständischen Organisationen aufgezogen werden.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß der Gesetzentwurf in der nach den Beschlüssen des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorliegenden Fassung angenommen werden sollte. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.