Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Als letztes der von der Regierung vorgelegten Marktordnungsgesetze kommt das Vieh- und Fleischgesetz heute zur Beratung. Es wurde in den letzten Wochen und Monaten von dem Getreidegesetz, dem Milch- und Fettgesetz und dem Zuckergesetz überrundet. Für diese drei Gesetze wurde eine größere Dringlichkeit angenommen als für das Vieh- und Fleischgesetz. Sonst hätte. es dem Hohen Hause schon eher vorgelegt werden können.
In seinen Grundzügen unterscheidet sich das Vieh- und Fleischgesetz von den anderen Gesetzen dadurch, daß es in seinem zweiten Teil, der als Kernstück des Gesetzes zu betrachten ist, bewährte Vorschriften aus der Vergangenheit zusammengefaßt und übernommen hat, die bereits in den zwanziger Jahren in ähnlicher Form bestanden haben. Es handelt sich dabei um die Vorschriften über den ordnungsmäßigen Ablauf der Groß- und Schlachtviehmärkte. Darunter fällt die Festlegung und Regelung von Marktzeiten, Markttagen, Anlieferungszeiten für das Vieh und Bestimmungen über Preisnotierung und Lebendviehhandel. Der Ernährungsausschuß hat sich entgegen der Regierungsvorlage der Anregung des Bundesrats angeschlossen und es nicht für zweckmäßig gehalten, die Großviehmärkte namentlich aufzuführen, sondern diese Festlegung dem Bundesernährungsministerium im Einvernehmen mit den obersten Landesbehörden für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überlassen. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, den Abtrieb von Schlachtvieh von den Märkten erst dann zu gestatten, wenn der Käufer das gekaufte Vieh bezahlt oder zumindest für eine Sicherstellung des Kaufpreises gesorgt hat. Hier ist der Ernährungsausschuß der Regierungsvorlage gefolgt und hat sich damit begnügt, in § 10 Abs. 1 zu bestimmen, daß der Kaufpreis grundsätzlich an dem Tage, an dem das Vieh gekauft worden ist, bezahlt werden muß. Der Ausschuß ist davon ausgegangen, daß eine möglichste Sicherheit im Zahlungsverkehr auf den Märkten zwar eine wesentliche Vorbedingung für eine stabile und gleichmäßige Anlieferung ist, konnte sich jedoch dem nicht verschließen, daß im Falle eines Überangebots mit der Forderung nach Sofortzahlung die Räumung der Märkte unter Umständen gefährdet werden könnte. Die Sicherheit für den Vieheinsender wird vielmehr dadurch besser gewährleistet, daß die obersten Landesbehörden Vorschriften über die Sicherheitsleistung von Viehagenten erlassen können, die an den Märkten tätig sind. Dies gibt die Möglichkeit, nur kreditwürdige Agenturbetriebe, die treuhänderisch für den Vieheinsender arbeiten, als Agenten zuzulassen.
Eine objektive Preisfeststellung auf den Märkten ist eine von allen Teilen anerkannte Notwendigkeit, damit eine wirkliche Orientierung über die Marktverhältnisse des gesamten Bundesgebietes in vergleichbarer Weise möglich ist. Das System der Marktschlußscheine, die Einsetzung von besonderen Notierungskommissionen tragen dieser Notwendigkeit Rechnung. Die Vergleichbarkeit wird durch die Beibehaltung von Schlachtwertklassen, die in dem neuen Gesetz als Handelsklassen bezeichnet sind, gesichert. Im Gegensatz zu den früheren Klassifizierungsmethoden wird die Handelsklasse nach außen hin nicht bekanntgegeben. Die Tiere werden auch nicht mit der Handelsklasse gekennzeichnet, so daß ein freies Aushandeln des Preises unabhängig von der Handelsklasseneinreihung stattfinden kann. Die Einreihung in die Handelsklasse dient vielmehr lediglich für die Feststellung des Preises als Unterlage. Aus der amtlichen Notierung können sich dann der Bauer, der Händler, der Verarbeitungsbetrieb ein zuverlässiges Bild machen, ob im Einzelfall z. B. die leichteren oder schweren Schweine, Großvieh oder fette Kühe besonders gefragt sind.
Das zweite Kernstück des Vieh- und Fleischgesetzes sind die Bestimmungen über die Einfuhr- und Vorratsstelle. Der Ernährungsausschuß hat sich in seiner Beschlußfassung im Juli vorigen Jahres streng an die auch für das Getreidegesetz und das Milch- und Fettgesetz getroffene Regelung gehalten; er ist damit zum Teil sogar über die Vorschläge des Bundesrats hinausgegangen. Im Wirtschaftspolitischen Ausschuß, dem das Gesetz ebenfalls zur Beratung überlassen worden ist, wurde in mehreren Sitzungen, zum Teil unter Heranziehung von Sachverständigen aus der Wissenschaft und der Praxis, die Frage untersucht, ob hier eine Einfuhrstelle überhaupt noch erforderlich ist. Die Frage ist vom Wirtschaftspolitischen Ausschuß bejaht worden. In seiner Sitzung vom 24. Januar 1951 hat dieser Ausschuß eine Formulierung gefunden, nach der sämtliche Importe von Schlachtvieh,
Fleisch und Fleischerzeugnissen der Einfuhr- und Vorratsstelle anzubieten sind. Diese ist zur Übernahme der Ware berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Darüber aber, ob nun die Einfuhr- und Vorratsstelle, falls sie die Ware nicht übernimmt, dem Importeur die Einfuhr untersagen kann oder ob sie dazu nicht berechtigt sein soll, d. h. ob der Einfuhr- und Vorratsstelle das Recht des Embargos zustehen soll, ist zwischen dem Ernährungsausschuß und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß eine volle Einigung nicht erzielt worden. Der Ernährungsausschuß bleibt bei seinem Beschluß vom Juli 1950, daß die Einfuhrstelle — genau so wie bei dem Getreidegesetz und dem Milch- und Fettgesetz — das Recht des Embargos unbegrenzt haben muß, während der Wirtschaftspolitische Ausschuß der Einfuhr- und Vorratsstelle ein solches Embargo nicht einräumt, sondern ihr lediglich die Möglichkeit gibt, Auflagen bezüglich des Zeitpunktes der Einfuhr zu erteilen.
Die vom Ernährungsausschuß gewünschte Fassung ist in der Ihnen vorliegenden Drucksache in § 16 niedergelegt. Mit dieser Fassung ist der Ausschuß für Wirtschaftspolitik nicht einverstanden. Im Ausschuß für Wirtschaftspolitik wurde in der 62. Sitzung die Fassung des § 16 erneut mit dem Ergebnis zur Debatte gestellt, daß der Ausschuß an seinem Beschluß vom 24. Januar 1951 festhält. Ich bringe daher die abweichende Auffassung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik dem Hohen Hause zur Kenntnis.
Die weiteren Vorschriften des Vieh- und Fleischgesetzes, soweit sie sich mit der Auskunftspflicht, unbedingt notwendigen Meldungen, den Vorschriften über Geheimhaltungspflicht und Verschwiegenheitspflicht befassen, entsprechen den übrigen Marktordnungsgesetzen fast wörtlich. Ich darf mir ein näheres Eingehen hierauf und auf die Strafvorschriften daher aus Zeitgründen ersparen.
Das Vieh- und Fleischgesetz sieht im vierten Abschnitt noch die Möglichkeit zur Bildung von Marktverbänden vor. Hier ist der Mitarbeit der beteiligten Wirtschaftskreise im weitesten Sinne eine Chance gegeben, in Form von mehr oder weniger festeren Vereinigungen ohne jeden öffentlich-rechtlichen Charakter und ohne hoheitliche Befugnisse entscheidend bei den Aufgaben mitzuwirken, die sich auf Grund des Gesetzes ergeben. Ich erwähne dabei das wichtige Gebiet der Preisnotierungen, Einreihung in Handelsklassen, Marktberichterstattung und Marktbeobachtung. Die Form ist loser als im Zuckergesetz. Die Einzelheiten bitte ich aus der Vorlage, § 17 und § 18, zu entnehmen.
Ich habe versucht, Ihnen so objektiv wie möglich die Ergebnisse der Beratung der Ausschüsse zur Kenntnis zu bringen. Sie wissen, daß ich selbst zu einer der beteiligten Berufsgruppen gehöre, und ich glaube daher, Ihnen einen objektiven Bericht gegeben zu haben.
Ich werde im Laufe der Diskussion über dieses Gesetz noch in meiner Eigenschaft als Abgeordneter sprechen und auch noch einige Abänderungsanträge stellen.
Namens des Ernährungsausschusses bitte ich das Hohe Haus, das Vieh- und Fleischgesetz in der Ihnen in Drucksache Nr. 1892 vorgelegten Form anzunehmen.