Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns durch den Abgeordneten Mommer vorgelegte und begründete Antrag hat sehr viel ernstere Auswirkungen, als das aus der meines Erachtens etwas oberflächlichen Diskussion,
die bisher geführt worden ist, zu erkennen war. Der Herr Kollege Ritzel, dem ich ein besseres Urteil über die Arbeitsmethoden und die Arbeitsmöglichkeiten eines echten Parlaments zutraue, hat seine Abwehr gegenüber den, wie er sagt, ungerechtfertigten Angriffen in gewissen Zeitungen hauptsächlich mit dem Hinweis darauf begründet, daß uns die Arbeit in diesem Hohen Hause, besonders die Arbeit in den Ausschüssen, dazu zwingt, direkt zu Spezialisten zu werden. Er hat also eine sehr hohe Auffassung von der Arbeit, von den Fähigkeiten, die eigentlich von einem Abgeordneten verlangt werden müßten.
Wenn ich mir diesen Antrag näher ansehe, dann komme ich zu der Überzeugung, daß er aus einer vollkommenen Unterschätzung der Rolle der Abgeordneten, ihrer Qualifikation und der Funktion der Fraktionen, der Parteien in einem Parlament geboren ist. Herr Kollege Mommer sagt, das „Kernstück" müsse gestärkt werden, also der Bundestag. Er sagt, die Legislative sei zu kurz gekommen. — Ja, sicher ist die Legislative, also der Bundestag, zu kurz gekommen. Aber, Herr Mommer, die Ursachen dafür liegen doch in unserem Grundgesetz, diesem Grundgesetz, das mit der Einführung der Dreiteilung der Gewalten die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß die Herren Minister, vor allem wenn an ihrer Spitze ein traditionell so autokratischer Herr steht wie der Herr Bundeskanzler,
das Parlament überspielen.
Wenn man dem Bundestag das Recht, das er meiner Überzeugung nach haben müßte, hätte geben wollen, dann hätte man im Grundgesetz verankern müssen, daß Legislative und Exekutive in der Hand des Bundestages liegen. Dann hätte man die Herren Minister in die Rolle stellen müssen, die ihnen in einer wirklichen Demokratie zukommt, nämlich in die Rolle von Organen, die die Beschlüsse des Bundestages auszuführen haben,
von Organen, die nichts anderes zu tun haben, als unter Kontrolle des Parlaments das durchzuführen, was der Bundestag beschließt.
— Ja, wie es im Osten ist!
Aber darf ich darauf hinweisen, daß diese Dreiteilung der Gewalten im Parlamentarischen Rat auch von den Herren Fraktionskollegen des Herrn Mommer bejaht worden ist.
Nun sollen wir diesen Dokumentationsdienst schaffen. Mir kam, als ich zum ersten Male davon hörte, der Gedanke, man müßte in unseren Etats alle Positionen streichen, aus denen Reisen nach Amerika finanziert werden.
Das „Niveau" des Bundestages soll gehoben werden! Referenten von Niveau sollen die nach Herrn Mommers Ansicht fehlenden Abgeordneten mit Niveau ersetzen; sie sollen an deren Stelle treten! Dadurch soll das „Kernstück" in seinem Ansehen und in seiner Wirksamkeit gehoben werden! Wir sollen Vertrauen in die Objektivität des zu schaffenden Referentenstabes haben! — Komisch, alles, was aus Amerika kommt, hat irgendwie so einen militärischen Beigeschmack!
Da haben wir schon wieder einen Stab!
Sehr verehrter Herr Kollege Mommer, wenn in Amerika das Parlament mit einer derartigen Einrichtung arbeiten kann, dann hat das meiner Überzeugung nach seine Ursache darin, daß in Amerika zwei große Fraktionen, besser gesagt: Parteien an der Macht sind, zwischen denen keine grundlegenden Differenzen bestehen,
die beide ausgesprochen großkapitalistische Parteien sind. Wenn wir hier an Stelle der Fraktionen und ihrer Sachbearbeiter den Referentenstab mit dieser — verzeihen Sie — doch direkt eunuchenhaft anmutenden Persönlichkeit des unparteiischen Leiters haben — —