Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen meiner Fraktion bei den vielfachen Diskussionen um das Problem des Verbleibens der deutschen Kriegsgefangenen mehrfach hier ausgesprochen, daß wir der Auffassung sind, daß es der Sache der Kriegsgefangenen und der
Sache ihrer Angehörigen allein dienlich ist, wenn das Problem aus der Atmosphäre der Hetze
und des Hasses herausgehoben und auf die Ebene einer sachlichen, sauberen Diskussion mit dem Ziele der Klärung gebracht wird.
— Sie haben j a von uns eine Erklärung verlangt. Darf ich Ihnen die geben? Dann, bitte, unterbrechen Sie mich nicht.
Niemand kann bestreiten, daß die hier in der Öffentlichkeit genannten Zahlen ungeheuerlich differieren. In der Diskussion am 29. März vorigen Jahres wurde hier von über drei Millionen noch in sowjetischer Gefangenschaft befindlicher Deutscher gesprochen. Zu derselben Zeit hat der Vertreter der Regierung bekanntgegeben, das Ergebnis der damals durchgeführten staatlichen Suchaktion in ganz Westdeutschland habe ergeben, daß alles in allem genommen einschließlich der verurteilten Kriegsgefangenen 69 000 Kriegsgefangene noch als vermißt registriert worden sind. 69 000!
Wir haben im Dezember des vorhergehenden Jahres 1949 durch das zuständige Bundesministerium eine Aufstellung bekommen, aus der hervorgeht, daß die Regierungen der westdeutschen Länder die Zahl der noch fehlenden Kriegsgefangenen am 30. September 1949 auf 89 000 geschätzt haben.
Nun zu meiner Erklärung! Es ist hier von dem Herrn Minister — sicher ohne Rücksprache mit dem Herrn Mertens — behauptet worden, daß die Angaben, die mein Kollege Müller gemacht hat, nicht stimmten. Selbst ein Minister sollte mindestens daran denken, daß, wenn zwei Zeugen genannt werden, es sehr unratsam ist, die Aussagen dieser zwei Männer zu bestreiten, zumal wenn man vorher den Mann, auf den man sich berufen hat, gar nicht gesprochen hat. Aber derselbe Herr Mertens hat, als er im Dienst bei der Bundesregierung war, hier im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen am 15. März 1950 gesagt — ich zitiere das Protokoll —:
Er teilte weiter mit, daß nach Schätzung seines Ministeriums für dieses Gesetz
— das Gesetz zur Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten — noch 150 000 nicht zurückgekehrte Kriegsgefangene in Frage kommen, wovon 75 000 als verheiratet zu betrachten seien.
Das sind amtliche Zahlen!
Und nun ein Wort zur Sache.