Ich glaube, die Zahlen sprechen ihre eigene Sprache.
Die zurückgekehrten Herren sind nun auf Grund der kalten Dusche, die sie drüben bekommen haben, gezwungen, Maßnahmen einzuleiten, um diesen Zahlen wenigstens etwas Glaubwürdigkeit verleihen zu können. Herr Wehner gab in der Sitzung des Parteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei einen Bericht über die Verhandlungen in Lake Success, und mußte darin zugeben, daß das bisher benutzte deutsche Unterlagenmaterial für eine ordnungsgemäße Aufstellung nicht ausreicht. Er sah sich zu dem Eingeständnis, gezwungen: Wir brauchen eine gründlich überprüfte Liste aller noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen, zu der auch die Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle und anderes noch nicht ausgewertetes Material heranzuziehen sind.
Herr Wehner mußte also jetzt zugeben, daß das
von uns gegen die Hetze der Bonner Regierung
immer wieder geltend gemachte Argument richtig-
ist, wonach das gesamte Karteimaterial der Wehrmachtsauskunftsstelle, in dem sich die erforderlichen Unterlagen befinden, überhaupt noch nicht
ausgewertet ist. Es ist also richtig, wenn von uns
immer wieder darauf hingwiesen wurde, daß man
dieses Material nicht ausgewertet hat, um Hunderttausende deutscher Familien in Angst und Sorge
um ihre Angehörigen zu lassen, statt ihnen wahrheitsgemäß die in diesem Material in zahllosen
Fällen vorhandenen Todesnachrichten zuzuleiten.
Ich glaube, eine Beweisführung, die wahrscheinlich auch für Sie nicht verdächtig ist — über die Zahlen, die insbesondere von der sowjetischen Seite angegeben worden sind —, dürfte darin liegen, daß der Herr Pfarrer Merten in einer Besprechung am 16. Februar 1949, an der auch mein Fraktionskollege Walter Fisch teilgenommen hat, erklärte, die von der Sowjetunion angegebenen Zahlen seien nach seiner Auffassung absolut richtig. Auch seine weiteren Hinweise, insbesondere darauf, daß im Zuge der großen Schlachten, zumal seit dem Rückzug und seit Stalingrad, Hunderttausende umgekommen sind, sollten hier beachtet werden. Also das sind die Zahlen, mit denen man operiert.
Aber ich glaube, ich kann Ihnen einen Hinweis für Nachforschungen geben. Meine Damen und Herren! Besuchen Sie doch einmal die Massengräber der amerikanischen Kriegsgefangenenlager auf deutschem Boden, in Bad Kreuznach, in Bretzenheim, in Ingelheim, in Heidesheim und Fürstenfeldbruck! Ich nenne Ihnen nur einige wenige! Dort sind Tausende von Kreuzen, auf denen keine Namen vorhanden sind, das sind Vermißte, die in diesen amerikanischen Kriegsgefangenenlagern umgekommen sind. Da sind Tausende, die unter diese Vermißten -fallen. Herr Wehner hat heute sicher nicht freiwillig etwas im Zusammenhang mit der Frage der Kriegsgefangenen und damit auch der Vermißten eingestanden, als er erklärte: Wir brauchen auch Unterlagen dafür, wo die Kriegsgefangenen hingekommen sind, die von den Arnerikanern und Engländern nach anderen Staaten und Nationen überstellt worden sind.
Ja, meine Damen und Herren, fragen wir hier lieber einmal nach: Was ist mit den früheren Kriegsgefangenen in England, in Ägypten, in Frankreich, in Indonesien, in Belgien und Holland usw. geworden?
Tausende und aber Tausende, Hunderttausende, die dort eingesetzt worden sind! Wo bleiben die Unterlagen dafür? Was geschieht mit den Angehörigen jener Vermißten?
Ich glaube also, der Grund, der zu diesem Antrage geführt hat, liegt in der Tatsache, daß man dem Zahlenspiel nicht glaubt. Der Antrag, der von den Herren Dr. Gerstenmaier, Wehner usw. eingebracht' worden ist, bezweckt nichts anderes als den Versuch, solche Unterlagen zu beschaffen. Aber im Rahmen der allgemeinen Propaganda und des Druckes, der ausgeübt wird, werden solche Unterlagen nicht erarbeitet werden können, ganz abgesehen von der entscheidenden Tatsache, daß dann die Stellen,
die die unter Druck und zur Propaganda zusammengestellten Zahlen zur Auswertung bringen, das nur in der Linie tun werden, die Herr Dr. Adenauer und seine amerikanischen Hintermänner haben möchten,
nämlich zum Zwecke der Propaganda und Hetze zu einem neuen Krieg.