Rede von
Willy Max
Rademacher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir uns am 1. Dezember 1949 in diesem Hause mit dem gleichen Thema befaßten, konnte ich in den letzten Worten eine einheitliche Auffassung zu diesem Thema von rechts bis links feststellen. Wir konnten auch feststellen, daß die Debatte in einer einheitlichen, sachlichen und ruhigen Form geführt wurde, ohne etwa besondere Tendenzen in parteipolitischer, nationalistischer oder gar chauvinistischer Richtung durchklingen zu lassen. Es scheint mir unbedingt notwendig zu sein, diese sachliche Einstellung zu dieser wirklich deutschen Frage beizubehalten, wenn wir je hoffen wollen, einen Erfolg unserer Bemühungen zu erreichen.
Damals, am 1. Dezember, sind die gesamten sachlichen, völkerrechtlichen und auch die politischen Gründe zum Ausdruck gekommen, die heute von den einzelnen Vorrednern wiederholt wurden. Damals, im Dezember 1949, hatten wir gehofft, daß sich die Besatzungspolitik fünf Jahre nach Ende des Krieges in gewissen Dingen ändern würde, und dazu hatten wir auch die Bombardierung der Insel Helgoland gerechnet, die nicht nur im norddeutschen Raum, sondern bis in den Süden und Südwesten hinunter ihre Bedeutung hat.
Meine Damen und Herren, die englischen Strategen sind der Ansicht und haben das mehr als einmal gesagt, Helgoland sei ein ideales Ziel für Bomben. Mir scheint, das Bombardieren Helgolands ist gleichzeitig ein „ideales Ziel" zur Vernichtung der Entwicklung der Demokratie in Deutschland 0 und zur Vernichtung einer europäischen Verständigung.
So gesehen ist die immer noch andauernde Bombardierung von Helgoland, deren Ende noch nicht abzusehen ist, vielleicht ein Musterbeispiel dafür, wie eine Besatzungspolitik nicht sein sollte. Ich habe die feste Überzeugung, daß diese sogenannte strategische Erwägung nicht von der Mehrheit des englischen Kabinetts und schon gar nicht von der Mehrheit des englischen Volkes gebilligt wird, sondern daß hier die Entscheidungen von Generalen, Admiralen und Luftmarschällen maßgebend sind, die sich bekanntlich in der ganzen Welt den Teufel um politische Auswirkungen kümmern.
Es sei an dieser Stelle auch einmal folgendes gesagt. Angenommen, England hätte das Unglück gehabt, in diesem Krieg zu unterliegen. Was würde das englische Volk sagen, wenn man in der gleichen Weise die Isle of Wight mit dem Ziel bombardieren würde, diese Insel, mit der das Herz des englischen Volkes ebenso verwachsen ist wie das Herz des deutschen mit Helgoland, so zu vernichten, daß sie niemals wieder bewohnbar sein möge?
Meine Damen und Herren, vielleicht versteht man nun auch jenseits des Kanals — früher sprach man ja von unseren Vettern jenseits des Kanals — die psychologische Wirkung auf diejenigen Männer und Frauen in der deutschen Bundesrepublik, die gegenüber dem nationalsozialistischen System und überhaupt gegenüber jedem totalitären System eine klare und einwandfreie Haltung eingenommen haben und denen man es so unendlich schwer macht, in Deutschland für den Aufbau und für die Entwicklung der jungen Demokratie zu arbeiten. So mag man auch manche Rede, manche Äußerung eines Politikers verstehen, wenn er allmählich die Nerven verliert über gewissen Methoden, die manchmal nur Imponderabilien sind. Die helgoländische Angelegenheit aber kann man nicht als eine Imponderabilie bezeichnen. Zusammengenommen kann man manchmal zweifeln an dem guten Willen der anderen Seite, uns die Arbeit an der Entwicklung einer deutschen Demokratie zu erleichtern, eine Arbeit, die ohnehin nach dieser großen Katastrophe sehr schwer ist.
Und ein Letztes, meine Damen und Herren! Einmal wird auch die Geschichte dieser Tage geschrieben. Das englische Volk muß sich darüber klar sein, mit welcher Beurteilung der Methoden die Besatzungspolitik in die Geschichte eingehen soll. Ich bin davon überzeugt, daß das fortgesetzte Bombardieren Helgolands eines der schlechtesten Beispiele einer Besatzungspolitik ist und daß man damit in der Geschichte nicht bestehen kann.