Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Tage nach der kampflosen Besetzung der Insel Helgoland durch die Engländer mußte die deutsche Besatzung und mußten die letzten Reste der deutschen Zivilbevölkerung die
Insel verlassen. Erst im September 1946 durfte zum erstenmal unter der Führung des zuständigen Landrats, des Landrats von Pinneberg, eine deutsche Delegation die Insel besichtigen. Als diese Delegation von der Besichtigungsreise zurückkehrte, erklärte der britische Marinekommandant in Cuxhaven diesem deutschen Landrat, daß die Gemeinde Helgoland zu bestehen aufgehört habe, daß die Insel nunmehr der britischen Marine unterstehe und jetzt so zerstört werden würde, daß sie von der Erdoberfläche verschwinde. Seitdem ist ein ununterbrochener Bombenhagel auf die Insel niedergeprasselt. Fortgesetzt haben Sprengungen stattgefunden. Die größte, wie sie die Welt kaum gesehen hat, fand am 18. April 1947 statt. Aber allen diesen Sprengungen und allen diesen Bomben hat die Insel bis jetzt widerstanden. Zum erstenmal in der Geschichte, aber auch zum erstenmal in der Geschichte des Völkerrechts wird hier eine Insel, wird ein Stück Erde systematisch zerstört.
Diese systematische Zerstörung der Insel widerspricht dem Völkerrecht. Die Siegernationen haben es nach Einstellung der Feindseligkeiten als ihre Absicht erklärt, Deutschland zu entwaffnen. Damit hatten sie das Recht, die Befestigungsanlagen auf der Insel Helgoland zu beseitigen. Aber sie hatten nicht das Recht, die Insel selbst zu zerstören.
Die britische Marine hat erklärt, daß sie die Insel Helgoland zu militärischen Zwecken requiriere und als Bombenabwurfziel benutze. Meine Damen und Herren, die internationalen Völkerrechtslehrer sind sich darüber einig, daß das nur für unbewohnte Plätze
und für unbewohnte Flächen gilt.
Die Auffassung des britischen Marinekommandanten, daß es sich um eine unbewohnte Insel handelt, ist aber nicht richtig. Die Helgoländer Gemeinde besteht nach wie vor, und die Insel gilt infolgedessen als bewohnt. Die Erklärung des britischen Marinekommandanten ist nur ein einseitiger Akt, der vor dem Völkerrecht nicht zu Recht besteht. Meine Damen und Herren, hier handelt es sich um eine systematische Devastation einer Ortschaft auf fremdem Boden. Nach modernem Rechtsbewußtsein kann eine derartige Devastation nur zur Zeit des Krieges in Frage kommen und wenn eine militärische Notwendigkeit vorliegt. Wir befinden uns nicht mehr im Zustande des Krieges; wir haben die Feindseligkeiten eingestellt; es liegt keine militärische Notwendigkeit vor.
— Ich weiß nicht, warum man hier lachen kann.
— Meine Damen und Herren, trotzdem wird hier eine systematische Devastation der Insel vorgenommen.
Meine Damen und Herren, wie ist die Situation? Wir setzen uns im gegenwärtigen Augenblick für die Anerkennung und Durchsetzung der Menschenrechte ein. Aber nach modernem Rechtsbewußtsein ist das Recht auf die Wohnstätte, das Recht auf die angestammte Heimat ebenfalls ein Menschenrecht.
Ein englischer konservativer Abgeordneter hat kürzlich erklärt, man verstände die Aufregung der Deutschen um Helgoland nicht, denn Helgoland sei ja gar nicht deutsch, sondern Helgoland gehöre zu Dänemark. Meine Damen und Herren, es ist wahr, daß bis 1807 — ich glaube von 1714 an — die Insel zu Dänemark gehört hat.
— Das kommt noch! Aber nachdem im Jahre 1807 zwischen England und Dänemark ein Krieg ausbrach, hat England im Jahre 1807 die Insel annektiert und sie bis 1890 besessen und dann an Deutschland ausgetauscht.
Meine Damen und Herren, keinem Herrschervolk ist es gelungen, die Bevölkerung der Insel Helgoland aufzusaugen. Die Bevölkerung der Insel Helgoland ist friesischer Abstammung. Der Stamm der Friesen aber ist ein deutscher Stamm, und so sind die Helgoländer deutsch geblieben, und sie haben ihre friesische Stammesreinheit durch die Jahrhunderte erhalten.
— Meine Damen und Herren, die Sache ist zu ernsthaft, als daß ich auf Ihre Zurufe eingehe.
Noch zu einer anderen Sache lassen Sie mich Stellung nehmen. Kürzlich hat im deutschen Rundfunk ein französischer Professor in der Sendung „Freiheit des Geistes" zu der Frage Helgoland Stellung genommen, und ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, einige wenige Sätze aus seinen Ausführungen vorlesen zu dürfen. Er hat damals in diesem Rundfunkvortrag mit Bezug auf die jungen Leute, die sich neulich kurze Zeit auf der Insel Helgoland aufgehalten haben, erklärt, daß sich diese jungen Leute als Nazis gebärdet hätten, und sie hätten dennoch geglaubt, sie handelten liberal und sie trügen zum Aufbau eines demokratischen Europa bei. Und an einer anderen Stelle hat er gesagt, daß diese deutschen Jungen, diese deutschen Studenten einfach die Methoden der Kraftproben eines Wilhelm II. und eines Hitler wieder aufgenommen hätten, die darin bestünden, daß man das Recht verkennt und die Welt vor das Fait accompli stellt. Wenn sie Waffen gehabt hätten, dann hätten sie in Helgoland den Krieg entzündet.
— Meine Damen und Herren! Es ist sehr schwer, angesichts einer solchen Unterstellung sachlich zu bleiben. Ich will es trotzdem tun und will nur soviel sagen, daß eine derartige Feststellung vollkommen an den wahren Motiven, die diese jungen Studenten beseelt haben, vorbeigeht. Was haben denn diese jungen Studenten für ein Ziel gehabt? Sie haben das Ziel gehabt, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf das Problem Helgoland hinzulenken.
Ich glaube, daß ihnen dies gelungen ist. Hier handelt es sich um einen lauteren und reinen Willen. Das hat nichts mit Nazismus zu tun, und infolgedessen möchte ich mich im gegenwärtigen Augenblick — und mit mir auch meine politischen Freunde — zu diesen jungen Studenten bekennen, die damals nach Helgoland gegangen sind.
Meine Damen und Herren, ich bedaure es, daß ein französischer Professor geglaubt hat, sich in dieses Problem einmischen zu sollen. Ich bin der Auffassung, daß er die Lösung des Problems damit nicht erleichtert hat.
Meine Damen und Herren! Die Insel Helgoland ist im Bewußtsein und in der Liebe des deutschen
Volkes verankert. Infolgedessen erscheint den Deutschen nach Einstellung der Feindseligkeiten, nach der bedingungslosen Kapitulation, nachdem 5 1/2 Jahre nach Einstellung der Feindseligkeiten vergangen sind, die Devastierung und Zerstörung der Insel Helgoland als ein Unrecht. Alle Deutschen vereinigen sich daher in der Bitte, daß der Devastierung der Insel Helgoland Einhalt geboten wird und daß die Insel sobald wie möglich den Bewohnern wieder zurückgegeben wird. Wir werden infolgedessen für den Antrag des Zentrums stimmen.