Rede von
Dr.
Max
Solleder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Wir haben in einem anderen Zusammenhang schon wiederholt die ernste wirtschaftliche Lage Ostbayerns erörtert. Wir haben darauf hingewiesen, daß dieses arme Land exponiert ist wie kein anderes im Bundesgebiet, abgeschnitten im Norden und Osten durch die Sowjetzone und durch den Eisernen Vorhang, überbelastet mit Flüchtlingen bis zu 50 und 60 % der einheimischen Bevölkerung, mit einer Arbeitslosenziffer, die heute schon wieder auf 34 und 36 % der arbeitsfähigen Bevölkerung hinaufschnellt. Wir haben gehört, daß das alles ein Ausfluß der politischen Strukturveränderung ist, wie sie uns durch die Schaffung der zwangsweise aufgedrängten Grenzen des neuen Bundesgebietes aufgezwungen wurde.
Wir haben hingewiesen auf den Ernst der Lage und auf die Notwendigkeit, die Verelendung dieses Gebietes durch Maßnahmen unserer Regierung alsbald entsprechend zu korrigieren. Wir haben festgestellt, daß ein Bundestagsbeschluß vorliegt, wonach vor allem die Frachtferne korrigiert werden soll und. der Verlust der Absatzgebiete durch die Schaffung der politischen Grenzen dadurch wiedergutgemacht wird, daß die Frachtferne durch entsprechende Frachtermäßigungen ausgeglichen wird.
Geschehen ist bis heute so gut wie nichts. Jetzt haben wir in diesem armen Grenzland einen weiteren Umstand zu verzeichnen, nämlich daß die Spannungen zwischen Ost und West, diese handelspolitischen Meinungsverschiedenheiten sich auf dem Rücken dieses armen, total verelendeten Landes auswirken. Die Tschechenkohle ist das Grundelement der ostbayerischen Wirtschaft. Die Porzellanindustrie ist mit ihren Öfen und Kalorieneinstellungen ausschließlich auf die Tschechenkohle angewiesen. Sie haben heute gehört, daß sich bereits schwerwiegende Unglücksfälle ereignet haben, weil andere Kohle verwendet werden mußte und die Glasmasse, die Wanne, ausgebrannt ist und ein Betrieb stillgelegt werden mußte. Dadurch wurden sowohl Unglücksfälle wie Arbeitslosigkeit herbeigeführt.
Mir wird hier ein Brief des bayerischen PortlandZementwerkes Burglengenfeld vorgelegt, einer Schlüsselindustrie. Aus diesem Brief geht hervor, daß dieses Werk stillgelegt hat und damit gleichzeitig weitere Betriebe, die an diesem Zementwerk interessiert und ihm angeschlossen sind, ausgeschaltet werden.
Die außerordentliche Arbeitslosigkeit wird zwangsweise noch weiter durch diese politischen Verhältnisse verstärkt. Die Verelendung schreitet fort, das Land verarmt weiter und das deutsche Element wird zwangsläufig dem Radikalismus in die Hände getrieben.
Hier ist es die Pflicht der Regierung und der Ministerien, rasch zu helfen.
— Ich bedaure es außerordentlich, daß der verantwortliche Wirtschaftsminister heute hier nicht vertreten ist und auch keinen Vertreter hier hat.
— Also bitte, dann korrigiere ich mich insoweit. —Jedenfalls sind die Probleme so ernst, daß wir die Regierung mit Nachdruck darauf hinweisen müssen, daß hier unter allen Umständen gehandelt werden muß.
Ich erlaube mir daher, zu dem Antrag der Fraktion der Bayernpartei noch den Zusatzantrag zu stellen, sofort durch Verhandlungen mit der Tschechoslowakei die Lieferungen von tschechischer Kohle für die ostbayerischen Gebiete wieder zu sichern.