Rede von
Dr.
Walter
Zawadil
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle aus wurde wiederholt die wirtschaftliche und soziale Notlage des nord- und ostbayerischen Gebietes besprochen und vor allem auf die politischen Folgen hingewiesen, die aus der Vernachlässigung dieser Gebiete erwachsen. Was wirkt bei diesem heute zur Debatte stehenden Problem mit? Es sind zwei Komponenten, die zusammenwirken, erstens die Tatsache, daß auf Grund alliierter Eingriffe die Exportlieferungen und Exportverpflichtungen der Tschechoslowakei gegenüber nicht eingehalten wurden; darüber hinaus aber wirkt gleichzeitig eine zweite Komponente mit, und das ist die Tatsache, daß außer den Stahl- und Eisenlieferungen noch Einzelfabrikate, vor allem Chemikalien, nicht geliefert wurden, und zwar ohne Einfluß der Alliierten, sondern durch Verschulden unserer eigenen westdeutschen Wirtschaft.
Nachdem es sich um Zehntausende von Menschen handelt, die in Gefahr sind, arbeitslos zu werden, muß das offen ausgesprochen werden.
Die Verpflichtungen, die wir als -Ausgleich seitens der Bundesregierung versichert bekamen, sind nicht eingehalten worden. Es ist ein Rückstand zu verzeichnen an Industriekohle, Nuß I und II und Koks für Januar in Höhe von 6000 Tonnen und für Februar in Höhe von 8000 Tonnen. Das ist allein das Minus der Ausgleichslieferungen. Darüber hinaus können wir feststellen, daß nach dem Bericht der Regierung von Oberfranken mit dem 20. Januar ein Gesamtminus an Brennstoff in Höhe von 138 000 Tonnen angewachsen war.
Meine Damen und Herren! Die Auswirkungen dieser Kohlenknappheit sind heute schon festzustellen. Ich habe erst vor wenigen Stunden den letzten Bericht bekommen, wonach nicht nur, wie es gestern der Fall war die Firma Schaller in Schwarzenbach mit mehreren hundert Arbeitern den Betrieb einstellen mußte, sondern wonach vermutlich morgen und bis Ende dieser Woche auch die Textil-, Porzellan.- sowie Glasindustrien von Marktredtwitz und Wunsiedel stillgelegt werden müssen.
In Kronach sind bereits vorgestern Stillegungen erfolgt; außer den Glas-, Porzellan- und Textilfirmen sind auch noch die Tierkörper-Verwertungsanstalten in Gefahr. Die Folgen solcher Stillegungen lassen sich, meine Damen und Herren, leicht absehen, nicht allein hinsichtlich der Seuchengefahren, die daraus entstehen können.
Wir fordern daher, daß unbedingt jetzt vom Plenum aus Sofortmaßnahmen getroffen werden und daß die Angelegenheit nicht etwa einem Ausschuß überwiesen wird. Der Antrag stand schon vor drei Wochen auf der Tagesordnung, die Beratung ist aber leider Gottes verschoben worden. Unterdessen hat sich die Situation noch verschlechtert. Es darf in dieser Frage keinen Aufschub mehr geben, sondern es müssen Sofortmaßnahmen getroffen werden, nicht nur nach der Richtung, daß Ausgleichslieferungen geleistet werden.
Mit der Braunkohle allein, die von Westdeutschland geliefert wird, können die Betriebe nicht aufrechterhalten werden, da die Feuerungen nicht darauf eingestellt sind. Es müssen wie früher Sudetenkohlen aus der Tschechoslowakei eingeführt werden. Seit Jahrzehnten ist die Industrie Nord- und Ostbayerns auf diese Kohlen eingerichtet. Wir wissen — wie es vorgestern in Schwarzenbach der Fall war —, daß infolge der Verwendung ungeeigneter westdeutscher Kohle Vergiftungserscheinungen aufgetreten sind und Arbeiter bei den Brennöfen zusammengebrochen sind. In Weiden kam es zu einem ähnlichen Fall. Nur durch die Verwendung ungeeigneter Braunkohle aus Westdeutschland sind dort große Verluste an Schmelzglas eingetreten. Wir müssen also nicht nur darauf dringen, daß die Verpflichtungen zu Kohlenausgleichslieferungen aus Westdeutschland eingehalten werden, sondern wir müssen — um nämlich die Industrie davor zu bewahren, mangels Sudetenkohle überhaupt lahmgelegt zu werden — auch energisch fordern, daß die handelsvertraglichen Verpflichtungen unsererseits eingehalten werden und die notwendigen Kohlen aus der Tschechoslowakei weiterhin zur Einfuhr gelangen.