Rede von
Marta
Schanzenbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 1173 hat die Regierung dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt übersandt. Dieser Entwurf wurde im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sowie im Ausschuß für Jugendfürsorge abgeändert und liegt Ihnen nun heute zur Beschlußfassung vor. Ich darf die Begründung der Regierung zu dieser Gesetzesvorlage als bekannt voraussetzen und deshalb zu § 1, der die wesentlichste Abänderung beinhaltet, folgendes bemerken.
Der Herr Berichterstatter hat bereits ausgeführt, daß wir vor 1933 kein Reichsgesetz über Adoptionsvermittlung hatten. Die erste gesetzliche Regelung dieser jugendfürsorgerischen Tätigkeit ist durch das Reichsgesetz vom 19. April 1939 erfolgt. Danach oblag die Vermittlung dem Landesjugendamt und dem Jugendamt sowie der Reichsadoptionsstelle im Hauptamt für Volkswohlfahrt und ihren Dienststellen. Allen anderen Stellen, also auch den früher auf diesem Gebiet tätigen Wohlfahrtsverbänden, war auf Grund des eben erwähnten Gesetzes die Adoptionsvermittlung untersagt. Diese nationalsozialistischen Bestimmungen sind 1945 hinfällig geworden.
In der Zwischenzeit haben die Länder Württemberg-Baden und Rheinland-Pfalz entsprechende Gesetze erlassen, die jeweils in ihrem Art. 1 festlegen, daß die Vermittlung von Annahmen an Kindes Statt Aufgabe des Landesjugendamtes und des Jugendamtes ist, aber auch von den vom Landesjugendamt für geeignet erklärten Organisationen vorgenommen werden kann. Die Regierungsvorlage stimmt im Prinzip mit diesen Auffassungen überein.
Im Jugendfürsorgeausschuß des Bundestages wurde der Antrag eingebracht, die für die Vermittlung in Frage kommenden Verbände im Gesetz namentlich festzulegen. Mit der Mehrheit von einer Stimme wurde dieser Antrag angenommen, der dann im Rechtsausschuß formuliert wurde und Ihnen nun in der Fassung des § 1 vorliegt.
Die sozialdemokratische Fraktion kann sich dieser Abänderung aus folgenden Gründen nicht anschließen. Bei der Not und der Fürsorgebedürftigkeit unserer Jugend auf allen Gebieten sollten die Bestrebungen, die im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 verankert sind, nämlich daß das Jugendamt Mittelpunkt aller fürsorgerischen Bestrebungen sein soll und daß von da aus die freien Wohlfahrtsverbände zur Mitarbeit herangezogen werden sollen, nicht durchbrochen werden. Diese Art der Zusamenarbeit hat sich in der Praxis bewährt, zumal die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in dem Jugendamtsausschuß vertreten sind.
Da der Staat im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz jedem Kind programmatisch einen Anspruch auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit zusagt, muß er sich auch in allen Einzelheiten die Möglichkeit des Überblicks und des Eingreifens vorbehalten. Die Leistungen der freien Wohlfahrtspflege auf dem Gebiete der Jugendwohlfahrt sind groß und sollen keinesfalls unterschätzt werden. Aber es besteht auch keine Veranlassung, in diesem uns vorliegenden Gesetz drei Wohlfahrtsverbände namentlich zu erwähnen und noch besonders auf Fachverbände hinzuweisen, wenn schon in der Regierungsvorlage die Beteiligung der freien Vereinigung der Wohlfahrtspflege ganz klar ausgesprochen ist. Da die bisherige Praxis ein gutes Einvernehmen zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe zeigt, kann die Notwendigkeit einer Änderung der bisherigen Gepflogenheiten im Sinne der Fassung des Rechtsausschusses nicht vorliegen. Mir ist kein Gesetz in der Jugendfürsorge bekannt. in dem die Wohlfahrtsverbände teilweise namentlich genannt werden.
In den Diskussionen ist die Frage der Wiedergutmachung den Wohlfahrtsverbänden gegenüber erörtert worden. Ich meine, daß die Regierung in ihrer Vorlage diesem Gedanken Rechnung getragen hat.
Da wir im Jugendwohlfahrtsrecht keine Zersplitterung, sondern im Interesse unserer Jugend das Zusammenwirken aller in der Jugendwohlfahrt tätigen Kräfte im Jugendamt wollen. ist für die sozialdemokratische Fraktion die Fassung des § 1 in der Ausschußvorlage kaum annehmbar.
Die Abänderungen des § 3 stehen im Zusammenhang mit dem § 1. Die Fraktion der Sozialdemo-
kratischen Partei hat Ihnen auf Umdruck Nr. 76 den Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage in den §§ 1 bis 3 vorgelegt. Aus den von mir vorgetragenen Gründen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.