Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat sich in seiner 80. Sitzung am 27. Juli 1950 mit dem Entwurf des Gesetzes über die Annahme an Kindes Statt befaßt und den Entwurf nach erster Lesung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Jugendfürsorge überwiesen. Diese beiden Ausschüsse haben sich mehrfach mit dem Entwurf befaßt. Außerdem sind auf Veranlassung des Innenministeriums die Wohlfahrtsverbände und die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, in der auch die Jugendbehörden der Länder vertreten sind, gehört worden. Sie haben ihre Vorschläge über das Innenministerium den Ausschüssen übermittelt. Die Ausschüsse haben dann einen gemeinsamen Unterausschuß gebildet, der das Gesetz beraten hat und zu einer Fassung gekommen ist, die Ihnen nunmehr in der Drucksache Nr. 1848 vorliegt.
Das Gesetz ist ein weiterer Akt der Flurbereinigung, einmal insofern, als ein Gesetz, das zum Teil typisch nationalsozialistische Bestimmungen sowie eine bewußte Diskriminierung und Ausschaltung Andersdenkender enthält, nunmehr beseitigt und, von seinen Schlacken befreit werden soll, wobei gleichzeitig die Gleichheit vor dem Gesetz wiederhergestellt werden soll, zum andern insofern, als auf einem Teilgebiet des bürgerlichen Rechts für das Gebiet der Bundesrepublik an Stelle ver-
4462 Deutscher Bundestag — 117, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Februar 1951
schiedenartiger Länderregelungen oder teilweise Nichtregelungen wieder eine einheitliche Regelung geschaffen wird.
Bis zum Jahre 1939 bestand auf diesem Gebiet keine gesetzliche Regelung. Das Jugendwohlfahrtsgesetz, das sich mit der Betreuung der Jugend befaßte, hat lediglich bezüglich der sogenannten Pflegekindschaft Vorschriften aufgenommen, nach denen zur Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses die Zustimmung des Jugendamtes erforderlich gewesen ist und das Jugendamt während der Zeit, in der das Pflegekindschaftsverhältnis bestand, die Schutzaufsicht ausgeübt hat. Es zeigte sich aber, daß auf diesem Gebiete Mißstände auftraten, indem gewerbsmäßige Vermittler auftraten und es damit zu Zuständen kam, die das Eingreifen des Gesetzgebers dringend erforderten. So kam es zu dem Gesetz vom 19. April 1939 über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt, das aber gleichzeitig in echt nationalsozialistischer Weise auch noch etwas anderes mit bezweckte, nämlich die gesamten Verbände der freien Wohlfahrt von der Vermittlung der Annahme an Kindes Statt auszuschließen und diese den Landesjugendämtern, die damals aber auch unter nationalsozialistischer Leitung standen, und speziell auch der sogenannten Volkswohlfahrt zu übertragen, also eine Vermittlung anderer Verbände, die sich von jeher mit großem Erfolge auf diesem Gebiete betätigt hatten, auszuschließen. Es ist deshalb ein Gebot der Gerechtigkeit, daß diese Benachteiligung durch den Nationalsozialismus beseitigt und den Verbänden der freien Jugendhilfe und den Wohlfahrtsverbänden, die sich früher auf diesem Gebiet betätigt haben, ihre Betätigungsmöglichkeit auch gesetzlich wiedergegeben wird. Soweit es sich um spezielle nationalsozialistische Tatbestände handelte, sind diese ja wohl durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 beseitigt, und damit sind dem Gesetz von 1939 die Giftzähne ausgebrochen.
Aber das Gebiet ist dann nur in verschiedenen Ländern geregelt worden, so in Württemberg, in Rheinland-Pfalz und im Gebiet der britischen Zone. In weiteren Ländern bestanden keine Regelungen. Es wurde stillschweigend geduldet, daß die anderen Verbände sich wieder auf diesem Gebiete betätigten, obschon das eigentlich — insoweit bestand das Gesetz ja noch fort — verboten war.
Dem will nun der vorliegende Entwurf abhelfen, und insofern ist — das hat auch die Beratung der Ausschüsse ergeben — der Entwurf zu begrüßen und zu bejahen. Es ist eine notwendige Regelung, die vorgenommen worden ist.
Wenn Sie nun das Gesetz im einzelnen betrachten, so werden Sie finden, daß die Abänderungsvorschläge der Ausschüsse an sich nicht tiefgreifender Art sind. Es handelt sich meines Erachtens mehr oder weniger um redaktionelle Änderungen. Es sind zwar nunmehr die Verbände, die sich wieder mit der Vermittlung an Kindes Statt beschäftigen dürfen, ausdrücklich aufgeführt worden, was der Regierungsentwurf in seinem Text des Gesetzes nicht vorsah. Dafür hatte er das bereits in der Begründung eindeutig getan, wenn dort gesagt wird: Als solche Staatsorganisationen kommen nur die freien Vereinigungen der Wohlfahrtspflege, insbesondere die Landes- und Provinzialverbände der Inneren Mission, des Caritas-Verbandes und der Arbeiterwohlfahrt in Betracht.
Es war auch die Auffassung der Ausschüsse, daß sich diese Verbände in erster Linie auf diesem Gebiete betätigen sollten, und man vertrat demzufolge die Meinung, daß das, was gemeint sei, auch I im Gesetz klipp und klar gesagt werden könne. Deshalb der Abänderungsvorschlag zu § 1, wo gesagt wird, daß an Stelle der Worte:
Die Vermittlung ist auch denjenigen freien Vereinigungen der Wohlfahrtspflege gestattet, die im Verwaltungswege diese Ermächtigung erhalten haben,
nunmehr gesagt wird:
Die Vermittlung ist auch der Inneren Mission, dem Deutschen Caritas-Verband und der Arbeiterwohlfahrt gestattet.
Sie ist ferner gestattet den Fachverbänden, die im Verwaltungswege durch die zuständigen obersten Landesbehörden für geeignet erklärt werden.
Eine weitere Veränderung betrifft einen allerdings meines Erachtens wesentlicheren Punkt. Im Entwurf der Regierung ist im § 1 Abs. 2 gesagt:
Anderen ist die geschäftsmäßige sowie die gewerbsmäßige Vermittlung untersagt.
Gerade die vorhin erwähnten Wohlfahrtsverbände und die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge haben nun einen Vorschlag in dieser Hinsicht gemacht, der auf ihren speziellen Erfahrungen beruht und der meines Erachtens einen Fall faßt, der nach der Regierungsvorlage nicht erfaßt wurde. Wenn nämlich jetzt gesagt wird, daß verboten bleibt die gewerbsmäßige Vermittlung und auch die Vermittlung, die in einzelnen Fällen zur Erlangung eigener wirtschaftlicher Vorteile geschäftsmäßig betrieben wird, dann würde das meines Erachtens — das ist auch die Auffassung des Ausschusses — diesen Tatbestand nicht fassen. Insofern ist meines Erachtens die Änderung des Gesetzes insoweit zu begrüßen.
Daraus ergibt sich zwangsläufig die Änderung des § 2, wo der Bundesrat noch vorgeschlagen hat, das Wort „Kindesannahme" durch „Annahme an Kindes Statt" in dem dem Gesetz entsprechenden Text zu ersetzen. Dem wird meines Erachtens zuzustimmen sein.
Dann finden Sie noch geringfügige, aber auch nur textliche Änderungen in § 3, wo früher gesagt war, daß die Vorschriften über die Voraussetzungen im übrigen vom Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Justiz und mit Zustimmung des Bundesrates erlassen werden darüber, welche Voraussetzungen für die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt im einzelnen zu fordern sind und von welchen Voraussetzungen dies abhängt. Statt dessen ist entsprechend der Änderung im § 1 nunmehr gesagt, daß vom Bundesminister des Innern bestimmt werden kann, welche Stellen der in § 1 Abs. 2 genannten Verbände den Voraussetzungen entsprechen und welche Voraussetzungen im übrigen an die Fachverbände, die in § 1 Abs. 3 erwähnt sind, zu stellen sind.
Man will damit erreichen, daß im ganzen Bundesgebiet dieselben Organisationen zugelassen werden, damit es nicht wieder ein buntscheckiges Bild gibt, daß die eine Organisation in dem einen Lande zugelassen ist, während ihr die Zulassung in dem. anderen Lande aber versagt wird.
Dieses Anliegen war dem Ausschuß so ernst, daß er glaubte, dieses im Gesetz klipp und klar und deutlich zum Ausdruck bringen zu sollen.
In § 4 ist, und zwar etwas abweichend von der sonstigen Regelung, der Tag des Inkrafttretens anderweitig geregelt. Das Gesetz soll nämlich nach den Vorschlägen der Ausschüsse jetzt erst drei
Monate nach der Verkündung in Kraft treten. Dazu hat der Regierungsvertreter vorgetragen, daß das Gesetz ja wohl erst dann wirksam werden kann, wenn gleichzeitig nach § 3 Ausführungsbestimmungen des Bundesministers des Innern erlassen worden sind, wozu noch das Einvernehmen mit dem Bundesjustizminister herzustellen und auch die Zustimmung des Bundesrates einzuholen ist. Aus diesem Grunde ist gebeten worden, den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes auf drei Monate nach seiner Verkündung zu bestimmen, damit gleichzeitig mit dem Inkrafttreten auch die Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz vorliegen.
Schließlich habe ich noch auf einen Punkt aufmerksam zu machen, und zwar auf die Einleitung des Gesetzes, in die die Worte „mit Zustimmung des Bundesrates" aufgenommen worden sind. Das war notwendig im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes, da den Ländern die Ausführung des Gesetzes obliegt und sie es in eigener Verwaltung durchführen. Wenn das Bundesgesetz nun Bestimmungen trifft, wie sie hier in § 3 stehen, so ist die Zustimmung des Bundesrates nach Art. 84 Abs. 1 notwendig.
Namens des Ausschusses für Jugendfürsorge und des Rechtsausschusses habe ich Sie abschließend zu bitten, dem Gesetz in der vorliegenden Fassung der Drucksache Nr. 1848 zuzustimmen.