Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem im Jahre 1945 ein autoritäres System zu Ende ging, bildete sich das Volk ein, nun selbst auf die Neugestaltung seines Lebens noch einen Einfluß ausüben zu können. Diese Hoffnung hat sich inzwischen als trügerisch erwiesen, und zwar erstens infolge der laufenden Eingriffe der Besatzungsmacht, und zweitens durch die Verfassung, die wir haben. An die Stelle eines autoritären Staates trat ein Nachtwächterstaat. Diese Situation hat der Gewerkschaftsbund mit sicherem Blick erkannt und hat nunmehr zum Frontalangriff gegen diesen Staat angesetzt. Millionen von zahlenden Gewerkschaftsmitgliedern sind die Grundlage für einen Angriff der Funktionäre auf den Staat schlechthin. Worum geht es? Um die Mitbestimmung des Arbeiters im Betrieb? Geht es darum, daß der Arbeiter mehr Geld, bessere Arbeitsverhältnisse bekommt? Nein, es geht darum, daß einige von der Gewerkschaftsspitze zu nominierende Funktionäre in Direktorenstellungen hineingebracht werden sollen.
Diese Gewerkschaften sind im Augenblick nichts anderes als der undemokratisch verlängerte Arm der SPD,
der überall dort in Aktion tritt, wo der demokratische Arm im Parlament nicht mehr weiterkommt. Wenn der demokratische Arm hier nicht mehr weiterkam, dann machte man Streiks. Denken Sie an den Generalstreik von 1948. Das war die erste Etappe. Da saß man im Wirtschaftsrat fest und sagte: Jetzt heizen wir den Brüdern von außen ein.
Die Rechte der Gewerkschaften würden nach diesem Gesetz über ihre Pflichten, die diese zweifelsohne haben, weit hinausgehen. Lassen Sie mich einen radikalen Mann aus Amerika, Herrn Lewis zitieren. Er sagte folgendes:
Die Bergarbeiter wünschen, daß die Verantwortlichkeit der Betriebsleitung dort liegt, wo sie immer gelegen hat. Der Bergbau ist ein schwieriger Zweig, eine technische Industrie, die unter hohem Wettbewerb und unter großen Risiken arbeitet und in der es unklug wäre, die Verantwortung der Betriebsleitung aufzuteilen.
Meine Damen und Herren, gerade dieser Mann hat sich mit wilden, sehr energischen Streiks zum Teil laufend dafür eingesetzt, damit es seinen Leuten in ihrer sozialen Stellung besser geht. Er hat manches für sie erreicht. Das ist das Feld, auf dem sich unsere Gewerkschaften ebenfalls tummeln sollten.
Wir wollen, daß der Arbeiter vom Objekt zum Subjekt wird: Mitbestimmung durch Mitunternehmertum. Das persönliche Streben jedes einzelnen nach Vermehrung seines Besitzes sollte viel wesentlicher in den Arbeitsprozeß eingeschaltet werden. Es kann hier nicht verheimlicht werden — und ich kann das, was vorhin Herr Dr. Seelos sagte, nur unterstützen —, daß gegenüber dem Druck der Gewerkschaften die Unternehmerschaft sich mit neuen konstruktiven Vorschlägen — von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen — bisher außerordentlich steril verhalten hat. Wiedereinrichtung von Sozialgerichten, höhere Löhne, bessere Wohnungen, Pensionskassen, das sind Dinge, mit denen die Gewerkschaften sich befassen sollten.
Die wahren Ziele des Gewerkschaftsbundes offenbart Herr Böckler, indem er sagte: Die Mitpartnerschaft ist nur die erste Etappe für die Sozialisierung der deutschen Grundindustrie. Er sagt weiter: Das Geld dürfe nicht zur Grundlage wirtschaftlicher Macht werden, um, gestützt auf seine Millionen Streikgelder, einen Generalangriff auf die Macht des Staates zu unternehmen. Das Echo aus dem Osten: Herr Roman Schwalek bekam von Grotewohl 500 Millionen zur Unterstützung des hiesigen Streiks.
— Meine Damen und Herren von der Linken, Sie freuen sich über die politische Niederlage, die Sie dem Kanzler zweifellos in dieser Frage beigebracht haben, und zwar dem Kanzler in seiner Eigenschaft als Hüter der Verfassung.