Meine Damen und Herren! Die Weltmachtgegensätze zwischen Moskau auf der einen Seite und Washington oder, wie man besser sagen würde, der Wallstreet auf der anderen Seite
eine immer geringer werdende Produktion mit unwirtschaftlichen Mitteln zu verplanen und zu verreglementieren, d. h. also eigentlich, etwas zu verteilen, was schon gar nicht mehr da war,
und auf der andern Seite tobte sich der Schwarze Markt als reinste Form der individuellen Wirtschaftsgestaltung aus. Die Verplanung forderte förmlich dazu auf, die Ware, die noch vorhanden war, auf dem Schwarzen Markt verschwinden zu lassen; denn der Schwarze Markt nahm ja dem Arbeiter ebenso wie dem Unternehmer jegliches Interesse an einer Arbeitsleistung. Das einfachste war, vom Schwarzen Markt zu leben. Hundertprozentiger Marxismus
und eine Hydra an staatlicher Bürokratie können keinen Deut mehr verteilen, als vorhanden ist. Der Marxismus endet überall in einem Zwangssystem, schließlich mit der Todesstrafe als Antreibmittel.
Man darf die Verteilung auch nicht allein dem individuellen Egoismus überlassen, da er letzten Endes zum Kampf eines jeden gegen jeden führt
und der Unterlegene schließlich und endlich zum
Almosenempfänger wird. Es soll in keiner Weise
verurteilt werden, was der Staat und was die Kommunen an Sozialleistungen aufbringen, vorausgesetzt, daß diese Leistungen — wie bei Kriegs- und Arbeitsinvalidität - auf einer Leistung der Empfänger beruhen. Aber wenn die Sozialleistungen, die Renten heute zum Teil 50 bis 60 % erreichen, so ist es ein Zeichen dafür, daß die Wirtschaft nicht mehr in Ordnung ist.
Eine gesunde Wirtschafts- und Sozialpolitik muß deshalb zwei Forderungen stellen. Auf der einen Seite geht es darum, mehr zu produzieren, schon damit wir von außen her unabhängiger werden, und auf der anderen Seite handelt es sich darum, das, was geschaffen wird, auch gerecht zu verteilen.
Dem deutschen Volk muß beigebracht werden, und es muß auch in der Lage sein, es zu begreifen,
daß der eigene wirtschaftliche Aufstieg mit dem Aufstieg des ganzen Volkes auf wirtschaftlichem Gebiet identisch ist.
Deshalb sind unsere Forderungen hier, die wirtschaftliche Leistung des einzelnen rechtlich und in der Sozialordnung so zu gestalten, daß jeder einzelne als Träger einer Funktion in der Ganzheit steht. Diese Sozialisierung der Funktion beruht auf der rechtlichen Lösung der frage Gewinnbeteiligung und Mitbestimmung. Der rechtliche Anspruch an individueller Leistung ist an die sichtbare materielle Auswertung des Rechtsanspruchs in Form eines erhöhten Lohnes auf der einen Seite oder höherer Ausschüttung auf der andern Seite zu binden.
Es geht also in erster Linie darum, der menschlichen Arbeit in jeder Form die ihr zustehenden Rechte zu bewilligen.
Dazu ist aber notwendig, daß betriebsfremde Funktionäre ausgeschaltet werden, denn sie sind nur geeignet, die Verschärfung der Gegensätze herbeizuführen, die heute vorhanden sind.
Die Lösungsvorschläge, die die Gewerkschaften — bisher wenigstens — unterbreitet haben, gehen weitgehend von einer gewissen klassenkämpferischen Einstellung aus. Sie tragen den Stempel der Unternehmer- und Kapitalfeindlichkeit. Die Forderungen der Gewerkschaften führen somit zu einer kalten Sozialisierung. Die „New York Times"
brachte das kürzlich mit folgenden Worten zum Ausdruck:
Die deutschen Gewerkschaften haben die Bonner Regierung zu einer drastischen Neuordnung in der Industrie gezwungen, die im Namen der Wirtschaftsdemokratie als Heilmittel gegen Sozialismus und Kommunismus dargeboten wird, aber unzweifelhaft in die Richtung kalter Sozialisierung geht.
Das durch die Streikandrohung erzwungene neue Abkommen sichert den Gewerkschaftsführern einen fünfzigprozentigen Anteil an der industriellen Geschäftsführung zunächst bei Kohle, Eisen und Stahl, ohne daß sie oder ihre Verbände das finanzielle Risiko mittragen.
Dieses System, das die Produktionsmittel in privater Hand läßt, aber den Eigentümern die Kontrolle entzieht, nennt sich gewerkschaftliche Mitbestimmung. Es ist nicht eigentlich neu, aber nirgends bis zu jenem Punkt getrieben worden, der jetzt in Deutschland erwogen wird, und wenn es einmal dahin gebracht ist, könnten sich leicht ähnliche Bestrebungen in anderen westlichen Ländern verstärken. Bestenfalls könnte dieses System die Produktion steigern und den Arbeitsfrieden sichern. Es könnte aber auch zum Werkzeug werden, die Industriekontrolle in der Hand der Gewerkschaftsbürokratie zu zentralisieren. Dann würde nicht nur die Produktionsleistung sinken, es würde damit auch eine Minderheit zu politischer Mehrheit gelangen, die sich in den Wahlen nicht durchzusetzen vermag.
Genau so wie die eine Seite mit ihren unmäßigen Ansprüchen unsere Zustimmung nicht finden kann, so lehnen wir auch den aus starrem liberalistischen Denken stammenden Herr-im-Hause-Standpunkt als verwerflich ab; denn er verschärft ebenso die Gegensätze.
Das Eigentum ist bisher als etwas Beziehungsloses betrachtet worden, es hat aber eine Beziehung zur Gemeinschaft, und wenn es diese Beziehung zur Gemeinschaft nicht anerkennt, dann hat es keinen Rechtsanspruch mehr, den es heute noch maßgeblich anmeldet.
Hier kann meiner Überzeugung nach nur eines helfen: auf der einen Seite die Sicherung der Unternehmerinitiative und des Kapitalbesitzes und der Verantwortung und auf der andern Seite die vollberechtigte Wertung der menschlichen Arbeit. Diese Synthese kann nach meiner Überzeugung in der Betriebspartnerschaft gefunden werden. Die Anerkennung der Interessen der ersteren Gruppe führt zu einem Anspruch auf Sicherung des Kapitals, Gewinnbeteiligung durch Abschreibungen, Dividende usw.; auf der andern Seite aber bringt der Arbeitnehmer großes berufliches Können und betriebsnützliches Verhalten mit und verlangt daher auch eine ehrliche Bewertung dieses Kapitals. Damit ist von seinem Standpunkt aus zweifelsohne ein Recht auf Mitbestimmung vorhanden, aber dieses Mitbestimmungsrecht muß gipfeln in der Pflicht der Verantwortung für den Betrieb. Eine solche Anerkennung verlangt, daß das Arbeitsvermögen im Sinne einer ideellen Aktie ziffernmäßig bewertet und in seinen Rechten dem entsprechenden Kapitalanteil im Betrieb gleichgesetzt wird. Der Arbeitnehmer soll einen Grundlohn erhalten, den Dr. Holz einmal „Leistungsnahrung" nannte. Der Grundlohn zur Sicherung des Kapitals wurde von ihm „Kapitalnahrung" genannt. Darüber hinaus sollen Arbeiter wie Kapital
einen leistungsgerechten Ertragslohn erhalten. Die Leistungsnahrung muß sich nach den Lebenshaltungskosten richten.
Die Kosten für die Existenzsicherung der Arbeitskraft sowie für die Substanzsicherung des im Betriebe arbeitenden Kapitals kann man als Betriebskosten bezeichnen. Aus den Betriebsgewinnen aber sollen sich die Ertragslöhne für Arbeit und Kapital ergeben. So allein ist es möglich, die verderbliche Wirkung der Lohn-Preis-Spirale zu durchbrechen, denn der dem Arbeiter zuerkannte Ertragslohn
drückt jetzt nicht mehr auf die betriebliche Kostenrechnung. Diese Regelung sichert dem Arbeitnehmer vollen Anteil an allen Rationalisierungsmaßnahmen, technischen Verbesserungen, Erhöhung der Arbeitsleistung individueller und genereller Art, ohne daß man dazu klassenkämpferische Mittel verwenden muß.
So allein kann aber auch der Arbeiter sich als gleichberechtigtes Mitglied im Betriebe fühlen, der sich bewußt ist, daß letzten Endes von seinem Einsatz das Wohl seines Betriebes abhängt; and er sieht dann in dem Unternehmer nicht mehr den Ausbeuter, sondern den Chef, dessen Tüchtigkeit er anerkennt, dessen Können dem Arbeitnehmer die Möglichkeit gibt, sein Arbeitsvermögen praktisch einzusetzen und Nutzen davon zu ziehen. So ist meiner Überzeugung nach die Einheit des Betriebes möglich, wo Mitbestimmung aller Mitarbeiter nur nützlich sein kann.
Für das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeiter aber gilt, zumal es aus dem Arbeitsvermögen resultiert, daß bisher im Aktienrecht ein recht guter Anhalt gegeben ist. Die Mitarbeiter des aus Arbeit resultierenden Anteils an der Produktion haben meiner Überzeugung nach die gleichen Ansprüche wie die Kapitalteilhaber. Die bisherigen Entwicklungen der Aktiengesellschaften zeigen, daß durch das aus Aktien herrührende Mitbestimmungsrecht weder die Initiative der Unternehmer noch die Verantwortungsfreudigkeit eingeschränkt wurde. Diese Art von Partnerschaft sichert sowohl dem Unternehmer und dem Kapital den ehrlichen Anteil und damit den Anreiz auf Betätigung im fortschrittlichen Sinne als auch dem Arbeiter die Gleichberechtigung durch Stimme und Teilhaberschaft, die nur als Gemeinschaftswerk aufzufassen ist.
Wenn wir uns heute überlegen, daß die Regierung doch mehr oder weniger durch einen Druck von der Straße her zu einer Gesetzesmaßnahme gezwungen wurde, dann, glaube ich, müssen wir uns nur einmal die Entwicklung der Wirtschaft und auch des Arbeitertums in Rußland vor Augen halten, um zu sehen, wohin der Weg auch hier geht, wenn diese Richtung weiterhin beibehalten wird.
1919 hieß es im kommunistischen Parteiprogramm: Die Gewerkschaften müssen dahin kommen, faktisch die gesamte Verwaltung der Volkswirtschaft als eines einzigen wirtschaftlichen Ganzen in ihren Händen .zu konzentrieren. Lenin sagte: Die Kontrolle über Arbeit und Verbrauch muß mit der Enteignung der Besitzenden beginnen, mit der Kontrolle der Arbeiter über die Besitzenden. Die Folge davon war ein Durcheinander in der Wirtschaft, keine geordnete Produktion, so daß man sich plötzlich umstellen mußte.
Lenin sagte später: Das Mitbestimmungsprinzip — so wie es damals gewerkschaftlich aufgefaßt wurde — führt bestenfalls zu einer enormen Kraftvergeudung und genügt in keiner Weise der Schnelligkeit und Präzision der Arbeit, die den Bedürfnissen einer zentralisierten Industrie entsprechend verlangt werden. Lenin sagt später: Diktatorische Gewalt und persönliche Leitung stehen nicht im Widerspruch zur sozialistischen Demokratie. In der Resolution des neunten KPR-Parteitages heißt es: Zum Zwecke einer einfacheren und präziseren Organisation der Verwaltung der Produktion sowie zum Zwecke einer Ersparnis an organisatorischen Kräften hält es der Parteitag für notwendig, die Verwaltung der Industrie mehr auf das Prinzip der persönlichen Leitung umzustellen, nämlich die volle und unbedingte persönliche Leitung in Werkstätten und Werkabteilungen einzuführen.
Und so ging es fort und fort. Stalin selbst sagt: Wir mußten die Abschaffung des FunktionärSystems, die Stärkung der persönlichen Verantwortung und die Liquidierung der kollegialen Leitung organisieren. Später sagte Stalin in der Zeitung „Trud" : — —
— Ich rede, was i c h will. Ich lasse mir von Ihnen
nicht vorschreiben, was ich zu sagen habe!
Die Gewerkschaften sind die Stränge, die die Werktätigen vor die Troika des Staates schirren.
Das Mitbestimmungsrecht — so wie es der Marxismus auffaßt —, die Kontrolle der Produktion durch die Massen führt letzten Endes zu einer Entmündigung des Arbeitertums, zu einer staatlichen Wirtschaftsdiktatur, die wir ablehnen.
Wir sind dafür, daß das Eigentum sich der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet. Wir sind für die Vertretung der Interessen der Arbeiterschaft durch eine Organisation. Aber wenn die Gewerkschaften heute Unternehmer werden, — wer soll denn dann überhaupt noch den Arbeitnehmer vertreten? Arbeitnehmer und Arbeitgeber gehören meiner Überzeugung nach zusammen.