Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierung hat sich .damit begnügt, bei der formalen Seite dieses Gesetzes zu bleiben. Wir hätten Wert darauf gelegt, über das, was der Herr Arbeitsminister Storch angedeutet hat, etwas zu hören, nämlich über den Zweck oder Unzweck dieses Gesetzes.
Einige Vorredner sind schon in die Materie dieses Gesetzes eingedrungen. Wir können die Gesetzesvorlage nicht ernst genug nehmen. Es ist ein Gesetz von einer historischen Bedeutung.
In den nächsten Monaten werden wir noch weitere Aktionen der Gewerkschaften erleben. Herr Dr. Henle hat angeführt, daß damit keine Präjudizierung künftiger Verhandlungen stattfinden solle. Nach dem Willen der Gewerkschaften ist dieses Gesetz aber nur der Anfang. Niemand anders als der Gewerkschaftsführer Herr Böckler selber hat angekündigt: „Die übrigen Wirtschaftszweige werden folgen müssen, das Erreichte ist nur eine erste Bresche." Also wir in Deutschland
nehmen im Gegensatz zu allen anderen Ländern
der Welt ohne Vorbereitung, ohne Erprobung eine
tiefgehende Änderung unserer Wirtschaftsverfassung vor, als ob wir uns das so leicht leisten können.
Es ist richtig, man könnte sagen, in Notzeiten sind schon immer Reformen geschehen; auch Stein hat in einer sehr bedrängten Zeit die Bauernbefreiung durchgeführt. Wir leben in ähnlichen schweren Notzeiten, wir stehen unter der Bedrohung des Kommunismus aus dem Osten.
Brauchen wir vielleicht jetzt auch eine Arbeiterbefreiung, von der doch in der Terminologie der Gewerkschaften so sehr die Rede ist? Man verwendet die Worte: „Man sollte die Arbeiter vom Objekt zum Subjekt machen!", „Wir wollen die Demokratisierung der Wirtschaft!" und ähnliche weitere Schlagworte.
Wir wollen prüfen, ob das Gesetz das enthält, was man angekündigt hat, nämlich den Fortschritt, oder ob es nicht den Fortschritt der Sozialisierung bedeutet.
Ist das Gesetz denn aus dem natürlichen Recht zu begründen? Die Gewerkschaften beziehen sich so gern auf die Entschließung des Katholikentages in Bochum, in der es heißt: Das Mitbestimmungsrecht gehört zu dem natürlichen Recht in gottgewollter Ordnung und ist zu bejahen wie das Recht auf Eigentum. Wir wissen aber, daß die obersten kirchlichen Stellen schon längst von dieser Fehlauslegung abgerückt sind.
Das widerspricht einem der ersten christlichen Grundsätze, daß nämlich der Eigentümer der Produktionsmittel der Herr seiner wirtschaftlichen Entschlüsse bleiben muß. Durch das vorliegende Gesetz wird die Freiheit der Entschlüsse des Eigentümers so weitgehend eingeengt, daß es eben auch gegen den Eigentumsbegriff verstößt.
Oder wird etwa der Lohn des Arbeiters durch diese Vorlage verbessert? Wir glauben, daß das in einer freien Wirtschaft — z. B. in der freien amerikanischen Wirtschaft, wo der Arbeiter gegenüber der Zeit vor dem Kriege eine Verbesserung seines Lohnes um 50 und 60 % erzielen konnte — eher zu erreichen ist als in einer Wirtschaft, deren Rendite durch Eingriffe von betriebsfremden Elementen herabgesetzt wird. Also das ist auch in dieser Beziehung nicht im Interesse der Arbeiter.
Oder ist denn der Arbeiter ein hilfloses Objekt der Wirtschaft? Ist er, wie hier in der Debatte gesagt worden ist, so ohne jeden Einfluß? Da müssen wir sachlich feststellen: Wir haben doch das Betriebsrätegesetz! Mein bayerischer Kollege hat eben schon festgestellt, daß wir in Bayern mit Zustimmung der Gewerkschaften ein ausgezeichnetes Betriebsrätegesetz haben,
das eine weitgehende, auch wirtschaftliche Mitwirkung der Arbeiter vorsieht.
- Brüllen Sie doch in der Ostzone, das wäre vielleicht eher verständlich!
Haben die Arbeiter nicht hundertfach in der obersten politischen Ebene ihr Wahlrecht und ihre Möglichkeiten, zu den Parlamenten ihre Stimme abzugeben? Sogar in hundertfacher Weise gegenüber den Montanunternehmern? Also auch hier keinerlei Benachteiligung. Es ist keine Beteiligung des Arbeiters in dem Sinne erforderlich.
Ist der Arbeitgeber etwa unsozial? Auch die Arbeitgeber haben zu 90 und 95 °Io die Zeichen der Zeit verstanden und verwenden energisch ihre ganze Energie darauf, ihre Betriebe zu sichern und für die Arbeiter ihrer Betriebe in einer Weise zu sorgen, daß sie gegen die Gefahren und Verlockungen des Kommunismus gefeit sind.
Oder lehnen etwa die Unternehmer die Mitbestimmung ab? Wir wissen doch alle — das ist hier aus berufenem Munde gesagt worden —: Sie stimmen dem sozialen Mitbestimmungsrecht und dem personellen Mitbestimmungsrecht zu. Allerdings sind bei dem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht gewisse Einschränkungen gemacht, daß dies eben nur aus einer Mitwirkung bestehen soll. Fürwahr, es ist nötig, hier gewisse Entwicklungen und Erfahrungszeiten abzuwarten, und wenn sich eine Entwicklung erprobt, dann kann man auf evolutionärem Weg weitergehen.
Weiter fragt man sich: Hat die Unternehmerfunktion versagt, so daß die Arbeiter mit Recht versuchen, sich hier durchzusetzen? Wenn wir die Aufbauleistungen der Unternehmerschaft in den letzten vier Jahren sehen, dann kann man beim besten Willen das nicht als Grund angeben. Wenn es irgendwo nicht funktioniert oder wenn es zum Beispiel im Kohlenbergbau nicht so gut funktioniert hat, dann ist meines Erachtens der Treuhänder daran schuld und nicht der eigentliche Unternehmer, der Besitzer der Kohlengruben.
Ich muß allerdings sagen: Wenn die Unternehmerschaft von ihrem ureigensten Rechte so sehr überzeugt ist, wenn sie nun glauben mußte, daß durch dieses Gesetz ein entscheidender Eingriff in ihre Urrechte erfolgt, dann hätte man wirklich eine andere Abwehr und einen anderen Widerstand erwarten müssen, als bisher zu bemerken war. Vor allem haben aber die Industriellen bis auf wenige Ausnahmen keine persönlichen Konsequenzen gezogen. Es ist bedauerlich, daß die Unternehmerschaft keine starke eigene Initiative entwickelt hat und daß sie sich nicht viel konstruktiver durch Abmachungen mit der Arbeiterschaft in ihren eigenen Betrieben vorgewagt hat, um sie aus dieser Einheitsfront herauszubrechen. Sie hat sich vielfach nur mit der Abwehr des Gewerkschaftsvorstoßes begnügt.
Wir betrachten vor allen Dingen den Ausgangspunkt des Vorgehens der Gewerkschaften als so verhängnisvoll. Es haben sich eben gewisse nationalsozialistische Begriffe tief in das Bewußtsein des deutschen Volkes eingegraben;
so z. B., daß der Bauer gar nicht mehr Eigentümer seiner Scholle, sondern nur der Treuhänder für das Volk ist, und daß der Industrielle nicht mehr der Eigentümer seines Betriebes, sondern auch nur der Treuhänder gegenüber dem Volke ist. Aus dieser Denkart kommen wir aber auch zu einer Zerstörung der Grundlagen des Eigentums.
Nun sagt man: Ja, das ist doch ein tatsächlich bestehender Zustand; die Militärregierung hat doch die Arbeiterschaft mit der Mitbestimmung in den Montanbetrieben beauftragt. — Glaubt man denn, daß vor vier Jahren die Militärregierungen um der deutschen Arbeiter willen das Mitbestimmungsrecht eingeführt haben? Nein, das haben sie getan, um die deutsche Unternehmerschaft der Montanindustrie zu schädigen, diese Industrie zu zerstören und wettbewerbsunfähig zu machen.
Das ist einer der Gründe, warum das geschehen ist. Und so kommen wir zu dem bedauernswerten Ergebnis, daß NS-Denken und Morgenthauideen bei diesem Gesetz Pate gestanden haben.
Die Gesetzesbestimmungen zeigen — das hat Herr Becker im einzelnen ausgeführt, das brauche ich also nicht auch noch zu erzählen —, daß es sich hier nicht um die Arbeiter, sondern um die Macht der Gewerkschaften handelt. Die Arbeiter haben aber nichts davon, wenn betriebsfremde Leute ihr Schicksal bestimmen und wenn die kenntnisreichen eigenen Manager durch betriebsfremde Manager der Gewerkschaften ersetzt werden.
Es ist doch eine bekannte Tatsache, wie schwer das Nachwuchsproblem der Unternehmerschaft ist und daß die Unternehmer sehr dankbar sind, wenn sie geeignete Manager finden, ganz gleichgültig, aus welcher Volksschicht sie kommen, um einen Betrieb ordnungsgemäß und gut zu führen. Glaubt man nun, daß die Gewerkschaften so aus dem Handgelenk Hunderte von Leuten hervorzaubern, die in diesen Betrieben wirklich sachverständig wirken können? Wir bezweifeln das. Es handelt sich — das ist schon wiederholt mit Nachdruck hier gesagt worden, und wir unterstreichen das - um eine unerhörte Machtanballung der Gewerkschaften,
die einen tiefgehenden Eingriff in die Wirtschaft bedeutet.
Es ist interessant, daß gerade die frühere Machtanballung der Industrie angegriffen und gesagt wird: die geistige Anpassung dauert eben lange, und daß man bei Gott nichts anderes findet als nur wieder eine Machtanballung der Gewerkschaften, um durch sie die frühere Machtanballung der Unternehmer zu ersetzen.
Aber wir haben es doch schon erlebt, daß diese Machtanballungen der Gewerkschaften nicht immer so standfest waren, sagen wir, im Kapp-Putsch, sagen wir, bei der Machtergreifung des nationalsozialistischen Regimes 1933;
da haben sie sich nicht so bewährt. Wenn Sie nun bedenken, daß die Gefahr einer Neutralisierung Deutschlands drohen kann und daß die ostzonalen Einflüsse sich in einer zentralen Gewerkschaftsdiktatur viel stärker durchsetzen werden, dann können Sie sich vorstellen, wie leicht wir durch die einheitliche Umreißung der Kommandostelle wieder in einen Urgrund des Unheils versinken werden.
Es ist auch interessant festzustellen, daß die eigentliche Aufgabe der Gewerkschaften, nämlich die Arbeiterinteressen zu wahren, sehr gefährdet ist, wenn sie nun in die Betriebsverwaltung gehen und sich mit Planungsaufgaben, die zweifellos kommen werden, beschäftigen und mit irgendwelchen Eingriffen in die Wirtschaft, mit dem Vorgehen gegen mißliebige Wirtschaftler, die ihnen nicht zu Willen sind. Das eröffnet bittere Perspektiven!
Ich sehe aber eine besonders große Gefahr darin, daß die Gewerkschaften ganz offen angekündigt haben, sie inszenierten diesen Streik auch wegen seiner politischen Möglichkeiten. In dem Gewerkschaftsbrief vom 15. Dezember — ich bin ein eifriger Leser der Gewerkschaftsbriefe —
heißt es:
Entscheidend sind für die Forderungen der Gewerkschaften in Deutschland aber auch die politischen Gründe.
Damit hat man die Katze aus dem Sack gelassen. Bald soll der Streik um die Vollbeschäftigung kommen, dann kommt der Streik um rein politische Forderungen. Mit diesen Streikdrohungen will man an die Macht.
Damit kommen wir zu der Art und Weise des Vorgehens der Gewerkschaften, auf die meine Vorredner schon eingegangen sind, so daß ich mir dazu fast jedes Wort ersparen kann. Jedenfalls, wenn man für dieses Gesetz um Vertrauen wirbt, so kann die Art und Weise, in der es hier eingeführt worden ist, nicht zu Vertrauen verlocken.
Mein Vorredner, Herr von Merkatz, hat schon darauf hingewiesen, daß die Streikdrohung in einem entscheidenden Augenblick unserer nationalen Existenz erfolgt ist. Bedenken Sie, gewissenlos hätte man es auf sich genommen, angesichts der nahezu 2 Millionen Erwerbslosen, die wir ohnehin schon haben, noch hunderttausende durch den Streik direkt und weitere hunderttausende indirekt durch die Folgen dieses Streikes auf die Straße zu jagen! Ferner hat man sich nicht gescheut, den Beifall des Ostens zu erzielen,
dem diese Radikalisierung der Forderungen der Gewerkschaften nur sehr angenehm sein kann.
Die Sozialdemokratie ist hier gleich den Gewerkschaften, da sie den Beifall des Ostens in solcher Weise gefunden hat.
Ferner ist diese Streikdrohung vor der Viermächtekonferenz erfolgt, die über das Schicksal Deutschlands entscheiden soll, in einem Zeitpunkt, in dem es unter Umständen darum geht, daß Amerika seine Hilfe und Unterstützung für Westdeutschland zurückzieht.
Ich will nicht auf die Verweigerung von Auslandskrediten eingehen. Da gebe ich dem Vorredner der SPD recht, der sagte: schließlich kommt es auf die Rendite an. Ich bezweifle allerdings, ob diese Rendite noch so attraktiv sein wird, daß Auslandskapital nach Deutschland strömt, was auch wiederum nur dem deutschen Arbeiter schaden wird.
Schließlich kann man auch eine Gefährdung des Schumanplans in den Bereich der Möglichkeit rücken, wenn Sie dieses Mitbestimmungsrecht allmählich in allen Industriezweigen durchsetzen werden.
Das Entscheidende aber ist der Eingriff in die demokratische Parlamentvertretung, die damit zu
Jasagern deklariert wird, wie wir sie aus der Vergangenheit kennen.
Die SPD kann diese Methode nicht billigen, solange sie in ihrem Namen auch das Wort „demokratisch" hat.
Die Gewerkschaften täuschen sich auch, und die SPD täuscht sich mit ihnen in der Beurteilung eines solchen möglichen Streikes durch die Bevölkerung. Bei entsprechenden psychologischen Gegenmaßnahmen wäre es bestimmt zu einer schweren Vertrauenskrise gegenüber den Gewerkschaften gekommen, und Sie können sich beim Herrn Bundeskanzler dafür bedanken, daß er Sie vor diesem Debakel bewahrt hat!
Hiermit kommen wir zum Verhalten der Regierung gegenüber den Forderungen der Gewerkschaften. Die Regierung geht allerdings bei ihrer Stellungnahme von einigen Fiktionen aus,
nämlich einmal von der Fiktion, daß das nur eine einmalige Vorlage sei. Nach den maßgebenden Äußerungen aus Gewerkschaftskreisen, die wir gehört haben, sind wir der Ansicht, daß das nur der Anfang einer Entwicklung ist, und deshalb wehren wir uns so sehr dagegen. Ferner geht die Regierung von der Fiktion aus, es habe sich hier um Gleichberechtigung bei den Besprechungen gehandelt, während in Wirklichkeit die Verhandlungen doch unter Druck stattgefunden haben. Herr Böckler hat in einer Rundfunkansprache am Abend des 30. Januar — dem denkwürdigen Tag der Machtübernahme —
erklärt: Man kann überhaupt nicht von Siegern und Besiegten sprechen. Am gleichen Tage hat er allerdings vor der Bergbaugewerkschaft gesagt, zwar sei ein Kampf gewonnen, aber die Gewerkschaften würden weitere Kämpfe zu bestehen haben.
Welcher Herr Böckler hat nun recht? Und ist das noch eine ehrliche Wirtschaftspolitik?
So muß man jedenfalls fragen, wenn Derartiges am gleichen Tage geschieht.
Trotzdem aber habe ich volles Verständnis für die Haltung der Regierung, denn sie muß schließlich abwägen, welche Folgen schlimmer gewesen wären,
wenn sie entweder dieses Gesetz vorlegte oder in den drei bis vier Wochen Streik ein weitgehendes Chaos heraufbeschwor.
Die Gewerkschaften waren in ihrem Vorgehen wahrhaft kühle, ich möchte sagen, diabolisch kühle Rechner. Sie konnten auf ein Nachgeben der Regierung rechnen, weil sie nicht annehmen konnten, daß die Regierung so verantwortungslos sein würde, die Folgen dieses gewissenlosen Streikes auf sich zu nehmen.
Wir bedauern das Vorgehen der Gewerkschaften vor allem auch deshalb, weil es eine Ohrfeige für alle die Unternehmer ist, die sich mit ihrem ganzen
4452 Deutscher Bundestag - 1 1 7. Sitzung. Bonn. Mittwoch, den 14. Februar 1951
Sein für die Existenz ihres Betriebes und für das Wohl und Wehe ihrer Arbeiter eingesetzt haben.
Es kann daher leicht schädlich wirken, wenn gerade solche Unternehmer nun so verärgert werden, daß sie dann nicht mehr so im Interesse ihres Betriebes arbeiten, der ja nun von außen her gelenkt wird, daß sie also nicht mehr alles für das Wohl der Arbeiter tun.
Ich darf daher zusammenfassen: Wir können dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen, weil sie einen Angriff gegen das Eigentum bedeutet, weil sie eine Schädigung der echten Arbeiterinteressen ist, weil sie eine Machtanballung der Gewerkschaften zur Folge hat, weil sie die Autorität des Parlaments in entscheidender Weise schwächt,
weil sie ein Verstoß- gegen die Demokratie ist, weil sie eine staatspolitische Revolution ist.