Rede von
Dr.
Johannes
Semler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde von der ChristlichSozialen Union haben mich gebeten, Ihnen einige wenige grundsätzliche Bemerkungen zu der Vorlage vorzutragen. Wir haben mit erheblicher Sorge und großem Bedauern die Begleitumstände vermerkt, unter denen dieses Gesetz zustande gekommen ist, mit um so größerem Bedauern, als meine Freunde durchaus geneigt sind, den Grundzügen dieses Gesetzes zuzustimmen. Diese Haltung datiert nicht von gestern oder heute. Wir haben vor Jahren, im Jahre 1946, in unserer bayerischen Verfassung einen Satz niedergelegt, der lautet:
Die Arbeitnehmer haben bei allen wirtschaftlichen Unternehmungen ein Mitbestimmungsrecht in den sie berührenden Angelegenheiten sowie in Unternehmungen von erheblicher Bedeutung einen unmittelbaren Einfluß auf die Leitung und die Verwaltung der Betriebe.
In Verfolg dieser Verfassungsbestimmung haben wir ein Betriebsrätegesetz verabschiedet, das dem Zweck dienen sollte, innerhalb des Betriebes das Verhältnis zwischen Unternehmer und Arbeitnehmern stabil auf eine gesunde Grundlage zu stellen.
Wenn nunmehr in dem Bereich von Stahl und Kohle als in zwei Industriegruppen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung über das normale Mitbestimmungsrecht hinaus eine Sonderregelung für die Verwaltung vorgeschlagen ist, so könnten wir uns mit diesem Gedanken befreunden, wenn damit eine Vertretung der Arbeitnehmer dieser Betriebe klar zum Ausdruck gekommen wäre. Wir bedauern, daß den Gewerkschaften in dem vorliegenden Entwurf ein Einfluß auf die Besetzung der Posten in der Verwaltung eingeräumt ist, der uns nicht angemessen erscheint, nicht weil wir die Bedeutung der Gewerkschaften im Gebiete der Wirtschaft unterschätzen wollen. Auch da haben wir in Bayern im Rahmen des Senats sehr frühzeitig eine Regelung gefunden, die den Gewerkschaften volle Parität sichert. Aber hier liegt es anders. Auch in diesen Teilgebieten Kohle und Stahl scheint uns der maßgebende Gesichtspunkt der zu sein, daß die Arbeitnehmerschaft der Betriebe selbst zum Zuge kommen muß.
Wir räumen den Arbeitnehmern gern das Recht ein, sich mit der Gewerkschaft zu beraten. Wir haben auch Verständnis dafür, daß die Arbeitnehmerschaft im einen oder anderen Fall den Wunsch hat, eine nicht dem Betrieb zugehörige Person in den Aufsichtsrat zu entsenden. Aber das Maß, das hier der Gewerkschaft in der Bestimmung der Mitglieder der Verwaltung eingeräumt ist, scheint uns nicht angemessen, und wir werden den Ausschuß bitten, diese Frage einer Überprüfung zu unterziehen.
Unter den Aufgaben, die das Gesetz den Organen — dem Aufsichtsrat und dem Vorstand — zuweist, lesen wir, daß die Mitglieder des Aufsichtsrats unter Berücksichtigung des Gemeinwohls zum kann überhaupt nicht gedeihen, wenn nicht eng der zum Unternehmen gehörigen Betriebe zu handeln haben. Wir sind damit durchaus einverstanden. Aber wir vermissen, daß diese Organe in Betrieben, die sich noch in der Privatsphäre befinden, auch die Interessen der Besitzer wahrzunehmen haben. Wir bleiben unveränderlich auf dem Standpunkt des Schutzes des Privateigentums.
Wir wünschen, daß über dieses Gesetz weder direkt
noch indirekt, weder bewußt noch unbewußt, die
Besitzer der Unternehmungen — seien es private
Unternehmer, seien es die Aktionäre — mehr oder weniger enteignet werden könnten.
Wir gehen nicht so weit, daß wir, wie es mein Herr Vorredner tat, in diesem Gesetz ein verfassungsänderndes Gesetz erblicken. Dieser Auffassung vermögen wir uns nicht anzuschließen. Wir haben aber den Wunsch, daß bei der Aufgabenstellung an die Organe dieser Unternehmungen, gerade wenn hier die Parität zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern niedergelegt ist — die wir bejahen —, unmißverständlich zum Ausdruck kommt, daß die Verwaltung eines Unternehmens die Pflicht hat, genau so wie für die Arbeitnehmer auch für die Besitzer des Unternehmens zu sorgen. Wir werden diese Bemerkungen und noch einige andere im Ausschuß vorbringen. Im ganzen haben wir den Wunsch, daß dieses Gesetz in einer Form von diesem Hause verabschiedet wird, die uns gestattet, ohne Druck, aus freiem Herzen eine Regelung zu treffen, die sich in der Zukunft bewähren möge.