Rede von
Anton
Sabel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Bestehen des Bundestages hat die Fraktion der CDU/CSU immer in aller Deutlichkeit zu erkennen gegeben, daß es ihr mit der baldigen Verwirklichung des Mitbestimmungsrechtes der deutschen Arbeitnehmer ernst sei. Ich darf Sie daran erinnern, daß wir bereits im Oktober des Jahres 1949 hier einen Antrag eingebracht haben, mit dem wir die Regierung ersuchten, baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Neuregelung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern beinhalten sollte.
Sie kennen die Entwicklung. Wir haben, nachdem bis zum Mai des vorigen Jahres der Regierungsentwurf noch nicht vorlag, dem Hohen Hause dann selbst einen Entwurf vorgelegt, weil wir sahen, daß die Verhandlungen unter den Sozialpartnern ins Stocken geraten waren und keinen baldigen Abschluß verhießen und daß gerade deshalb auch die Vorlage des Regierungsentwurfs auf sich warten ließ. Ich darf Ihnen sagen, daß dieser Entwurf der Fraktion der CDU/CSU von der gesamten Fraktion gebilligt wurde. Jeder, der von den Dingen etwas versteht, war sich auch darüber im klaren, daß es sich hierbei um einen sehr fortschrittlichen Vorschlag handelte. Der Entwurf ist dann mit anderen Entwürfen den zuständigen Ausschüssen überwiesen worden.
Außerhalb diese Hauses wurde nun manchmal der Eindruck erweckt, als seien die Beratungen in den Ausschüssen nicht so vorangetrieben worden, wie es der Bedeutung der Sache entsprochen hätte. Deshalb halte ich es für notwendig, hierzu etwas zu sagen. Die beteiligten Ausschüsse haben sich bisher in rund 30 Sitzungen mit den Entwürfen beschäftigt. Die Materie ist sehr eingehend behandelt, der größere Teil der Vorlagen in den Ausschüssen bereits erörtert worden. Im Augenblick wird die Frage der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen des Betriebes diskutiert, und ich darf betonen, daß sich alle sehr intensiv an den Verhandlungen beteiligt haben. Ich darf erfreulicherweise feststellen, daß diese Verhandlungen in einer sehr guten Atmosphäre stattgefunden haben, und darf weiterhin erfreulicherweise feststellen, daß auf weitesten Gebieten eine Verständigung möglich war. Ich bin nicht so optimistisch, zu glauben, daß wir allüberall eine Verständigung erzielen können, weil nun einmal die Meinungen in dieser Frage differenziert sind. Aber den ernsten Willen zur Verständigung habe ich bisher bei allen Beteiligten immer feststellen können.
Nun liegt uns die Sonderregelung für die eisenschaffende Industrie und für den Bergbau vor. Nach dem Entwurf der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union war ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, die Regelung, die in der eisenschaffenden Industrie bestand, beizubehalten, da wir in der Bestimmung über die Aufsichtsräte gesagt hatten, daß diese mindestens zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen sollten. Diese Regelung war schon auf die Situation in der eisenschaffenden Industrie zugeschnitten. Angesichts dieser Sachlage gab es daher nach meinem Dafürhalten eigentlich keinen konkreten Tatbestand, der die in den letzten Monaten eingetretene Verschärfung rechtfertigte.
Vielmehr möchte ich meinen — und das entnehme ich auch den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners —, daß die Aktionen der letzten Monate mehr auf mangelndes Vertrauen und — auch das können wir sagen — auf Mißverständnisse zurückzuführen sind. Ich freue mich, daß der Herr Bundeskanzler hier nun die Vermittlung übernommen und sich in dieser kritischen Situation bemüht hat, Mißverständnisse zu beseitigen und die Sozialpartner an den Verhandlungstisch zu bringen. Vor allem aber freuen wir uns darüber, daß diese Verhandlungen am Ende zu einem konkreten Ergebnis geführt haben. Dabei bin ich allerdings der Meinung, daß eine etwas positivere Wertung des
CDU/CSU-Entwurfs uns manche Schwierigkeiten erspart hätte; wir wären in der Bearbeitung der Materie wahrscheinlich schon ein Stück weiter.
Ich möchte auch kein Hehl daraus machen, daß meine Freunde wegen der Kündigungen und Streikdrohungen der letzten Wochen sehr starke Bedenken hatten. Das muß hier zum Ausdruck gebracht werden. Wir sind der Meinung, daß die Freiheit des Parlaments, über diese Frage zu entscheiden, nicht eingeschränkt werden sollte.
Es ist doch in der Tat so, daß eine Streikdrohung zur Erzwingung von Gesetzen die Staatsautorität untergräbt und den Aufbau einer echten Demokratie gefährdet.
Und wenn Herr Kollege Imig eben darauf verwiesen hat, daß auch andere Beispiele vorliegen, so ist das, glaube ich, keine Rechtfertigung.
Ich sage Ihnen in aller Offenheit: auch die anderen Dinge müssen genau so mit Entschiedenheit abgelehnt werden wie diese Versuche.
Ich möchte auch sagen, daß es doch für jeden erfreulich war, wie der Bundestag im vergangenen Jahr sich gegen die Druckmethoden seitens der Verkehrswirtschaft — ich darf Sie an die Benzinpreisgestaltung erinnern — gewehrt und es abgelehnt hat, unter Druck zu verhandeln.
Meine Damen und Herren! Zur Behandlung des Gesetzentwurfs hat eben Herr Kollege Imig zum Ausdruck gebracht, daß der Ausschuß oder die beteiligten Ausschüsse ihre Arbeiten schnellstens abschließen möchten, damit unter Umständen in der nächsten Woche schon hier die abschließenden Verhandlungen stattfinden könnten. Ich möchte dazu folgendes sagen. Ich habe als Vorsitzender des federführenden Ausschusses in der Erwartung, daß die Ausschußüberweisung heute erfolgt, schon für morgen eine Ausschußsitzung einberufen.
— Nein, das hat nicht hart genug gehalten, Herr Kollege Richter, sondern das haben wir ohne jede Beeinflussung getan, und Sie hätten es im Ausschuß ja niemals erzwingen können, wenn wir es nicht wollten.
Ich darf feststellen, daß der gesamte Ausschuß diesem Beschluß zugestimmt hat,
und ich darf versichern, daß wir uns bemühen werden, die Verhandlungen so schnell wie irgend möglich voranzutreiben; aber ich bitte Sie, keinen Termin von uns zu verlangen. Wir können nur die Versicherung geben: jawohl, die Dinge werden mit dem notwendigen Ernst behandelt, und wir hoffen, daß wir das Ergebnis unserer Arbeit schnellstens hier im Plenum vorlegen können.
Eine Stellungnahme der Ausschüsse ist auch aus folgendem Grunde notwendig. Sie wissen ja so gut wie ich, daß auch im Bundesrat Einwendungen gegen gewisse Bestimmungen erhoben worden sind.
Eine ernste Prüfung des Entwurfs ist also erforderlich. Ich möchte dazu namens meiner Fraktion folgendes sagen. Wir bejahen die Parität der Unternehmer und Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten, sind aber der Meinung, daß da und dort versucht werden muß, irgendwie eine Gestaltung des Gesetzes zu erreichen, damit in der Praxis keine Schwierigkeiten auftreten. Erinnern wir uns an das Zustandekommen des Gesetzes! Ich kann nur auf die etwas zaghafte Begründung von Herrn Minister Kubel im Bundesrat hinweisen, der ein bißchen schüchtern erklärte, daß das Gesetz auf eine etwas eigenartige Methode zustande gekommen sei. Mehr will ich dazu nicht sagen. Es ist halt so: je schneller die Dinge vorangetrieben werden, desto mehr Unschönheiten verbleiben, und ich glaube, wir alle haben ein Interesse daran, daß das Gesetz eine Form erhält, mit der wir uns in der Öffentlichkeit sehen lassen können.
Was haben wir zum Entwurf zu sagen? Ich will nur auf einige Dinge hinweisen. Es sind zum Teil Versäumnisse, Dinge, die im Entwurf nicht berücksichtigt worden sind; es sind zum Teil Meinungsverschiedenheiten über bestimmte Fragen. Es ist zu prüfen, ob gerade im Aufsichtsrat die Interessen der Allgemeinheit die rechte Vertretung gefunden haben. Ich sagte: wir sind für die Parität der Arbeitnehmer und der Unternehmer; aber ich glaube, Sie sind mit mir der Auffassung, daß die Frage Eisen und Kohle nicht nur eine solche der Produzenten, sondern weitestgehend auch eine Frage der Verbraucher ist,
und wir müssen uns j a überlegen, daß hier auch die Interessen der Verbraucher entsprechend zum Zuge kommen. Es ist zu überlegen, in welcher Form das am geschicktesten geschehen kann.
— Ich verstehe nicht!
— Also wenn schon Zwischenrufe, lieber Kollege Richter, dann so laut, daß ich sie verstehen kann; sonst reden wir nachher darüber. — Gut, einverstanden!
Eine andere Frage, die uns doch einer Überlegung würdig erscheint, ist die, ob man hier das Monopol einer bestimmten Organisation in einer so scharfen Form anerkennen soll, wie das im Entwurf geschehen ist. Ich darf daran erinnern, daß beispielsweise die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft gegen den Entwurf schon Protest eingelegt hat mit der Begründung, es sei keine ausreichende Möglichkeit gegeben, die Interessen der Angestellten entsprechend zu berücksichtigen — Dinge, über die wir zweifellos diskutieren müssen.
Eine meines Erachtens wesentlichere Frage ist die: Wer soll nun derjenige sein, der die Mitglieder in den Aufsichtsrat entsendet? In unserem Entwurf hatten wir es für richtig gehalten, der Belegschaft das Entscheidungsrecht darüber zuzugestehen, wer als Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat tätig sein soll. Wir sind nicht der Meinung, daß man Betriebsfremde ausschalten soll; aber die Belegschaft selbst muß die Möglichkeit haben, auf die Entsendung der Arbeitnehmermitglieder in den Aufsichtsrat einen maßgeblicheren Einfluß auszuüben, als das bei dem vorliegenden Entwurf der Fall ist, und wir sollten hier nach einer Regelung suchen, die diese maßgeblichere Einflußnahme ermöglicht.
In der Frage der Betriebsgröße glauben wir, daß eine etwas variablere Regelung notwendig ist, die auf die Betriebsgröße etwas mehr Rücksicht nimmt, da es zweifellos ein Unterschied ist, ob ein Betrieb nur mit 300 oder 400 Beschäftigten arbeitet oder 10 000 und mehr umfaßt. Aber ich glaube, daß darüber eine Verständigung möglich sein wird.
Ich denke daran, daß auch die Rechte und Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder in diesem Gesetz geregelt sein müssen und daß auch eine Bestimmung über das Ausscheiden und die Neuwahl, also den Turnus eingebaut werden muß. Darüber sind keine Vorschriften enthalten. Es muß m. E. etwas darüber gesagt werden, wer nun in der Spitzenorganisation das Vorschlagsrecht hat, ob das der Vorstand oder irgendein anderes Gremium dieser Spitzenorganisation ist.
Man sollte auch prüfen, ob es nicht zweckmäßiger ist, vielleicht für den Braunkohlenbergbau und für den Eisenbergbau noch zusätzliche Senate zu schaffen, wie sie in § 11 vorgesehen sind.
Zur Frage der Kreditwürdigkeit hat Kollege Imig eben einiges ausgeführt, und ich möchte ihm nun folgendes sagen. Ich bin auch der Meinung, daß für die Kreditwürdigkeit die Produktivität eines Betriebes entscheidend ist, und ich bin mit meinen Freunden der Auffassung, daß die Produktivität durch das Mitbestimmungsrecht nicht zu leiden braucht. Eine vernünftige Anwendung des Mitbestimmungsrechtes kann, wie uns die Erfahrung gezeigt hat, eine Steigerung der Produktivität und damit eine Steigerung der Kreditwürdigkeit bedeuten.
Ich glaube, wir sollten das auch dem Auslande zur Kenntnis geben, damit hier nicht gerade diese Pressenotizen und diese Äußerungen bestimmter Organisationen Unheil anrichten. Ich darf daran erinnern, daß in der Vergangenheit — ich erinnere an das Beispiel der eisenschaffenden Industrie — die Anerkennung des Mitbestimmungsrechtes doch zu ganz beachtlichen Ergebnissen geführt hat und daß der Wiederaufbau und die Produktivität der Betriebe günstig beeinflußt worden sind.
Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend sagen: Ein gewisses Vertrauen unter den Sozialpartnern ist notwendig, ist auch notwendig bei der Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes, das uns heute hier zur Behandlung vorliegt. Wir sind der Meinung, daß ein weiterer Fortschritt gerade bei der Gestaltung des Mitbestimmungsrechtes kein besonderes Risiko bedeutet. Wir sind der Meinung, eine rechte Anwendung wird dieses Risiko ausschließen. Ich möchte hier der Meinung des Herrn Bundeskanzlers beipflichten, der vor einigen Tagen einmal in einer Rundfunkansprache gesagt hat — gestatten Sie mir bitte, das vorzulesen, Herr Präsident —:
Die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren beim Wiederaufbau der Unternehmungen und später bei den Demontageverhandlungen eine solche Liebe und Anhänglichkeit an ihre Unternehmungen, ein solches Verantwortungsgefühl gegenüber der gesamten Wirtschaft gezeigt, daß man ihrer Tätigkeit Vertrauen entgegenbringen kann.
Meine Damen und Herren! Die Ereignisse der letzten Wochen haben meine Freunde mit gewissen Bedenken erfüllt. Wir wünschen, daß wir — wiederum, wie das der Herr Bundeskanzler gerade in dieser Rundfunkansprache getan hat — zukünftig auch mit unserem Lob hier etwas großzügiger sein können. Wir wünschen, daß sich die Dinge, die sich abgespielt haben, nicht wiederholen. Wir wünschen es im Interesse der Staatsautorität, im Interesse einer wirklichen, echten Demokratie.
— Auch im Interesse einer echten Funktion der Gewerkschaften ist es notwendig, daß wir uns hier besinnen und Dinge vermeiden, die im Interesse aller vermieden werden sollten. Ich sage es noch einmal: Es geht uns darum, daß bei der berechtigten Durchsetzung von Wünschen der Arbeitnehmer dies nicht mit Mitteln geschieht, die geeignet sind, die Staatsautorität zu untergraben.
Zum Abschluß: zu einer gesunden Fortentwicklung des Betriebsverfassungsrechts sagen wir ein entschiedenes Ja. Der vorliegende Gesetzentwurf bedeutet einen weiteren Abschnitt, und wir sollten bei der kommenden Behandlung dieses Gesetzes versuchen, es so zu gestalten, daß wir uns mit diesem Gesetz draußen auch sehen lassen können.