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ID0110905300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 109. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. Januar 1951 4109 109. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. Januar 1951. Wünsche des Präsidenten Dr. Ehlers für die Arbeit des Deutschen Bundestages im neuen Jahr 4111C Beglückwünschung und Würdigung des Abgeordneten und Bundeskanzlers Dr. Adenauer zum 75. Geburtstag 4111C Begrüßung des Abg. Dr. Köhler nach seiner Wiedergenesung 4111D Niederlegung des Bundestagsmandats durch den Abg. Dr. Baumgartner 4111D Eintritt des Abg. Fürsten zu OettingenWallerstein in den Bundestag 4111D Beitritt des Abg. Dr. Miessner als Mitglied zur Fraktion der FDP 4111D Geschäftliche Mitteilungen . 4112A, 4113B, 4152D Erkrankung des Abg. Etzel (Duisburg) und verantwortliche Arbeit der Bundestagsabgeordneten 4112B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz über die Vereinbarung über den Warenverkehr und das Protokoll vom 17. August 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien . . . . 4112C zum Dritten Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes 4112C zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 vom 23. Juni 1950 4112C Zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung des D-Mark-Bilanzgesetzes 4112C zum Gesetz zur Änderung der Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts 4112C zum Gesetz zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen . 4112C zum Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost 4112C zum Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs 4112C zum Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn 4112C zum Heimarbeitsgesetz 4112C zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" 4112C zum Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer von Anordnungen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft 4112D zur Zweiten Durchführungsverordnung zum ersten Teil des Soforthilfegesetzes 4112D zum Gesetz über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung 4112D zum Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes 4112D zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Nr. 1718 der Drucksachen) . 4112D zum Gesetz zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiet des Anwaltsrechts (Nr. 1716 der Drucksachen) 4112D zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (Nr. 1717 der Drucksachen) 4112D zum Gesetz zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks 4113A zum Gesetz über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen . 4113A zum Gesetz betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutsch land und Frankreich über die Anwerbung von deutschen Arbeitskräften für Frankreich vom 10. Juli 1950 . . . 4113A zum Gesetz betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Gastarbeitnehmer vom 10. Juli 1950 4113A zum Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten . . . . 4113A zum Zweiten Gesetz zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) . . 4113A zum Gesetz über die Umstellung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen nach der Währungsreform 4113A zum Gesetz über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 GG fallenden Personen . . . 4113A Anfrage Nr. 129 der Abg. Spies, Loibl u. Gen. betr. Gesetzentwurf zur Besteuerung von Feuerzeugen und Zündsteinen (Nrn. 1489 und 1747 der Drucksachen) . . . . 4113A Anfrage Nr. 144 der Fraktion der KPD betr. Bundesversorgungsgesetz (Nrn. 1645 und 1725 der Drucksachen) - 4113B Anfrage Nr. 145 der Fraktion der KPD betr. Versteigerung von Möbeln durch das Besatzungskostenamt Offenbach (Nrn. 1661 und 1728 der Drucksachen) . . . . 4113B Anfrage Nr. 147 der Abg. Mensing u. Gen. betr. Importe mexikanischer Rindfleischkonserven (Nrn. 1706 und 1751 der Drucksachen) 4113B Zweiter Zwischenbericht des Haushaltsausschusses über die auf Grund des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 vom 23. Juni 1950 beschlossenen Vorwegbewilligungen von Haushaltsmitteln (Nr. 1723 der Drucksachen) 4113B Änderung der Tagesordnung 4113C Beratung der Interpellation der Abg. Dr. Horlacher u. Gen. betr. Tagung des Verbandes der europäischen Landwirtschaft (CEA) (Nr. 1532 der Drucksachen) 4113C Dr. Horlacher (CSU), Interpellant . 4113D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten . . . 4116D Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neugliederung der die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete (Nr. 821 der Drucksachen) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Antrags der Abg. Hilbert u. Gen. betr. Entwurf eines Gesetzes über die Neugliederung der die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete (Nr. 1752 der Drucksachen) 4113C, 4118C Hilbert (CDU), Antragsteller . . . . 4118D Mayer (Stuttgart) (FDP), Antragsteller 4122C Dr. Seelos (BP) 4125A Farke (DP) 4126D Kiesinger (CDU) 4126D Schoettle (SPD) 4127D Freudenberg (FDP-Hospitant) . . 4129D Kohl (Stuttgart) (KPD) 4131D Dr. Hamacher (Z) 4133A Dr. Jaeger (CSU) 4134B Ausschußüberweisung 4135C Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen für die schaffende, lernende und arbeitslose Jugend (Nr. 1535 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge (33. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zum Schutze der heimat- und berufslosen Jugend (Nrn. 1681, 572 der Drucksachen) 4135D, 4141A Paul (Düsseldorf) (KPD), Antragsteller 4135D Frau Ilk (FDP), Berichterstatterin 4138A Strauß (CSU) 4138C Frau Schanzenbach (SPD) 4138D Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern . . . 4140C Erler (SPD) 4140D Beschlußfassung 4142A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung . . 4142B Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit . 4142B Ausschußüberweisung 4143B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität in Amnestiefällen (Nr. 1732 der Drucksachen) 4143C' Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . 4143C Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 4143D Dr. von Brentano (CDU) 4144A Ritzel (SPD) 4145B Schoettle (SPD) (zur Geschäftsordnung) 4146D Dr. von Merkatz (DP) 4147A Gengler (CDU) . . 4147A Beschlußfassung 4147B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Hedler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 31. Oktober 1950 (Nr. 1733 der Drucksachen) 4147B Gengler (CDU), Berichterstatter . . 4147B Beschlußfassung 4148D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität der Abg. Frau Thiele gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 2. Dezember 1950 (Nr. 1734 der Drucksachen) 4149A Dr. von Merkatz (DP), Berichterstatter 4149A Paul (Düsseldorf) (KPD) 4150A Beschlußfassung 4150B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Wönner gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950 (Nr. 1735 der Drucksachen) 4150D Mende (FDP), Berichterstatter . . 4151A Beschlußfassung 4151D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Marx gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 4. Dezember 1950 (Nr. 1736 der Drucksachen) 4151D Muckermann (CDU), Berichterstatter 4151D Beschlußfassung 4152A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Brünen gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. Oktober 1950 (Nr. 1737 der Drucksachen) 4152A Muckermann (CDU), Berichterstatter 4152B Beschlußfassung 4152C Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Nr. 1741 der Drucksachen) 4152C Margulies (FDP) 4152C Beschlußfassung 4152D Nächste Sitzung 4152D Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Heinrich von Brentano


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Meine Ausführungen stehen mit dem, was der Herr Berichterstatter vorgetragen hat, nur in einem mittelbaren Zusammenhang. Obwohl ich die verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Herr Bundesjustizminister geäußert hat, auch habe, glaube ich doch, daß hier eine Zweckmäßigkeit dafür spricht, dem Ausschuß im Sinne des Berichts eine Vollmacht zu geben.
    Es ist ein anderes, das mich veranlaßt hat, hier zu sprechen. Es ist die grundsätzliche Frage, wie das Parlament in der letzten Zeit zur Frage der Aufhebung oder Verweigerung der Aufhebung der Immunität Stellung genommen hat. Der Ausschuß hat über diese Frage ja einige grundsätzliche Beschlüsse gefaßt, und ich stelle gleich fest — um jeden Einwand vorwegzunehmen —, daß diese Beschlüsse, wie ich wohl weiß, auch mit den Stimmen meiner Freunde gefaßt worden sind. Die maßgeblichen Beschlüsse sind enthalten in dem Protokoll über die 55. Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität vom 16. Oktober 1950. Ich erspare es mir, auf diese Beschlüsse im einzelnen einzugehen. Wir sind aber der Meinung — und ich spreche hier auch für meine politischen Freunde —, daß wir uns von dieser Praxis, die das Parlament hier herausbildet und mit guten Gründen zunächst auszubilden versucht hat, wieder entfernen müssen.
    Was ist die Immunität? In der ersten Debatte über diese Frage — es war die 14. Sitzung vom 3. November 1949 — ist in sehr grundsätzlichen Ausführungen sowohl von dem damaligen Berichterstatter Herrn Kollegen Dr. von Merkatz wie auch von dem Herrn Kollegen Prof. Dr. Schmid dazu Stellung genommen worden. Beide haben damals zutreffend und mit Recht betont, daß die Immunität des Abgeordneten kein persönliches Vorrecht des Abgeordneten sei, das ihn besser stellen solle und dürfe als einen anderen, sondern daß die Immunität eine echte Prärogative des Parlaments sei, also ein Vorrecht des Parlaments, durch das es instand gesetzt wird, ein Mitglied des Parlaments vor einer Strafverfolgung zu schützen, die in ihren Auswirkungen die politische Tätigkeit des Abgeordneten behindern könnte. Das ist ja auch der geschichtliche Hergang, der zu dem Begriff Immunität geführt hat. Die Immunität ist als eine echte Reaktion des beginnenden Konstitutionalismus gegen die Kräfte des Absolutismus, als eine Reaktion gegen mögliche Übergriffe der damals nicht parlamentarisch kontrollierten Exekutive eingeführt worden. Es waren Einzelfälle, die dazu geführt haben, Einzelfälle, in denen die Exekutive auf Grund ihrer absolutistischen Befugnisse und unter Mißbrauch ihres Rechts den Abgeordneten mundtot zu machen versuchte, indem sie ihn unveranlaßt in ein Strafverfahren verwickelte.
    Meine Damen und Herren! Man kann schon die grundsätzliche Frage stellen, ob nicht die Entwicklung zur parlamentarischen Demokratie, bei der auch die Exekutive der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, die Voraussetzungen für die Institution als solche beseitigt hat, ob also überhaupt noch ein echtes Bedürfnis nach Immunität besteht;

    (Abg. Renner: Hört! Hört!)

    denn die Instanzen, gegen die der Abgeordnete geschützt werden soll, sind ja Instanzen des parlamentarischen Staates. Wir sind in unserem Grundgesetz sogar so weit gegangen, daß wir mit gutem Grund — ich habe das begrüßt — auch den Richter in einem gewissen Sinne der parlamentarischen Kontrolle unterstellt haben, indem wir die Institution der Richteranklage eingeführt haben. Wir haben also hier eine sehr weitgehende parlamentarische Kontrolle auch der Exekutive und sogar des Gerichts.
    Ich will nicht die Frage stellen, ob jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, etwa Artikel 46 des Grundgesetzes zu ändern. Ich möchte mich vielmehr auf eine Feststellung beschränken. Ich bin der Meinung, daß wir, wenn wir die bisherige Praxis beibehalten, den Sinn der Immunität in einer verhängnisvollen Weise verkehren und aus den Abgeordneten dieses Hohen Hauses eine Art Kaste machen, die Gesetzesprivilegien für sich in Anspruch nimmt, die in Anspruch zu nehmen sie meiner Überzeugung nach nicht berechtigt ist.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Ich bin der Meinung, daß es in jedem Fall, in dem ein begründeter Tatverdacht gegen einen Abgeordneten vorliegt,

    (Abg. Dr. Greve: Wirewollen Sie das feststellen?) im Interesse des Abgeordneten selbst und ebenso im Interesse dieses Hohen Hauses liegen sollte, dem Verfahren freien Lauf zu lassen.


    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Ich finde es vor allem in den Auswirkungen bedenklich, wenn der Immunitätsausschuß seinerzeit — sicherlich nach einer sehr reiflichen Überlegung; ich habe die Protokolle des Unterausschusses gelesen und ich möchte daran nicht mäkeln — den Beschluß gefaßt hat: Beleidigungen sollen, wenn sie politischen Charakters sind, nicht zur Aufhebung der Immunität führen. Hier entfernen wir uns, glaube ich, wirklich in einer bedenklichen Form von der Auffassung unserer Wähler. Wir haben im Gegensatz zu der Auffassung, wie sie hier zum Ausdruck kommt, die Absicht, den Ehrenschutz noch viel stärker 'auszubauen, als er bisher nach dem Strafgesetz gegeben war. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß der Grundsatz des Ehrenschutzes, den der Abgeordnete in Anspruch nehmen will, von ihm in gleicher Weise beachtet werden muß. Ich glaube, daß wir uns sonst auf eine gefährliche Bahn begeben, daß wir vielleicht auch in einer gefährlichen Weise der Verwilderung politischer Sitten Vorschub leisten, was sicherlich nicht die Absicht dieses Beschlusses war.


    (Dr. von Brentano)

    Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Meine Freunde und ich bitten den Ausschuß, die bisherigen Beschlüsse noch einmal zu überprüfen. Meine Freunde und ich sind entschlossen, in Zukunft in jedem einzelnen Fall, in dem der Tatbestand einer strafbaren Handlung gegeben ist, die Immunität aufzuheben

    (Zurufe links)

    — ich komme darauf zurück — und von der Verweigerung der Aufhebung der Immunität nur dann Gebrauch zu machen, wenn wirklich begründeter Anlaß besteht, daß die Strafverfolgung im Einzelfall den Abgeordneten an der ordnungsgemäßen Ausübung seiner Abgeordnetenfunktion hindern könnte. Lassen Sie mich ein Wort zitieren, das seinerzeit Herr Kollege Schmid in der Sitzung vom 3. November 1949 gebraucht hat. Er hat damals einen Ausspruch des vorsokratischen Philosophen Heraklit zitiert und hat gesagt, die Immunität der Abgeordneten sei der Nomos des Parlaments, und nach dem Worte Heraklits solle das Volk um seinen Nomos kämpfen wie um seine Mauer. Ich halte diese Feststellung für sehr gut. Ich glaube, wir alle sollten um den Nomos, um das Recht und um das Gesetz kämpfen. Das können wir als Abgeordnete nicht besser tun als dadurch, daß wir uns auch selber unter das Gesetz stellen, das für die anderen gilt.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Abg. Renner: Das war auch eine Reaktion, aber die Reaktion eines absoluten Reaktionärs! — Lachen in der Mitte.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Georg Ritzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zunächst einige kurze Bemerkungen

    (Abg. Renner: Gibt es jetzt Grundsatzdiskussion, Herr Vorsitzender? Ich habe nichts dagegen!)

    gegen die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers mache. Um was handelt es sich denn bei der Drucksache Nr. 1732? Es handelt sich darum, daß der Abgeordnete unter kein schlechteres Recht gestellt werden soll als das, das für jeden anderen Staatsbürger gilt. Um was handelt es sich konkret? Wenn dem Abgeordneten ein Delikt vorgeworfen wird, das bei einem anderen Staatsbürger auf Grund des Straffreiheitsgesetzes ohne weiteres zur Einstellung des Verfahrens führen würde, so kann die Einstellung des Verfahrens, also die Amnestie, bei einem Abgeordneten nicht angeordnet werden, weil dem die Bestimmungen über den Schutz der Immunität entgegenstehen. Wir haben uns in dem Ausschuß mit dieser Frage eingehend beschäftigt, und ich darf Ihnen sagen, wir haben uns die Arbeit nicht leicht gemacht. Wenn wir nicht zu der Auffassung des Herrn Bundesjustizministers gekommen sind, so nicht etwa deshalb nicht, weil wir die Gründe, die den Herrn Bundesjustizminister zu seiner schriftlich geäußerten Auffassung bewogen haben mißachtet hätten. Nein, wir sind — und ich glaube, es sind keine schlechteren Juristen in dem Ausschuß vertreten, als in dem Bundesjustizministerium vorhanden sind —

    (Sehr gut! links)

    einstimmig, Herr Minister, zu der Überzeugung
    gekommen, daß der in der Drucksache Nr. 1732
    vorgeschlagene Weg der richtige, der vernünftige, der praktische Weg ist, der den zweckmäßigen Ausweg ermöglicht. Ich darf aber in diesem Zusammenhang, Herr Minister, auch feststellen, daß die Entscheidung über diesen Punkt, der den Ausschuß in mehreren Sitzungen beschäftigt hat, in der Sitzung, in der die Entscheidung des Ausschusses gefallen ist, ausgerechnet in Abwesenheit eines Vertreters des Bundesjustizministeriums gefällt werden mußte.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn das Bundesjustizministerium so großen Wert darauf legt, sogar hier das Plenum mit seiner Meinung zu behelligen, wäre es für das Bundesjustizministerium zweckmäßig gewesen, zunächst einmal im Ausschuß bis zum Schluß seinen Standpunkt zu vertreten.
    Zu den Bemerkungen des Herrn Kollegen Dr. von Brentano, der den Wunsch geäußert hat, daß von der bisherigen Praxis abgegangen werden soll, darf ich sagen, daß Herr von Brentano, obwohl er offensichtlich gerade das entscheidende Protokoll vom 16. Oktober durchgelesen hat, sich doch die Begründung relativ leicht gemacht hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn Herr von Brentano die ganzen Protokolle, die auch in Unterausschußsitzungen in heißem Bemühn um die Klärung des Problems der Immunität zustande gekommen sind, auf ihren inneren Gehalt würdigen würde

    (Abg. Dr. von Brentano: Das habe ich getan!) — sehr freundlich! —, dann würde er doch nach meiner Meinung zwangsläufig zu einer anderen Auffassung kommen müssen, etwa zu der Auffassung, Herr von Brentano, die ein Herr, der Ihnen nicht fernsteht, nämlich der Herr Justizminister Dr. Süsterhenn, in dem „Rheinischen Merkur" vom 25. November 1950 geäußert hat. Ich darf Ihnen vielleicht zwei, drei gravierende Sätze aus diesem Artikel des Herrn Justizministers von RheinlandPfalz in Erinnerung rufen. Da heißt es einmal:

    Die Ablehnung der Aufhebung der Immunität sollte grundsätzlich auf die Fälle beschränkt werden, in denen es sich um Delikte handelt, die einen politischen Charakter tragen.
    Darf ich gleich daran anschließend einen Hinweis auf Ihre Bemerkung anfügen, daß Beleidigungen politischen Charakters nach Auffassung des Ausschusses nicht zur Aufhebung der Immunität führen sollten, nach Ihrer Auffassung aber in jedem Falle zur Aufhebung der Immunität führen sollten. Wir haben dieses Prinzip, daß Beleidigungen politischen Charakters nicht zur Aufhebung der Immunität führen sollten, hier im Plenum dieses Hauses bei konkreten Fällen besprochen und in der Praxis dabei die Billigung des Hauses gefunden. Wenn Sie sich nun einmal vor Augen halten, wie sehr die Flut der Beleidigungen politischen Charakters angestiegen ist, Herr Kollege von Brentano, dann werden Sie zugeben, daß daraus eine nicht absehbare Flut von Anträgen emporsteigen kann.

    (Zuruf von der KPD: In Ihren Reihen!)

    — Auch Kommunisten haben sich des Schutzes des Ausschusses und der gleichen Liebe zu erfreuen wie die anderen Mitglieder des Hauses.

    (Erneute Zurufe von der KPD. — Heiterkeit.)

    Wenn Sie diese Dinge in der Praxis genau verfolgen, dann werden Sie finden, daß auf die Dauer
    in unseren Zeitläuften eine solche Fülle von Im-


    (Ritzel)

    munitätsaufhebungen fällig wird - ich brauche nur an den bayrischen Wahlkampf zu erinnern, und ich brauche nur an die Zusammenhänge zu erinnern, die mit dem „Spiegel"-Ausschuß verbunden sind, über die wir demnächst noch zu befinden haben werden.

    (Abg. Dr. Greve: Der Justizminister versorgt die Staatsanwaltschaften doch selbst genug mit Strafanträgen!)

    — Auch der Herr Justizminister ist eifrig bemüht, uns zu beschäftigen. Er findet eine ganze Reihe von Fällen. Wir werden heute noch Gelegenheit haben, darauf zu sprechen zu kommen. Er sucht und findet, wie Goethe in dem schönen Gedicht sagt: „Er ging im Walde so für sich hin" und siehe da, er fand wieder einen neuen Fall, in dem er die Möglichkeit sah, sich beleidigt zu fühlen.

    (Abg. Dr. Greve: Er ist schon wieder auf der Suche!)

    Es handelt sich wahrhaftig nicht darum, ein Ausnahmerecht oder, wie Sie meinten, Herr Kollege von Brentano, die Abgeordneten in bezug auf die Immunitätswahrung zu einer Kaste zu machen, die ein anderes Recht habe. Nein, es handelt sich darum, dem zu genügen, was wir seinerzeit auch mit Billigung des Hohen Hauses festgestellt haben. In diesem Protokoll vom 16. Oktober heißt es ausdrücklich:
    Die Immuniät ist ein Recht des Parlaments, das zu schützen ist. Ausnahmen können in den Fällen gemacht werden, in denen das Interesse der Rechtspflege an der Strafverfolgung den Vorrang vor der Arbeitsfähigkeit des Parlaments hat.
    Darum und um gar nichts anderes handelt es sich bei der Prüfung jeder einzelnen Frage. Daß wir im übrigen im Ausschuß wahrhaftig nicht gesonnen waren und auch das Hohe Haus nicht gesonnen war, aus dieser Immunität des Parlaments, übertragen auf den einzelnen Abgeordneten, ein Privileg zu machen, mag Ihnen die Fortsetzung dieses Beschlusses vom 16. Oktober 1950 beweisen, in dem festgestellt wird, daß zum Beispiel bei Verkehrsdelikten aller Art dies Recht auf Immunität nicht in Anspruch genommen werden kann.
    Wir haben dann ausdrücklich festgestellt, daß Beleidigungen, wenn sie politischen Charakter haben, nicht zur Aufhebung der Immunität führen sollen. Wenn wir davon abgehen, meine Damen und Herren, dann werden wir mit Sicherheit eines erreichen: Wir werden die Arbeitsfähigkeit des Parlaments in erheblichem Maße gefährden mid beschränken.
    Gestatten Sie bitte, daß ich noch zwei Sätze sage zu dem bemerkenswerten Artikel des Justizministers Süsterhenn, der in anderem Zusammenhang einmal meinte, daß die Immunität auch in einem wesentlichen Zusammenhang mit der Ausübung des Abgeordnetenmandats geschützt werden soll, wenn daraus ein strafbares Delikt entstanden sei. Wir haben derartige Fälle bis jetzt relativ selten gehabt. Ich glaube aber, daß im Hohen Hause Übereinstimmung darüber besteht, daß in solchen Fällen, wenn es sich nicht um andere Tatbestände handelt, die so schwerwiegend und gravierend sind, daß sie zu einer Ausnahme von der Regel führen müßten, die Bestimmungen auch im Sinne der Ausführungen des Herrn Süsterhenn gehandhabt werden sollen.
    Schließlich meint Herr Justizminister Süsterhenn, daß die Immunität auch zu wahren sei bei Einleitung von Strafverfolgungen seitens der Exekutive unter Mißbrauch formaler Rechtsbefugnisse aus politischen Gründen und zu politischen Zwecken. Meine Damen und Herren, wenn Sie einzelne Anzeigen, die gegen Abgeordnete gerichtet werden— und ein Teil solcher Fälle wird auch heute noch das Hohe Haus beschäftigen —, auf ihren inneren Gehalt untersuchen, dann finden Sie, daß politische Tendenzen, den oder jenen mißliebigen Abgeordneten dadurch zu erledigen, daß man ihn, wie der Volksmund sagt, madig macht — bei einzelnen Verfolgungen kommen sie von privater Seite oder werden sie über einen Staatsanwalt vorangetragen —, unzweifelhaft vorhanden sind. Ich glaube, wir sollten uns darin einig sein, daß die Abgeordneten nicht Freiwild werden dürfen. Es ist schon schlimm genug, wenn es, da die Öffentlichkeit sonst kaum Kenntnis von irgendwelchen Auseinandersetzungen vor Gericht nimmt, bei einem Abgeordneten jedesmal auf der Tagesordnung des Plenums dieses Hohen Hauses heißt: „Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten X Y".
    Wir werden uns demnächst, wenn ich Ihnen das zum Schluß sagen darf, mit einem ganz markanten Fall beschäftigen müssen, der das illustriert. Ein Mitglied dieses Hohen Hauses, von Beruf Landwirt — Herr Kollege Horlacher, das geht Sie an! —

    (Heiterkeit)

    hat folgende Sünde begangen. Er hat einen Knecht. Es muß irgendeine eilige Arbeit verrichtet werden. Der Knecht kann den Traktor fahren, aber er hat nicht den Traktor-Führerschein oder wie das Ding heißt. Da hat er gesagt: „Mal los! Fahr nun mal!" Er wurde natürlich von der Gendarmerie erwischt. Der Knecht wurde mit 12 Mark Geldstrafe belegt. Die hat das Mitglied dieses Hohen Hauses bezahlt. Jetzt haben wir in Kürze über den Fall zu entscheiden: Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. X Y Warum? Wegen Anstiftung.

    (Heiterkeit. — Zuruf von der KPD: Die Justiz hat Sorgen!)

    — Bitte, meine Herren, wegen Anstiftung des Knechtes, daß er ohne Führerschein den Traktor gefahren hat.
    Ich glaube, man kann auch etwas bis zur Lächerlichkeit übertreiben, man kann auch etwas ad absurdum führen. Ich bitte Sie, versichert zu sein, daß die Arbeiten sowohl des Ausschusses als auch seines Unterausschusses in der Frage der Ausarbeitung und Herausstellung von Grundsätzen über eine vernünftige Interpretation des Immunitätsrechts des Parlaments und der einzelnen Abgeordneten von jenem Geist der Verantwortung getragen sind, der allein uns vorwärts zu helfen vermag. Ich warne davor, die Dinge in bezug auf die Lockerung der auch bisher vom Hohen Haus gebilligten Praxis allzu leicht zu nehmen.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Schoettle: Ich bitte ums Wort zur Geschäftsordnung!)