Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß Redner der verschiedensten Parteien so oberflächlich und manchmal mit einer ihrer Gesinnung entsprechenden Haltung über diese Vorlage hinweggegangen sind.
— Herr Kollege Strauß, Sie, der Sie sich „christlich" und „sozial" nennen,
Sie sollten nicht mit Propagandamethoden wie z. B. dem Verweis auf den Osten usw. über die Not der westdeutschen Jugend hinwegzutäuschen versuchen.
Sie waren es, der nach dem Deutschlandtreffen der Jugend ganz besonders darauf hingewiesen hat, daß drüben in der Deutschen Demokratischen Republik viel mehr für die Jugend getan wird
als hier in. Westdeutschland. Das kann sogar das Protokoll ausweisen.
Es ist insbesondere bedauerlich, daß die Vertreterin der Sozialdemokratischen Partei glaubte, unsern Gesetzentwurf als Propagandavorschlag abtun zu müssen. Es dürfte doch der Frau Schanzenbach als alter Sozialdemokratin nicht unbekannt sein, daß wir in der Sozialistischen Arbeiterjugend nach dem ersten Weltkrieg und auch schon vor dem ersten Weltkrieg das Wahlrecht der Jugend auf de' Grundlage von 18 Jahren diskutiert haben.
Ich kann mich jener Diskussion während der Weimarer Zeit in der Arbeiterjugend sehr gut entsinnen. Wir können auch nicht verstehen, daß Frau Schanzenbach glaubt, der Forderung auf Unterstützung der minderbemittelten Jugendlichen zum Besuch der höheren Schulen und Fachschulen nicht entsprechen zu können. Wenn Sie
als Sozialdemokratin glauben, das mit dem Hinweis auf Propaganda abtun zu können, dann- verleugnen Sie die Grundsätze der alten Sozialdemokratie.
Es gehörte zum guten Ton der alten Sozialdemokraten, dafür einzutreten, daß auch Arbeiter- und Bauernkinder in genügendem Maße die Hochschulen besuchen können. Frau Schanzenbach hat selbst gesagt, daß die Regierung praktisch nichts getan hat. In letzter Stunde glaubte man erst, durch die Verkündung des sogenannten Jugendplanes dem sogenannten Sog aus dem Osten, Herr Strauß, entgegenwirken zu müssen.
Ich sage ganz deutlich: Mit Remilitarisierung und mit Empfehlungen
des Arbeitsdienstes kann man nicht einfach die Lage der Jugend lösen. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß man in der breiten Öffentlichkeit mit aller Entschiedenheit für die Behebung der Jugendnot eintreten und kämpfen muß.
Wir müssen uns auch im Interesse der Jugend gegen jene Absichten mancher Politiker wehren, die jetzt auf dem Petersberg Geheimverhandlungen über die Beteiligung Westdeutschlands an den amerikanischen Kriegsvorbereitungen führen.
Wir wenden uns im Interesse des Friedens, der Vernunft und der Arbeit für unsere Jugend gegen diese Versuche, unsere Jugend mit dem Vorrecht, vor den Amerikanern zu sterben, nun in den Atlantikpakt eingliedern zu wollen. Wir werden nichts unterlassen, um mit der deutschen Jugend gegen die weitere Verelendung und gegen die kriegerischen Umtriebe zu kämpfen. Wir werden mit der deutschen Jugend weitermarschieren auf dem Wege des Friedens.
— Lachen Sie ruhig! Der Tag wird kommen, wo das deutsche Volk über alle diejenigen, die es in ein neues Unglück stürzen wollen, zur Tagesordnung übergehen wird. Das Volk wind die Einheit unseres Vaterlandes gegen alle Kriegstreiber durchsetzen. Dann wird der Weg frei, um auch in Westdeutschland der Jugend eine bessere und sichere Zukunft zu garantieren.