Rede von
Fritz
Erler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Es .ist Ihnen bekannt, daß die Berliner Wirtschaft erhebliche Kredite braucht, um die Betriebe in den Stand zu versetzen, trotz der ungünstigen Situation, in der sich die Stadt durch die Abschnürung von ihrem natürlichen wirtschaftlichen Hinterland befindet, ihren Produktionsaufgaben nachkommen zu können. Die Berliner Banken haben andere Voraussetzungen zu erfüllen, als es im allgemeinen im normalen Kreditgeschäft in Westdeutschland der Fall ist. Vielleicht ist dem einen oder anderen von Ihnen der humoristische Ausspruch bekannt, daß eine Bank ein Institut ist, das einem mit Vergnügen Geld leiht, wenn man ihm beweisen kann, daß man es nicht braucht. So ist es im allgemeinen. Die Banken fordern erhebliche Sicherheiten. Auch die Berliner Banken haben kein Geld zu verschenken. Auch sie müssen an die Kreditwürdigkeit ihrer Kreditnehmer die gleichen scharfen Anforderungen stellen, wie sie sonst im Wirtschaftsverkehr üblich sind.
Nun hat Berlin aus Gründen, die hier darzulegen ich nicht mehr unbedingt nötig habe — sie sind uns allen gut bekannt —, erhebliche Hilfen auch finanzieller Art erhalten, auch auf dem Kreditwege, um seinen Produktionsapparat wieder in Gang zu
4106 Deutscher- Bundestag — 108. Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950
bringen. Der Berliner Wirtschaft sind in nicht unerheblichem Ausmaße Investitionsmittel aus ERP-Krediten zugeflossen. Aber diese Kredite gelten nur für Investitionsaufgaben. Jeder, der sich etwas mit der Verwendung dieser Kredite auch in der sonstigen deutschen Wirtschaft befaßt hat, hat immer wieder die Erfahrung machen müssen, daß es sehr häufig dann den gleichen begünstigten Betrieben an den notwendigen Betriebsmitteln fehlt; denn was nützt das Geld für die Anschaffung von Maschinen, für den Ausbau von Fabrikationseinrichtungen, für den Wiederaufbau von Gebäuden, wenn man nicht gleichzeitig auch die Mittel hat, um nun die Arbeiter bezahlen zu können, um Rohstoffe einkaufen, Licht und Strom bezahlen zu können — alles das, was man für einen solchen Betrieb an Betriebsmitteln eben braucht.
Diese Lücke soll der vorliegende Gesetzentwurf schließen. Es sind darin Bundesbürgschaften bis zum Gesamtbetrage von 20 Millionen DM vorgesehen. Das Verfahren ist in den beiden beteiligten Ausschüssen des Bundestages — dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Hauhaltssausschuß — sehr eingehend erörtert worden. Wir haben die Richtlinien, die erarbeitet worden sind und die ausdrücklich in § 1 des Entwurfs erwähnt werden, gründlich durchgearbeitet und haben an Hand der Richtlinien eine Neufassung des ursprünglich vorgesehenen § 4 erarbeitet, die Sie jetzt in der Drucksache Nr. 1708 finden und die den Grundgedanken dieses Gesetzes etwas klarer zum Ausdruck bringt, als es vorher vorgesehen war.
Worauf wollen wir hinaus? — Der Bund soll Bürgschaften bis zum Gesamtbetrage von 20 Millionen DM geben. Es soll aber erreicht werden, daß in Wirklichkeit mehr an Krediten in die Wirtschaft hineingegeben wird, weil man davon ausgeht, daß nicht jeder dieser Kredite, für die eine Bundesbürgschaft in Frage kommt, nun unbedingt schwach werden soll und muß. Eine gewisse Obergrenze war jedoch erforderlich. Sie finden diese Obergrenze in § 3 des Entwurfs, in dem es heißt, daß insgesamt auf Grund dieses Gesetzes nur Kredite, für die Bürgschaften gegeben werden, bis zur Gesamthöhe von einhundert Millionen D-Mark eingeräumt werden sollen.
Außerdem sollten natürlich die kreditgebenden Institute an dem Risiko beteiligt werden, um es ihnen nicht zu leicht zu machen, aus fremden Geldern Kredite zu geben. Daher ist festgelegt, daß der Bund bei einem Ausfall unter allen Umständen - soweit er die Bürgschaft gegeben hat — nur bis zu 90 % dieses Ausfalles haftet, so daß ein Kreditinstitut die restlichen 10 % selbst tragen müßte.
Das sind die Grundlagen, die Sie in dem vorbereiteten Gesetzentwurf finden. Sie werden noch eine weitere Änderung finden, die gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage eingetreten ist. Es ist dies die Änderung, die der Ausschuß zu § 2 in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Bundesrates, denen auch die Bundesregierung in ihrem Gutachten gefolgt ist, beschlossen hat. Und zwar haben wir im § 2 die ursprünglich vorgesehene Beschränkung auf Banken, die bei Inkrafttreten des Gesetzes ihren Sitz in Westberlin hatten, sowie auf kreditnehmende Unternehmungen, die am 1. September 1950 ihren Sitz in Westberlin hatten, gestrichen. Der Grund dafür ist sehr einfach. Er ist darin zu erblicken, daß es, wie sich aus den Richtlinien ergibt, in Berlin Gott sei Dank auch neue Unternehmen gibt, die inzwischen ihre Produktion aufnehmen
und denen man doch diese Kreditquelle nicht verschließen darf. Für die Banken ist der Grund darin zu suchen, daß sich das Berliner Bankwesen im ganzen in einer erheblichen Umstellung befindet und man auch neuen Banken das Tätigwerden auf diesem Gebiet der Kreditversorgung der Berliner Wirtschaft nicht untersagen sollte.
Das sind die Grundgedanken dieses Gesetzes. Ich darf Ihnen noch mitteilen, daß die beiden Ausschüsse übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen sind, dem Bundestag die Annahme des Gesetzes in der vorliegenden Form empfehlen zu können.