Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Antrag des Zentrums, Drucksache Nr. 1648, handelt es sich um eine Forderung der Gerechtigkeit im Interesse der Gleichberechtigung zugunsten der Kriegssachgeschädigten gerade jetzt in diesem Stadium des Abschlusses der Verhandlungen über den Lastenausgleich. In den Kreisen der Kriegssachgeschädigten herrscht eine außerordentlich große, stets zunehmende Verärgerung allein über die Form ihrer Behandlung oder Nichtbeachtung. Man scheint sich in der breitesten Öffentlichkeit weder darüber klar zu sein. eine wie große Zahl von Betroffenen dadurch berührt wird, noch auch wie groß und bitter die Not in ihren Kreisen ist. Denn obwohl man viel über die Bedürfnisse und Nöte der Personenkreise, die durch den Krieg besonders gelitten haben. gesprochen hat, ist doch fast nie von den Ausgebombten, von den Kriegssachgeschädigten — dabei sind auch die Währungsgeschädigten zu erwähnen —, also von Sachgeschädigten aller Art die Rede gewesen.
Zunächst verlangen wir eine formelle Sache, daß sich nämlich eine besondere Abteilung des Innenministeriums der Interessen, der Nöte und der Belange dieses Kreises eigens annimmt. Wir haben für die Flüchtlinge ein besonderes Ministerium, und wir sind der Ansicht, daß dieses Ministerium wegen der Interessenkollision, die sich an verschiedenen .Stellen ergeben könnte, nicht geeignet ist, sich der Interessen der Kriegssachgeschädigten — im weiteren Sinne rechne ich die Währungsgeschädigten dazu — anzunehmen. Deswegen sollte man die Abteilung des Innenministeriums, die es jetzt schon gibt und die sich bisher nur am Rande und nebenbei mit den Fragen dieses Personenkreises zu beschäftigen hatte, dementsprechend ausbauen.
Das Gefühl der Geschädigten, bei den bisherigen Verhandlungen einfach übergangen, überfahren worden zu sein, verträgt sich nicht mit dem Anspruch unseres Landes und unseres Staates darauf, ein Rechtsstaat und außerdem sozial ausgerichtet zu sein. Bei den Lastenausgleichsverhandlungen insbesondere zeigte es sich, daß man die Vertretungen der so Geschädigten überhaupt nicht einmal angehört und nicht hinzugezogen hat. Heute habe ich noch mit Herrn Minister Mattes gesprochen, er ist nicht dazu gehört worden. Ich weiß nicht, Sie haben vielleicht angenommen, es ist ein kleiner, nebensächlicher Verband.
Die Frage verdient jedenfalls eine besondere Abteilung, da man für die Fragen der Vertriebenen ein ganzes Ministerium zur Verfügung hat.
Im übrigen ist nicht einzusehen, warum man zwar einen Beirat der Fliegergeschädigten hat—und
dieser Beirat ist notwendig, das bezweifle ich keineswegs —, dagegen einen Beirat für die Kriegssachgeschädigten nicht hat. Deswegen verlangen wir die Einrichtung eines solchen Beirats.
Der dritte Punkt unseres Antrages betrifft die Fahrpreisvergünstigungen. Das ist eigentlich nur ein Teil, eine einzelne Forderung, deren es im Grunde Dutzende gäbe. Es wäre Sache dieser neu einzurichtenden Abteilung, die Gleichstellung der Kriegssachgeschädigten, der Bombengeschädigten, der Ausgebombten, d. h. aller unter dem Krieg bzw. den Kriegsfolgen Leidenden herbeizuführen, soweit das angemessen ist. Es scheint völlig übersehen worden zu sein, als man an die Fahrpreisvergünstigungen z. B. für die Vertriebenen dachte, daß es auch zig Tausende gibt, die als Evakuierte fern von ihrer früheren Wohnstätte, von ihrem Familienkreis, von ihrem früheren Geschäftskreis wohnen und die auch das Bedürfnis haben, gelegentlich diese alten Stätten, an denen sie womöglich ihr Leben lang gearbeitet haben, wiederaufzusuchen, sich mit ihrem früheren Freundes- und Verwandtenkreis in Verbindung zu setzen oder sich wieder dorthin zurückzuziehen. Wie sollen sie das machen? Mit den 70 Mark Soforthilfebeitrag, die sie im Monat kriegen und die in Wirklichkeit weder Hilfe noch „sofort" waren, sondern die nur zur Entlastung der Gemeinde gedient haben? Den Leuten kann es völlig egal sein, ob sie eine Lastenausgleichsforderung auf monatlich 70 Mark haben oder ob sie in gleicher Höhe früher Wohlfahrtsunterstützung bezogen. Also diese Leute sind nicht in der Lage, die Kosten einer für sie notwendigen Reise aus den Bezügen, die sie jetzt als schmalste Abschlagszahlung aus der Soforthilfe bekommen, zu bestreiten.
Aus diesen Gründen bitten wir das Hohe Haus, gemäß unserem Antrag Drucksache Nr. 1648 zu beschließen. Man möge uns nicht etwa einwenden, daß das besondere Kosten verursache. Zumindest sind diese Kosten nicht sehr hoch, zumal die einzurichtende Abteilung ohnehin vorhanden ist. Wenn man aber trotzdem glaubt, diese Seite der Sache in Betracht ziehen zu müssen, möchte ich empfehlen, entsprechende Einsparungen in den bekannten drei überflüssigen Ministerien vorzunehmen, von denen sich das eine inzwischen den wundervollen Spitznamen „ Ümaz", nämlich „überflüssigstes Ministerium aller Zeiten" verschafft hat. Dort wird bekanntlich ein Referent mit Kulturfragen beschäftigt, der sich aber in Wirklichkeit mit Parteirundbriefen befaßt. Wenn diese Abteilung jetzt neu besetzt wird, sollte man sie lieber damit beschäftigen, sich um die Angelegenheiten der Kriegssachgeschädigten zu kümmern.