Rede von
Georg
Stierle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem Antrag des Zentrums auf Druck-
sache Nr. 1539. Wir stimmen diesem Antrag vorbehaltlos zu. Der Antrag Drucksache Nr. 1552 der KPD, der die Bereitstellung von 70 % des erstellten Wohnraumes zur freien Verfügung der Wohnungsämter fordert, und zwar ohne das Verlangen nach Baukostenzuschüssen bzw. Mietvorauszahlungen, ist an sich berechtigt. Natürlich geht in der Regel jetzt der sozial schwächste Teil leer aus. Aber Herr Paul hat ja selbst schon darauf hingewiesen: Das Problem besteht darin: woher kommt die fehlende Restfinanzierung? Mit dieser Forderung, 70 % Wohnungen für diesen Kreis freizustellen, allein ist es nicht getan. Dann müßte die Fraktion der KPD in den Antrag hineinnehmen: Für diese 70 % übernehmen Bund, Länder oder Gemeinden die fehlende Restfinanzierung.
- Ja, das müssen Sie tun. So allein ist das mehr oder weniger platonisch, ähnlich wie ja auch die Bestimmung im Wohnungsbaugesetz platonisch ist, wo es heißt: „ein angemessener Teil der erstellten Wohnungen ist für solche Personenkreise freizuhalten, die nicht zum Eigenkapital beitragen können". Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das Hauptamt für Soforthilfe anfänglich auch solche Auflagen gemacht hat unter Außerachtlassung des Problems, woher die Restfinanzierung kommt. Als man dann aber darauf kam, daß hier eine empfindliche Lücke besteht, hat man dort den Betrag von 40 Millionen DM ausdrücklich zur Aufbringung des fehlenden Eigenkapitals zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich darauf hinweisen, daß man in dem Antrag der CDU CSU sagt: Wenn es sich um Mietwohnungen handelt, wird der Betrag von 1 000 DM pro Wohneinheit gegeben, wenn es sich um Eigentum handelt, der Betrag von 1 500 bis 2 000 DM. Auch das ist schon eine bevorzugte Berücksichtigung der Kreise, die nach Eigentum streben.
Nun zu der vorliegenden Interpellation und dem Antrag der CDU. Wir begrüßen diese Interpellation, weil sie uns Gelegenheit gibt, die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaues gerade in dieser sozial so furchtbar angespannten Zeit noch einmal mit allem Nachdruck in den Vordergrund zu rücken. Uns bewegt — und der Kollege Lücke hat das schon sehr eindringlich betont — die bange Frage: Was wird aus dem sozialen Wohnungsbau im Jahre 1951 angesichts der gewaltigen Ausgaben, die auf uns zukommen und die wir tragen müssen? Die Wohnungsnot ist die sozial schlimmste Not unserer Zeit. Daraus ziehen wir die Schlußfolgerung und halten einmütig daran fest: der soziale Wohnungsbau muß die Aufgabe Nr. 1 bleiben.
Unter keinen Umständen darf der soziale Wohnungbau etwa durch den Kasernenbau in den Hintergrund gedrängt werden.
Nun, meine Damen und Herren, welche Aussichten bieten sich aber nun für diesen sozialen Wohnungsbau, dessen Notwendigkeit wir alle einmütig einsehen? Die Baukosten sind ständig und rasch im Steigen. Dazu kommt die Verknappung der Baustoffe. Die Finanzierung des Wohnungsbaues für das Jahr 1951 ist noch keineswegs sichergestellt. Wir sind in berechtigter Sorge, ob wir den im Jahre 1950 erreichten Stand auch im Jahre 1951 werden halten können. Einige Symptome dafür, wie die Lage ist:
Im Wohnungbauministerium trägt man sich mit dem Gedanken, die Bundesmittel aushilfsweise in den erststelligen Raum zu geben — obwohl sie j a als nachrangige Mittel gedacht sind —, weil der Kapitalmarkt als solcher noch zu schwach ist, die erforderlichen Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung stellen zu können. Man hat dabei die Hoffnung, daß mit der Erholung des Kapitalmarktes dann später eine Ablösung oder Umquartierung dieser Mittel möglich sein wird. Im Wohnungsbauministerium trägt man sich mit der Absicht oder mit Plänen, Einfachst- oder wie man sagt Schlichtwohnungen zu schaffen. Wenn diese Pläne aus der Not der Zeit heraus verwirklicht werden, dann, glaube ich, wird zwangsweise einem Teil der Interpellation der CDU entsprochen, die sich ja gegen mehrgeschossige Wohnblocks wendet. Denn diese Einfachstwohnungen und Schlichtwohnungen werden so leicht gebaut sein, daß man sie nur einstöckig, allerhöchstens zweistöckig, wird bauen können.
- Ja, aber ich glaube, daß die Not der Zeit dahin führen wird.
Das ist die rauhe Wirklichkeit, der wir gegenüberstehen. Wir befürchten, daß im Jahre 1951 weniger Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen, obwohl uns das erste Wohnungsbaugesetz verpflichtet, die erreichte Leistung zu steigern. Aber wir wollen uns doch auch darüber klar sein: Selbst, wenn wir die gleichen Mittel wie im Jahre 1950 zur Verfügung hätten, steht es heute absolut fest, daß wir damit angesichts der enormen Verteuerung der Baukosten insgesamt nicht gleich viel werden bauen können.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auf eines hinweisen: Als die Geschichte mit der Preissteigerung anfing, hörten wir aus prominentem Munde sehr zuversichtliche, zum Teil sogar sehr starke Worte. Naive Gemüter mußten damals befürchten, daß einer . unserer Minister zum Totschläger würde; denn er hat angekündigt, wenn das mit dieser Preissteigerung nicht aufhöre, dann werde er diese Burschen mit Ware totschmeißen. Ein anderer Kollege von ihm hat erklärt: „Es ist Zeit, und wir sind bereit dazu, Exempel zu statuieren.
Wir werden bereit sein, einigen dieser Burschen die Bude zu schließen." Und einer der Kollegen sagte: „Es ist eine unverantwortliche und unbegründete, profitsüchtige Preissteigerei."
Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß es darum sehr still geworden ist. Dafür haben wir dann aber um so mehr Worte auf anderer Ebene erlebt; nämlich man hat Konferenzen abgehalten, Konferenzen der Bauträger sowohl auf der örtlichen als auf der bezirklichen als auf der Länderebene und der Bundesebene, um auf die Preisgestaltung Einfluß zu nehmen. Es war von vornherein abzusehen, daß das ergebnislos sein würde. Es kam auch bis heute praktisch nichts dabei heraus. Ich meine, wenn schon in 1950 die Tendenz vorhanden war, kleine Wohnungen zu bauen und den Stockwerksbau zu bevorzugen, dann scheint mir das nicht die böse Absicht oder
Kurzsichtigkeit irgendwelcher Stellen zu sein, sondern es scheint angesichts der geschilderten Umstände eine notwendige Entwicklung zu sein. Ich befürchte, daß diese Tendenz sich auch in 1951 verstärkt fortsetzen wird. Ich glaube nicht, daß die Baubehörden bzw. die Bewilligungsstellen aus Vernarrtheit in irgendeine Bauweise die eine bevorzugen und die andere hemmen, wobei ich Ausnahmen gern einräumen will. Ich glaube, daß die Not der Zeit dahin drängt. Ist es denn nicht so, meine Damen und Herren — zumindest, die Sie mit vom Fach sind —, daß der Bauherr selber es in der Regel ist, der „hoch hinaus" will, besser: hoch hinaus muß, weil er j a die Rentabilität der Objekte auf alle Fälle sichern muß? Er muß auf einem gegebenen Bauplatz mit den vorhandenen Mitteln die notwendige Zahl der Wohnungen erstellen, damit das Objekt ertragfähig wird. Nur zu oft erleben wir doch, daß ein Konflikt zwischen der Baubehörde und dem Bauherrn entsteht, indem nämlich die Baubehörde auf Grund ihrer Bauordnung nur eine zwei- oder dreigeschossige Bauweise zulassen will, während der Bauherr sagt: Da komme ich nicht zurecht, ich muß vier- oder gar fünfgeschossig bauen.
Meine Damen und Herren! So sehe ich und so sehen meine Freunde die rauhe Wirklichkeit für den sozialen Wohnungsbau: weniger an Geld, weniger an Baumaterial, weniger an Bauland. Herr Kollege Lücke hat schon auf die Bedeutung des Baulandbeschaffungsgesetzes hingewiesen, gerade auf seine Bedeutung für den Aufbau der Stadtkerne. Aber das ist es nicht allein, was daranhängt. Werden die Stadtkerne aufgebaut, ist uns die Möglichkeit gegeben, die Evakuierten wieder in die Städte zurückzuführen. Damit tritt die Entlastung des Landes draußen ein, und damit wird für die so notwendig durchzuführende Umsiedlung Platz geschaffen.
Um das Bild, das sich uns hier bietet, abzurunden, darf der Hinweis darauf nicht fehlen, daß sich hier ein liebliches Chaos in der Bauwirtschaft anbahnt. Es ist doch heute bereits so, daß eine Unzahl von Auftraggebern auftritt, Besatzungsstellen, die ihre Bedürfnisse so schnell wie möglich und unter Außerachtlassung der Kostenfrage verwirklicht sehen wollen. Beispiele dafür hat der Kollege Lücke in drastischer Weise gegeben. Hier eilt es, hier spielen die Kosten keine Rolle. Daneben gibt es deutsche Stelle, die vielfach mit der gleichen Aufgabe betraut sind. Dann ist die öffentliche Hand mit dem Behördenbedarf da. Daneben stehen die privaten Bauherrn, die ihre Geschäftspaläste, ihre Kinos, ihre Restaurants usw. schnellstens erstellen wollen, weil sie ja Geschäfte machen wollen. Daneben humpelt dann der private Bauherr, der Wohnungen bauen will und mit allerhand Hürden zu rechnen hat, sowie der soziale Wohnungsbau. Wir erleben doch jetzt bereits ein liebliches Wettrennen auf diesem Gebiet, sowohl um die Arbeitskräfte als auch um das Material, ganz abgesehen von dem Geld. Hier muß sehr schnell mit starker Hand ordnend eingegriffen werden. Bei der Aversion gegen das Wort ,,Planwirtschaft" will ich es hier absichtlich vermeiden. Aber ich glaube, alle Fachleute sind sich darüber klar, daß hier Ordnung geschaffen und eine Stelle errichtet werden muß, bei der alle diese Aufgaben zu koordinieren sind. Wenn das nicht schnellstens geschieht, sehe ich für den sozialen Wohnungsbau im kommenden Jahr ziemlich düster. Vielleicht erfreut den Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard diese Situation. Er hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, und sie ist vielleicht ganz nach seinem Herzen. Denn seine Leitmotive sind ja: Freies Spiel der Kräfte, das Gesunde und Starke wird sich durchsetzen. Ich bedaure nur, nicht sagen zu können, daß der soziale Wohnungsbau der stärkste Teil in diesem ganzen Spiel ist. Deswegen befürchte ich, daß er dabei unter den Schlitten kommen wird.
— Ich komme sofort zum Schluß.
Ich glaube also, hier liegt Material für eine ganze Reihe wichtiger und dringlicher Interpellationen vor, die an die Regierung zu richten wären. Die vorliegende Interpellation wünscht größere Wohnungen, stärkere Betonung des Eigentums in der Form der Eigenwohnung, des Eigenheims, der Kleinsiedlung. Wer von uns wünscht das nicht? Ganz unbestreitbar ist das Eigenheim, Glas eigene Haus und der Garten die ideale Form des Wohnens. Wie stark dieser Wunsch in der Bevölkerung verankert ist, das sehen wir an dem starken Zuwachs der Tätigkeit der Bausparkassen. Das kommt auch in dem Gesetz zum Ausdruck, das jetzt dem Bundestag vorliegt, nämlich in dem Gesetz, das die Eigentumsverhältnisse an der einzelnen Wohnung sichern soll. Wir wollen uns darüber klar sein, wer solche Wohnform anstrebt, nimmt damit auch erhöhte Opfer in Kauf, sei es in der Form der höheren Eigenleistung, sei es in der Form der höheren Eigenkapitalerbringung. Angesichts der riesenhaften Not, die wir um des sozialen Friedens willen beseitigen müssen — dessen Erhaltung nicht der unwichtigste Beitrag der Verteidigung ist, den wir leisten können —, ist es leider nicht möglich, diese Form des Eigentums in noch größerem Maße durch die Zuteilung öffentlicher Mittel zu begünstigen. Eine Benachteiligung dieser Wohnform in der Zuteilung der Mittel ist selbstverständlich abzulehnen. Ebenso ist zu unterbinden — hier sind wir mit den Interpellanten völlig einig daß mit.. öffentlichen Mitteln Wohnungen gefördert werden, die kleiner sind, als in dem ersten Wohnungsbaugesetz vorgesehen ist. Auch wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie für größere Wohnungen für kinderreiche Familien auch die dafür erforderlichen zusätzlichen Mittel bereitstellt.