Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, dann stelle ich den Antrag Nr. 1697 zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: es kommen hier so viele Wünsche wegen Veränderungen der Tagesordnung und Absetzungen, daß man langsam ein besonderes Büro für diese Zwecke einrichten muß.
Mir ist weiter mitgeteilt worden, daß der zuständige Ausschuß des Bundesrats und der Bundesrat heute noch über Punkt 16 der Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß- Berlin beraten wollen. Es ist gebeten worden, diesen Punkt möglichst frühzeitig zu erledigen. Sind wir in der Lage, diesen Punkt der Tagesordnung jetzt zu erledigen?
— Offenbar nicht. Ich werde mich bemühen, ihn so frühzeitig wie möglich zu erledigen, und bitte, mir mitzuteilen, wann die Möglichkeit dazu besteht.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau ,
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Lücke, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU betreffend Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten über Antrag und Interpellation vor.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Lücke, zur Begründung der Interpellation und des Antrags das Wort zu nehmen.
Lücke , Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem Eindruck der Diskussion von vorhin stehend,, möchte ich sagen: Das Thema sozialer Wohnungsbau ist sehr nüchtern und durch jene Männer hervorgerufen, die vorhin hier und da anscheinend etwas zu lebhaft verteidigt worden sind.
Wir sind hier angetreten — und darum geht es bei diesem Thema —, die Not zu beseitigen, die zweifellos jene verursacht haben.
Wenn wir gestern in den Ausschüssen für Bau- und Bodenrecht und für Wiederaufbau und Wohnungswesen eine der ernstesten Diskussionen der politischen Parteien darüber hatten, wie wir das kommende Wohnungsbauprogramm finanzieren sollen, dann aus der Verantwortung und dem Wunsch, die 10 bis 15 Millionen Menschen, die heute durch die Schuld jenes unseligen Regimes zum Teil noch in Bunkern und Erdlöchern hausen, nächste Weihnachten wieder menschenwürdig untergebracht zu haben.
Unter diesem Eindruck darf ich Ihnen die auf der Drucksache Nr. 1676 vorliegende Interpellation der CDU/CSU-Fraktion betreffend Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau und zugleich den zur Interpellation gestellten Antrag auf Drucksache Nr. 1705 betreffend Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau begründen.
Die Erfolge des Bauprogramms im letzten Baujahr sind erfreulich. Die gesamte deutsche Bevölkerung hat angesichts der ungeheuren Wohnungsnot bewiesen, daß sie mehr zu leisten imstande ist, als wir selbst erwarten konnten. Es wurden etwa 350 000 Wohnungen erstellt, davon für den sozialen Wohnungsbau etwa 230- bis 240 000 Wohnungseinheiten. Das ist, gemessen an den besten Friedensleistungen im Gebiete der Bundesrepublik, die mit 180- bis 200 000 Wohnungseinheiten beziffert werden, angesichts der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zweifellos eine große Leistung. Dennoch konnten bei den gemachten Anstrengungen nur 6 bis 7 % der Wohnungsuchenden mit einer Wohnung versehen werden. Die Aufgabe der Lösung der Wohnungsnot wird von Tag zu Tag brennender, weil 12 bis 15 Millionen Menschen ohne Wohnung die Wohnungsnot bereits 4 bis 5 Jahre mitmachen müssen. Wir haben also im letzten Jahr etwa 6 bis 7 % des erforderlichen Wohnungsbedarfs lösen können.
In diesen Tagen beraten die Bundesregierung und der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen des Bundestages über das Bauprogramm für das neue Baujahr. Unsere Länder haben das Bauprogramm zum 1. Oktober eingebracht, weil wir im Frühjahr bei der Beratung des Gesetzes der Auffassung waren, die Bauprogramme und die Baufinanzierung müßten um die Weihnachtszeit sehr klar sein, damit man im kommenden Frühjahr planmäßig mit der Arbeit beginnen könnte. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal — ich glaube, auch im Namen des Ausschusses — zu dieser Frage einen dringenden
Appell an die Bundesregierung dahin richten, daß die Finanzierung des Bauprogramms für das nächste Jahr in der kommenden Kabinettssitzung gesichert werden möge.
Wir haben uns in unserer Interpellation im wesentlichen mit dem Grundgedanken der Schaffung familiengerechter Wohnungen befaßt. In steigendem Ausmaße — wenn Sie die Interpellation zur Hand nehmen, kann ich mich hier und da etwas kürzer fassen — beobachten wir Tendenzen, die im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestgrößen für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus zu unterschreiten. Gegen diese Entwicklung wenden wir uns mit aller Entschiedenheit. Die Wohnung stellt den Lebensraum für die Familie dar, die Familie, die in unserem Grundgesetz unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt worden ist. In einem nicht mehr vertretbaren Ausmaß werden Kleinstwohnungen mit ein, zwei, nun auch mit drei Räumen einschließlich Küche oft in mehrgeschössigen Wohnblocks errichtet, also Wohnungen, die nicht den erforderlichen Lebensraum für eine gesunde Familie bieten.
Wir wenden uns nicht gegen die Schaffung von ausreichendem Wohnraum für alleinstehende Frauen und kinderlose Ehepaare; im Gegenteil, diese Forderung ist bei der Beratung des Wohnungsbaugesetzes auch von unserer Fraktion dringend erhoben worden. Wir fordern nur, daß sich der Wohnungsbau nicht ausschließlich von finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten leiten läßt,
sondern daß im Mittelpunkt der Wohnbaupolitik
unseres Bundes — das war das Anliegen des Ausschusses und unseres Gesetzes — die Familie steht,
die Familie so, wie wir sie uns vorstellen, daß sich
also die Wohnungspolitik nach der Familie richtet.
Wir wünschen also, daß nicht die Familie sich nach den Wohnungen zu richten hat, sondern wir fordern, daß die Wohnungen sich nach den Familien richten.
Ich habe in den letzten Monaten Gelegenheit genommen, mit einem Teil unserer Freunde aller Parteien in verschiedenen Städten Deutschlands, in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Berlin usw., die Wohnungsneubauten zu besichtigen. Ich darf Ihnen sagen: es geschieht unendlich viel Erfreuliches. Besonders erwähne ich hier die Selbsthilfeorganisationen der Flüchtlinge und Ausgebombten, die dabei sind, mit eigener Kraft anzufangen. Demgegenüber ist jedoch eine Grundanschauung zu beobachten, die, dem Weg des geringsten Widerstandes folgend, aus rein rationalen Überlegungen Kleinstwohnungen baut, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen, für die diese Wohnungen geschaffen werden sollen.
Was verstehen wir nun unter familiengerechten Heimen? Eine Wohnung — es ist jetzt gleichgültig, ob Mietwohnung, Eigenheimwohnung oder Kleinsiedlung —, die es ermöglicht, ein Familienleben auch mit drei, vier, fünf, sechs und sieben usw. Kindern zu entwickeln.
Wenn in manchen Zeitschriften in Deutschland häufig gesagt wird, der Wille zum Kind fehle bei unserer Bevölkerung, so darf ich Ihnen demgegenüber die Mitteilung machen, daß in meinem Wahl-
kreis unser verehrter Herr Bundespräsident dreimal beim achten Kinde Pate werden mußte. Wir freuen uns darüber, daß unser Volk durch alle Schwierigkeiten hindurch dennoch nicht gewillt ist, die Bereitschaft zum Kind aufzugeben.
In Dreiraum-Wohnungen einschließlich Küche kann sich ein derartiges Familienleben nicht entwickeln. Wir müssen daher dringend fordern, daß die von uns in Übereinstimmung mit allen Parteien im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Wohnungsgrößen ausgeschöpft werden und mehr, als es bisher geschehen ist, in der Wohnungspolitik der Gedanke des familiengerechten Heimes beachtet wird.
Ich habe in meiner Ausschußtätigkeit zahllose Beschwerden darüber erhalten, daß die festgesetzten Mindestgrößen von den Ländern unterschritten worden sind. Solche Beschwerden kamen insbesondere aus Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Württemberg. Für das kommende Baujahr wünschen wir, daß seitens des Bundesministers für den Wohnungsbau alles getan wird, um zu erreichen, daß die im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestgrößen des sozialen Wohnungsbaues eingehalten und nicht unterschritten werden. Wir wünschen nicht, daß durch eine derartige Politik unser Volk auf einen niedrigen Kulturstand zurückgeführt wird. Die Förderungsrichtlinien der Länder bedürfen dringend einer Vereinheitlichung und Ausrichtung nach den Grundsätzen des Ersten Wohnungsbaugesetzes.
Unsere Forderung nach Errichtung familiengerechter Wohnungen bezieht sich nicht nur auf Kleineigenheime und Reihenhäuser, sondern auch auf Wohnungen in mehrgeschossigen Wohnblöcken, die als Mietwohnungen oder im Rahmen des Wiederaufbaus errichtet werden. Sowohl die gemeinnützigen Wohnungsbauverbände wie die privaten und öffentlichen Bauträger müssen seitens des Bundeswohnungsbauministeriums veranlaßt werden, die Grundforderung nach dieser familiengerechten Wohnung ihrerseits als das oberste Anliegen zu sehen und den Gedanken der Gemeinnützigkeit wieder in den Vordergrund zu stellen, so wie der Gedanke der Gemeinnützigkeit begriffen und verstanden werden will.
Es ist unvertretbar, daß wir unsere jungen Familien — Heimkehrer und Kriegsopfer, die nun nach langen Kriegsjahren zurückkehren — automatisch in diese verfluchten zwei Räume stecken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dort verkümmern unsere Ehen, auf die dieser Staat sich gründen möchte, und darum fordern wir, daß auch den jungen Familien der Lebensraum gegeben wird, den sie brauchen.
Wir sollten uns bei der Betrachtung dieser Frage vor Augen halten, daß eine Wohnung normalerweise eine Lebensdauer von etwa hundert Jahren hat und daß die Wohnungen, die wir heute schaffen, auch in hundert Jahren noch so sein werden, wie wir sie heute bauen. Ich warne die Wohnungsbaugesellschaften aller Art, sich dem Gedanken der Kleinstwohnung stärker zu verschreiben, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen allein in einigen Jahren bei normaler Entwicklung unseres Wirtschaftslebens diese Wohnungen einfach nicht mehr werden vermieten können.
Ich möchte nun noch ein Wort zu der Forderung auf Förderung der Wohnungen für kinderreiche Familien sagen. In § 17 des Ersten Wohnungsbaugesetzes in Verbindung mit § 7 Abs. 2 ist vorgesehen worden, daß die Wohnflächen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues bis zu einer Größe von 120 qm überschritten werden können, wenn sie zur Unterbringung einer größeren Familie gedacht sind. Die von uns bisher gemachten Feststellungen und Beobachtungen haben ergeben, daß Wohnungen für kinderreiche Familien im letzten Jahr in der Praxis kaum gebaut worden sind. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die dazu benötigten zusätzlichen öffentlichen Mittel nicht bereitgestellt worden sind.
In verschiedenen Bezirken durchgeführte Umfragen haben ergeben, daß wir noch etwa 4 bis 5 % Familien haben — es handelt sich hier um den Personenkreis, der eine Wohnung braucht die vier und mehr Kinder haben bzw. ihr Ja dazu geben. Das besagt, daß der Personenkreis, der hier angesprochen ist, an sich schon sehr klein ist. Ich glaube, diese Ziffer sollte auch in anderem Zusammenhang zu denken geben. Darum haben wir in unserem Antrag zur Interpellation die Forderung aufgestellt:
Die Bundesregierung wird ersucht, die für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Bundesmittel gemäß § 14 Absatz 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 mit der Auflage zu verteilen, daß ein angemessener Anteil dieser Mittel von. den Ländern zum Bau von Wohnungen für kinderreiche Familien unter Ausnutzung der im Ersten Wohnungsbaugesetz für solche Fälle zugelassenen größeren Wohnfläche Verwendung finden muß. Um die Mieten solcher Wohnungen für kinderreiche Familien tragbar zu gestalten, sind die öffentlichen Mittel im nachstelligen Beleihungsraum erhöht - gegebenenfalls zinslos — einzusetzen.
Ich glaube, wenn diese Grundforderung beachtet wird, werden wir im kommenden Jahre den Bedarf der kinderreichen Familien an Wohnungen, die für diese Familien auch finanziell tragbar sind, befriedigen können.
Wenn wir des weiteren den Grundgedanken des Eigentums an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen in der Interpellation angeschnitten haben, dann sehen wir die Begründung darin, daß so wenig Wohnungen in Eigentum geschaffen werden, da die gesamte Konstruktion unserer Wohnungswirtschaft einfach dazu führen muß, in steigendem Ausmaß Mietwohnungen zu errichten. Nur eine Ziffer hierzu, weil die endgültigen statistischen Unterlagen des letzten Jahres noch nicht vorliegen! Bei der Aufteilung der Finanzierungshilfen gemäß § 10 Abs. 2 der Weisung des Hauptamtes für Soforthilfe vom 6. 11. 1950 sind von den Mitteln aus diesem Fonds in Hamburg 10 % in Eigenheime und 90 % in Mietwohnungen geflossen; in Nordrhein-Westfalen ist das Verhältnis 50 zu 50 und in Baden 40 zu 60. Wenn wir auch berücksichtigen, daß es in unseren Städten nur in beschränktem Umfange möglich ist, Kleineigentum zu erstellen, so sollte doch diese Grundforderung nach Schaffung von Kleineigentum für die breiten Volksschichten nicht in Vergessenheit geraten. Wenn wir in der Zukunft den Gedanken des
turns überhaupt erhalten wollen, muß das vorhandene Eigentum auf möglichst breite Volksschichten verlagert werden. Die besondere Not unserer Ostvertriebenen, der Ausgebombten, der Kriegsbeschädigten, der Heimkehrer und der jungen Familien bietet eine geradezu ideale Möglichkeit, dort, wo es möglich ist, dieses Kleineigentum in Form von Siedlungen, Eigenheimen und Eigenwohnungen in Reihenhäusern zu schaffen.
Es geht bei dieser Frage weiter im besonderen darum, soweit es möglich ist, diese Menschen wiederum mit dem Boden in Verbindung zu bringen. Hierzu benötigen wir dringend — das darf ich auch in diesem Zusammenhang sagen — das für den 30. September zugesagte Baulandbeschaffungsgesetz. Die vom Land Nordrhein-Westfalen im Anschluß an das Erste Wohnungsbaugesetz im letzten Jahr herausgegebenen Bestimmungen zur Förderung des Kleinwohnungsbaues beweisen, daß diese Bestimmungen geradezu eigentumsfeindlich sind. Wenn nach diesen Bestimmungen ein Anspruchsberechtigter des sozialen Kreises, der im Wohnungsbaugesetz festgelegt worden ist, ein Kleineigenheim bauen wollte, mußte er im Gegensatz zu demjenigen, der eine Mietwohnung baute, statt 10 % 20 % Eigenkapital aufbringen, das gerade dieser Personenkreis nicht hat. Er bekam daneben weniger öffentliche Mittel, als wenn er ähnliche Wohnungen auf dem Wege der Volkswohnungen als Mietwohnungen erstellt hätte.
Ich darf erfreut feststellen, daß das Land Nordrhein-Westfalen diese Bestimmungen in der Zwischenzeit grundlegend an die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes angeglichen hat. In unserem Wohnungsbaugesetz steht nämlich, daß neben den öffentlichen und privaten gemeinnützigen Bauträgern der private Bauherr — das ist derjenige, der sich ein Kleinsiedlungshaus, ein Eigenheim, schaffen will — gleichberechtigt steht. Wir müssen aber heute feststellen, daß eben dieser private Bauherr kaum oder gar nicht zum Zuge kommt. Einer der Gründe dafür, meine Damen und Herren, ist dieser unendlich starre Formalismus der Baugenehmigungsverfahren; dieser wirkt hier hinderlich.
Es ist ein Vorurteil, daß solche Wohnungen im Kleineigenheim-, im Kleinsiedlungsbau in Beziehung auf die Quadratmeter-Wohnfläche — das ist das Entscheidende — teurer würden als Mietwohnungen. Eine solche Beurteilung stimmt nicht, vor allem 'dann nicht, wenn wir die starke Bereitschaft zur Selbsthilfe des eben erwähnten Kreises an dem Erwerb von Kleineigentum einrechnen.
Unsere Forderungen sind daher folgende: erstens daß wesentlich mehr, als es bisher geschehen ist, Eigentum an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen geschaffen wird; zweitens daß die Aktivierung der Selbsthilfe draußen im Lande in stärkerem Maße als bisher erfolgen muß; drittens, daß die Genehmigungsverfahren, also die formalen Bestimmungen für den Bau von Kleinwohnungen und überhaupt für den Wohnungsbau, weiterhin wesentlich vereinfacht werden.
Ich darf hier das praktische Beispiel des Maurers B., eines Flüchtlings, vortragen. Es zeigt, wie der Bau eines Eigenheims erschwert ist. Der Maurer B. hatte gebeten, den für seinen Wohnungsanspruch zur Verfügung gestellten Geldbetrag zum Bau eines Kleineigenheims benutzen zu dürfen, zumal er als Maurer in der Lage war, mit seinen Kollegen in Selbsthilfe ohne Inanspruchnahme weiterer Mittel dieses Kleineigenheim zu errichten. Der Maurer hatte in seiner Heimat ein Kleinsiedlungshaus. Er wurde nun gezwungen, diesen Betrag einem Wohnungsunternehmen auszuzahlen und mußte eine recht teure Mietwohnung nehmen. Sie wissen ja, die Mietsätze des sozialen Wohnungsbaus sind für breite Schichten des Volkes kaum zu tragen. Wenn dieser Mann am Schluß in seiner schlichten Art mir sagte: „Aber man will doch wieder zu Eigentum kommen, und ich wollte doch selbst arbeiten, ich möchte doch auch einmal wieder Mensch werden", so ist in diesen Worten ein echtes Anliegen von Hunderttausenden derartiger Menschen in Deutschland ausgesprochen. Wir sollten von uns aus alles tun, um den Gedanken des Kleineigenheims zu fördern, und sollten alle Maßnahmen treffen, die diesem Personenkreis die Erfüllung ihrer Wünsche ermöglichen.
Ich komme nun noch auf unseren Antrag zu sprechen, den ich hiermit begründe. Unser Antrag knüpft an 14 Abs. 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes an. In diesem 14 Abs. 3 heißt es — das ist damals nach langen Beratungen festgelegt worden —, daß der Bundesminister für Wohnungsbau die Verteilung der Bundesmittel mit Auflagen, insbesondere hinsichtlich des zu begünstigenden Personenkreises usw. verbinden kann. Wir stellen nun den Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, erstens die für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Bundesmittel gemäß 14 Abs. 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 mit der Auflage zu verteilen, daß ein angemessener Anteil dieser Mittel von den Ländern zum Bau a) von Eigenheimen und Kleinsiedlungen sowie b) von Wohnungen für kinderreiche Familien einzusetzen ist.
Die Ziffer 2 unseres Antrags beschäftigt sich mit den Maßnahmen im Hinblick auf den Bau von Ersatzwohnungen im Zuge der Schaffung von Unterkünften für alliierte Truppen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Ihnen bekannt, daß durch die Freimachung der Kasernen für alliierte Streitkräfte in kürzester Frist zahlreiche Familien, Flüchtlinge und Ausgebombte, obdachlos werden. Abordnungen der Kommunalvertretungen verschiedener Gemeinden des rheinisch-bergischen Kreises aus Porz, Bergisch-Gladbach, die besonders betroffen sind, waren beim Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen sowie beim Bundesminister für den Wohnungsbau und haben ihre Sorgen vorgetragen. Die Herren führten Klage darüber, daß diese Ersatzwohnungen als sogenannte „Schlichtwohnungen" erstellt werden sollen und in ihrer Größe gegenüber dem sozialen Wohnungsbau erheblich 'beschränkt seien; des weiteren seien diese Wohnungen mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zu errichten.
Zur Aufklärung sei hier folgendes gesagt. Diese Ersatzbauten werden als bundeseigene Bauten erstellt und sollen auch vom Bund verwaltet werden. Hierzu wird später noch etwas zu sagen sein.
Ich gebe einige Zahlen hinsichtlich der Größe dieser Wohnungen bekannt. Nach den Ausführungsbestimmungen von Nordrhein-Westfalen galten für den sozialen Wohnungsbau folgende Größen: für Zwei-Raum-Wohnungen 40 qm; für die „Schlichtwohnung" sind heute 32 qm vorgesehen; für eine Drei-Raum-Wohnung bisher 50 qm, heute für eine „Schlichtwohnung" 42,3 qm; für eine Vier-Raum-Wohnung — das ist die größte, die gestattet wird — bisher 60 qm, heute für die „Schlichtwohnung" 54,5 qm.
4076 Deutscher Bundestag — 108, Sitzung. Bonn, Freitag, den 15. Dezember 1950
In den stattgefundenen Besprechungen wurde mit Recht von dem Landrat des rheinisch-bergischen Kreises sowie den Bürgermeistern und auch von den Stadtdirektoren ausgeführt, daß diese Wohnungen zu klein sind und die hierfür bereitgestellten Mittel — und das ist das Arge an der Geschichte - nicht zum Bau dieser Wohnungen ausreichen. Sie bitten darum, daß der Bund die aus dem Einzelplan XXVII des Bundeshaushalts für Kriegsfolgelasten vorgesehenen Mittel für diesen Zweck auch als Darlehen für den sozialen Wohnungsbau zugunsten dieses Personenkreises gewährt, damit in der Praxis der Versuch gemacht werden kann, aus diesen „Schlichtwohnungen" solche Wohnungen zu bauen, über die wir uns später nicht zu schämen brauchen. Ich glaube, wenn wir eine Lösung finden und eindeutig klarstellen, daß diese Mittel nicht auf die normalen Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau angerechnet werden, dann wird einem Anliegen der Praxis entsprochen. Wir sollten daher dieser Anregung folgen.
Meine Damen und Herren, wir haben Verständnis dafür, daß im Rahmen der Unterbringung von Sicherheitseinheiten Unterkünfte für diese sowie Ersatzwohnungen für die betroffenen einheimischen Familien geschaffen werden müssen. Wir haben auch dafür Verständnis, daß dieses unter einem erheblichen Zeitdruck geschehen muß. Wir haben jedoch dafür kein Verständnis, daß das Bundesfinanzministerium die finanziellen Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Aufgabe nicht in vollem Umfang gewährleistet hat. Das Land Nordrhein-Westfalen, das lediglich die Ausführungsbestimmungen dazu gemacht hat, trifft in diesem Zusammenhang keine Verantwortung.
Wenn wir auch über den Begriff Schlicht- oder Einfachstwohnung — die Damen und Herren des Wohnungsbauausschusses befassen sich mit dieser Frage seit Monaten — heute noch keine klare Vorstellung haben und mit äußerster Vorsicht an dieses Problem herangehen — ich will deshalb die Frage hier nicht näher erörtern —, sind wir doch nicht der Meinung, daß unter Schlichtwohnungen Kleinstwohnungen zu verstehen sind.
Aber wir wünschen, daß auch die Wohnungen im Rahmen des Ersatzwohnungsbaus für die Besatzungsmächte, die neu nach Deutschland kommen, sich im Rahmen der im Ersten Wohnungsbaugesetz festgelegten Größenordnung halten sollen. Darum haben wir in unserem Antrag zu dieser Frage Stellung genommen:
Die Bundesregierung wird ersucht, ... die im § 17 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vorgeschriebenen Wohnungsgrößen auch beim Bau von Ersatzwohnungen für Familien, die im Zuge der Verstärkung alliierter Streitkräfte oder sonstiger Sicherheitsmaßnahmen obdachlos werden, einzuhalten.
Die hierfür bestimmten Mittel sind auch als Darlehen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues zu gewähren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte gerade, daß Sie das vorhin aufgezeichnete Anliegen aus unserer unmittelbaren Nähe als ein Beispiel dafür ansehen, daß überall dort in der Bundesrepublik, wo diese Umquartierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, dieses Problem eine brennende Frage darstellt.
Wenn ich in diesem Zusammenhang ein ernstes Wort sagen darf, dann ist es folgendes: In unserem Gebiet mußten in einem erheblichen Umfang bisher Wohnungen für Besatzungsangehörige errichtet werden. Die Situation fordert, daß die Frage nach den Größen und Kosten dieser Wohnungen und dem Verhältnis zu den Ersatzwohnungen gestellt wird. Wir bekommen heute für eine Ersatzwohnung mit 1 Raum im Rahmen des Schlichtwohnungs-Bauprogramms 5 000 DM, für eine 2-Raum-Wohnung 7 300 DM, für eine 3-RaumWohnung 9 100 DM, einschließlich der Aufschließungskosten, jedoch ohne Grundstückskosten. Und jetzt die Kosten für Besatzungsbauten:
Der Typ I für Unteroffiziere, Größe etwa 80 qm auf 500 qm Grund und Boden, kostet 46 000 DM, davon Aufschließungskosten und Baunebenkosten 12 000 DM.
Diese Wohnung umfaßt ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer, ein sonstiges Schlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, eine Diele, eine Waschküche, ein Bad, eine Toilette, Zentralheizung, Warmwasseranlage — Elektro oder Gas — und Einbauschränke.
Typ V für Offiziere, 120 qm auf 1000 qm Grund und Boden, kostet 71 000 DM, davon Aufschließungskosten und Baunebenkosten 18 000 DM. Umfang: ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer, zwei sonstige Schlafzimmer, ein Ankleideraum, ein Dienstbotenschlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, zwei Dielen, eine Waschküche, ein Bad, zwei Toiletten, eine Garage, Zentralheizung usw. wie vor.
Bei Wohnungstyp II für Stabsoffiziere, Größe 230 qm auf 3000 qm Grund und Boden, Gesamtbaukosten 172 000 DM, davon 32 000 DM Aufschließungs- und Baunebenkosten,
umfaßt die Wohnung ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Herrenzimmer, ein Elternschlafzimmer, drei sonstige Schlafzimmer, einen Ankleideraum, ein Dienstbotenwohnzimmer, zwei Dienstbotenschlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, zwei Bäder, ein Dienstbotenbad, drei Toiletten, eine Dienstbotentoilette, eine Eingangshalle, eine Waschküche, zwei Garagen, Zentralheizung usw. wie vor.
Eine weitere Ziffer zur besseren Klarstellung: Für 80 Kinder einer Besatzungseinheit in unserer Nähe mußte eine Schule gebaut werden, deren Gesamtaufwand 850 000 DM betrug.
Es wurden acht Schulräume, eine Turnhalle, ein Singsaal, ein Werkraum, ein Speiseraum, Bade- und Umkleideräume, Besuchs-, Lehrer- und Rektorzimmer gebaut. Die Schule ist so gebaut worden, daß man sie erweitern kann.
Wenn wir also für die Ersatzwohnungen für Deutsche, die aus den Kasernen herauskommen müssen, für eine kinderreiche Familie höchstens 10 000 DM aufbringen können, sind wir der Meinung, daß diese überhöhten Anforderungen, die von den Besatzungsmächten bisher an ihre Wohnungen gestellt worden sind, im jetzigen Stadium
der europäischen Entwicklung nicht mehr vertretbar sind.
Wir wollen zweifellos alles tun, damit die notwendigen Maßnahmen getroffen werden und für die davon betroffenen alliierten Soldaten und ihre Angehörigen in Deutschland eine menschenwürdige Unterkunft gefunden wird. Jedoch sollten die alliierten Stellen im Hinblick auf die ungeheure Wohnungsnot auf unsere soziale und wirtschaftliche Lage Rücksicht nehmen und sich in einem tragbaren Maß dieser Not anpassen.
Ich bin am Schluß meiner Ausführungen und darf abschließend nur noch eins sagen. Diese Wohnungen haben wir Ausschußmitglieder zum Teil besichtigt. Wir sind aber nicht gewillt, heute ein Bauprogramm für Ersatzwohnungen anlaufen zu lassen und dabei zuzusehen, daß deutsche Familien, die seit Jahren unter weiß Gott menschenunwürdigen Verhältnissen leben, nunmehr auch noch in Kleinstwohnungen zugrunde gerichtet werden. Wir müssen darum bitten, daß man auch hierfür Verständnis hat. Es handelt sich um Menschen aus Fleisch und Blut, um Familien, die daneben auch noch Deutsche sind, und wir wünschen, daß wir sie anständig behandeln und ihnen den notwendigen Wohnraum schaffen können.
Wir haben deshalb an die Bundesregierung das Anliegen, das wir in unserem Antrag ausgedrückt haben, die im Ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestmaße einzuhalten. Ich wiederhole es noch einmal: Diese Mindestmaße sind unter Berücksichtigung unserer Not aufgestellt worden, und alle, die da mitgearbeitet haben, wissen, wie lange wir beraten haben, bis diese Quadratmeterzahlen errechnet waren. Deshalb wünschen wir, daß auch diese Ersatzbauten danach errichtet werden, und daß der Herr Bundesfinanzminister die dazu notwendigen Mittel in entsprechendem Ausmaß erhöht, so daß die erforderliche Zahl von Wohnungen gebaut werden können.
Ich weise auch noch auf folgendes, Herr Bundeswohnungsminister, hin: Es handelt sich um ein Dringlichkeitsproblem, das in einigen Wochen, zum Teil in einigen Monaten gelöst werden muß, wenn diese Menschen nicht obdachlos werden sollen. Darum bin ich dankbar, daß dem Hohen Hause Gelegenheit gegeben ist, heute, vor Weihnachten, diese Frage, die sicherlich auch die betroffenen Menschen sehr bedrückt, zu klären und so die verantwortliche Verwaltung in die Lage zu versetzen, die Wohnungen entsprechend zu bauen.
Ich frage deshalb die Bundesregierung, welche Maßnahmen sie für das Baujahr 1951 ergreifen will, um erstens in wesentlich größerem Umfang als bisher Eigentum an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen für die breiten Volksschichten zu schaffen, zweitens den Bau solcher familiengerechter Wohnungen sicherzustellen, in denen sich ein normales Familienleben auch mit vier und mehr Kindern entwickeln kann, drittens die Anwendung dieser Grundsätze zu 1 und 2 auch beim Bau von sogenannten Schlichtwohnungen im Rahmen der Ersatzbauten für alliierte Truppenunterkünfte sicherzustellen.
Ich bitte das Hohe Haus, den bei der Begründung der Interpellation bereits mitbegründeten Antrag anzunehmen. Ich bitte ihn deshalb anzunehmen, damit die darin enthaltenen Grundgedanken, die ja nicht neu sind, die aber nun von der Bundesebene ins Land hinausgetragen werden sollten, bei der Aufstellung des Bauprogramms berücksichtigt werden. Dieses Programm soll in der nächsten Woche in einer Dringlichkeitssitzung des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen beraten und nach Weihnachten als das Bauprogramm für das kommende Jahr vorgelegt werden. Eine Beratung dieser Fragen im Ausschuß würde eine Verzögerung bedeuten. Der angemessene Anteil der Bundesmittel für kinderreiche Familien und zur Förderung von Kleinsiedlungen und Kleineigenheimen wird vom Wohnungsbauministerium festzusetzen sein und muß dann im Ausschuß beraten werden.
Da die Errichtung von Ersatzwohnungen für die Familien, die durch die Ausquartierung jetzt anderweitig untergebracht werden müssen, sehr dringlich ist, bitte ich, den zu der Interpellation gestellten Antrag anzunehmen, damit die Angelegenheit noch vor Weihnachten bereinigt werden kann.