Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Dr. Lehr hat zu Punkt V b der Entschließung schon darauf hingewiesen, daß die Länder sich dahin verständigt haben, daß ein Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung nicht besteht. Ich darf noch folgendes hinzufügen: Auch das Koordinierungsbüro der interministeriellen Arbeitsgemeinschaft für Wiedergutmachungs- und Entschädigungsfragen hat eine
Bundesgesetzgebung vorerst nicht für angebracht gehalten. Die Ländergesetzgebung, die in den drei Zonen unterschiedlich war, hat im letzten Jahre erhebliche Fortschritte gemacht. Die Länder der amerikanischen Zone stehen mit ihrem allgemeinen Wiedergutmachungsgesetz im Bundesgebiet nicht mehr allein. In den Ländern der französischen Zone sind nach Erteilung der Genehmigung durch die Besatzungsmacht in diesem Jahre Wiedergutmachungsgesetze in Kraft getreten, in Baden am 10. Januar 1950, in Rheinland-Pfalz am 22. Mai 1950 und in Württemberg-Hohenzollern am 14. Februar 1950. In den Ländern der britischen Zone waren bisher nur Gesetze über die Entschädigung für Freiheitsentziehung und Personenschäden erlassen worden. Diese Länder stehen im Begriff, dem Beispiel der Länder der amerikanischen und französischen Zone zu folgen:
Hierbei ist auch noch folgender Gesichtspunkt von Wichtigkeit. Diese Gesetze sind in den Ländern in voller Durchführung. Wenn nun ein Bundesgesetz kommen würde, würde die Durchführung der Ländergesetze natürlich nicht weiter möglich sein. Es sind dort in einer großen Zahl bereits erledigte Fälle vorhanden, so daß also ein Rechtsunterschied zwischen den bereits erledigten Fällen in den Ländern der beiden süddeutschen Zonen und den neuen Fällen gegeben sein würde, die nach Bundesrecht zu erledigen wären.
Zu dem Wortlaut des Antrages des Ausschusses unter Ziffer V b darf ich auf folgendes hinweisen. Der Antrag des Ausschusses fordert auf der einen Seite ein Bundesgesetz, welches das zoneneinheitliche Gesetz der Länder der amerikanischen Zone vom 26. April 1949 zeitgemäß für das gesamte Bundesgebiet fortbildet. Auf der anderen Seite will der Antrag die Wiedergutmachung auf den Kreis derjenigen politisch Verfolgten beschränkt sehen, die im Bundesgebiet wohnen. Das wäre aber ein Rückschritt gegenüber § 6 des Entschädigungsgesetzes der amerikanischen Zone, das Entschädigungen für Emigranten, für DPs und für Hinterbliebene von Verstorbenen ermöglicht, und zwar auch dann, wenn sie nicht im Bundesgebiet wohnen. Das wäre also nicht eine Fortbildung, sondern eine Rückbildung des Wiedergutmachungsrechts. Ich darf daher bitten, in der geschäftsordnungsmäßig geeigneten Form vielleicht die Beschlußfassung zu Punkt V b noch einmal aufzugreifen. Denn ich nehme nicht an, daß der Ausschuß eine derartige Wirkung seines Antrages gewollt hat.
Ich darf bemerken, daß die Bundesregierung demnächst noch einmal über die Frage beraten wird, ob es unter diesen Umständen an der Zeit ist, trotz der Bedenken der Länder auf ein bundeseinheitliches Wiedergutmachungsrecht zurückzukommen. Vielleicht könnte das auch ein Anlaß sein, die Frage zu Punkt V b noch einmal im Ausschuß zu erörtern.