Rede von
Dr.
Richard
Hammer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen zur Erledigung dieser Angelegenheit noch einmal einen Abänderungsantrag vorgelegt. Zu seiner Begründung lassen Sie mich bitte folgendes sagen:
Wir erkennen gern an, daß einige der Gedanken, die unserem alten Antrag Umdruck Nr. 18 vom 18. Oktober 1950 — zugrunde lagen, im Ausschuß zum Schutze der Verfassung auf guten Boden gefallen sind. Wir erkennen gern an, daß z. B unter I 5 die Formulieerung betreffend die Tätigkeitsbeschränkung der Leute, die von der Entnazifizierung betroffen waren, entsprechend unserem Wunsche übernommen worden ist. Wir sind aber mit der Generalregelung der Angelegenheit nicht zufrieden. Wir stehen immer noch auf dem Standpunkt, daß man diese Affäre nun wirklich beenden muß. Deshalb haben wir in unserem neuen Antrag die alte Formulierung der Ziffer 1 wieder aufgenommen. Ich darf sie Ihnen vorlesen, da ich festgestellt habe, daß der Antrag noch nicht verteilt ist:
Entnazifizierungsverfahren sind nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr zulässig. Anhängige Verfahren sind einzustellen.
Dazu haben wir noch eine redaktionelle Änderung vorgeschlagen und unter 3 auch das endgültige Aufhören der , Zahlung von Sühnegeldern und Verfahrenskosten gefordert. Schließlich haben wir die
Einfügung einer Ziffer 10 beantragt, wonach bei Einstellungen Nachfragen über die Entnazifizierung nur soweit zulässig sein sollen, als sie auf die Feststellung der Einstufung in die Gruppen I und II gerichtet sind.
Meine Damen und Herren! Die ganze Diskussion über das Problem der Entnazifizierung noch einmal von vorn zu beginnen, halten wir für unnötig. Aber man sollte sich doch ganz kurz noch einmal an folgendes erinnern. Als am 8. Mai des Jahres 1945 das deutsche Volk vor den Trümmern seines Staates und vor Bergen von Leichen stand, war es selbstverständlich, daß bei Zahllosen der Überlebenden an Stelle der Vernunft die natürlichen Gefühlsregungen eines gesunden Menschen wach wurden, d. h. Rache, Vergeltung und Sühneverlangen. Nach dem üblichen Ablauf der Weltgeschichte wäre damals jene große Nacht der Katastrophe zu erwarten gewesen, eine Revolution mit Mord und Totschlag. Zu diesem Ereignis ist es nur deshalb nicht gekommen, weil eine in Deutschland einrückende, sagen wir einmal, sehr starke Polizeitruppe die das Schießen in diesem Augenblick nicht vertragen konnte, die Revolution verboten hat.
Die .Polizeitruppe die damals einrückte. hatte nun einmal in ihren Führungskreisen eine Reihe jener Leute. in deren Welt der Tod nur in Verbindung mit dem elektrischen Stuhl vorstellbar war. Man hat deshalb den merkwürdigen Versuch gemacht, jene Nacht der langen Messer durch ein gerichtsähnliches Vorgehen zu ersetzen. Man hat geglaubt, man könne ein ausgefallenes Naturereignis mit der Justitia nachahmen. Meine Damen und Herren. das war peinlich, nicht deshalb peinlich, weil die Dinge auch von zelotischem Fanatismus überschattet waren, der respektablen Menschen nicht angestanden hätte, sondern deshalb, weil dieser Versuch überhaupt eine Groteske ist. Ich bin überzeugt, noch jahrhundertelang werden in den Seminaren für Geschichtswissenschaft und Recht diese Dinge nicht ohne Schmunzeln vorgetragen werden. Wir sind deshalb der Ansicht: Es ist nun gut, beenden Sie diese Groteske! Wir bitten Sie, unserem Antrag zu folgen; dann sind diese Dinge einigermaßen ausgestanden und werden uns nicht mehr beschäftigen.