Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mittel, mit denen Geldmarktpolitik gemacht wird, sind, wie mir scheint, so umstritten und auch so schwierig, daß sie sich wenig für eine Diskussion hier im Plenum eignen.
Herr Bertram hat an Hand seines Antrages einen Spaziergang durch die ganze Wirtschaftspolitik gemacht. Wenn auch die Geldpolitik einen entscheidenden Faktor für die Wirtschaftspolitik darstellt, so möchte ich ihm doch auf diesem Spaziergang nicht weiter folgen, sondern mich lediglich auf die Frage beschränken, die in dem vorliegenden Antrag zur Diskussion gestellt ist.
Aufgabe einer Notenbank ist es, die in Umlauf befindliche Menge an Noten und Giralgeld den jeweiligen Bedürfnissen der Wirtschaft anzupassen. Dabei besteht die Aufgabe darin, einerseits das Auf und Nieder von Konjunktur und Depression abzuflachen und andererseits die Binnenkonjunktur derart zu regulieren, daß die Zahlungsbilanz in Ordnung bleibt. Die Mittel, die der Notenbank zu diesem Zweck zur Verfügung stehen, sind: Diskontpolitik, Mindestreserven, Kreditrestriktion und Offen-Markt-Politik. In welchem Umfange diese Mittel eingesetzt werden, ist ausschließlich der Ermessensentscheidung des Zentralbankrats überlassen, so daß weder die Regierung noch wir irgendeine Zuständigkeit auf diesem Gebiet haben. Unsere Aufgabe wird es zu gegebener Zeit sein, lediglich im Rahmen des Notenbankgesetzes, das uns ja demnächst vorgelegt wird, die Rahmenvorschriften festzulegen, nach denen die Notenbankpolitik erfolgt, und ich stimme mit Herrn Bertram darin vollkommen überein, daß dieser Gesetzentwurf über die Notenbank außerordentlich wichtig und dringlich ist. Wir werden bei der Gelegenheit dann auch die Frage zu behandeln haben, die hier angeschnitten ist, ob die Notenbank autonom oder abhängig sein soll, ob sie zentral oder dezentral gesteuert werden soll.
Das im breiten Publikum am meisten bekannte Mittel der Geldmarktpolitik ist der Diskont; wird doch von ihm jeder, der einen Bankkredit genommen hat, irgendwie unmittelbar betroffen. Das bedeutet aber noch nicht, daß es das wirksamste Mittel ist. Die Wirkung der Diskontpolitik war früher, als wir und alle europäischen Länder noch eine freie Devisenwirtschaft hatten, so, daß bei einer Erhöhung des Diskontsatzes ausländisches Geld hereinströmte und bei einer Ermäßigung des Diskontsatzes der Strom umgekehrt ging. Das führte dann bei einer Erhöhung des Diskontsatzes jeweils zu der gewünschten Verflüssigung des Geldmarktes, während die Ermäßigung umgekehrt wirkte.
Neben dieser Wirkung der Diskontpolitik tritt noch eine weitere Wirkung auf die inländischen Märkte ein, indem durch Verteuerung der Bankkredite das Durchhalten von Lägern vielfach unrentabel wird und die Unternehmer so gezwungen werden, ihre Läger derart zu verkleinern, daß sie keinen oder zumindest weniger Bankkredit in Anspruch zu nehmen brauchen.
Die erstere Wirkung ist, solange die Devisenbewirtschaftung besteht, nicht vorhanden; sie ist aber die weitaus gewichtigere. Die Diskontpolitik hat heute — und darin will ich Herrn Bertram auch durchaus recht geben — nur noch eine recht begrenzte Auswirkung, und zwar deshalb, weil das System der Relativierung zu den ausländischen Diskontsätzen außer Funktion ist. Wir könnten deswegen auf dem Gebiet des Diskonts grundsätzlich ein völliges Eigenleben führen; denn die Höhe des Durchschnitts- oder Normalsatzes ist infolge der Unabhängigkeit von den ausländischen Geldmärkten geldpolitisch unwichtig geworden. Wichtig ist nur, um eine zu wild wachsende Konjunktur oder einen zu intensiven Import abzustoppen, mit dem Diskontsatz heraufzugehen oder in Zeiten der Depression oder wenn es die Zahlungsbilanz mit dem Ausland zuläßt, mit dem Diskontsatz unter den Normalsatz zu gehen.
Unser Normalsatz war 4 %. Die Frage ist, ob man ihn nicht niedriger hätte bemessen können. Ich persönlich habe seit jeher den Standpunkt vertreten, daß man ruhig auf 3 % hätte gehen können; denn die unter so erschwerten Bedingungen arbeitende deutsche Wirtschaft sollte so billig wie möglich mit Kredit versorgt werden.
Eine andere Frage aber ist es, ob die Erhöhung von 4 °/o auf 6 °/o richtig war oder nicht. Sie ist zunächst einmal im Rahmen einer Reihe von anderen kreditrestriktiven Maßnahmen zu sehen, die von der Notenbank getroffen sind; sie ist auch unter ihren psychologischen Auswirkungen zu betrachten. Als sich der Zentralbankrat zu den bekannten drastischen Maßnahmen, worunter auch die Diskonterhöhung fiel, entschloß, hat die deutsche Öffentlichkeit diese Maßnahmen zunächst durchweg oder überwiegend negativ kritisiert. Nachdem man durch das Bekanntwerden der Ziffern aus unserer Zahlungsbilanz und des Gutachtens der ausländischen Herren Jacobsson und Cairncross über die Entwicklung unserer Devisenlage unterrichtet wurde, ist die Kritik inzwischen meist verstummt. Heute wissen wir, daß wir vor der Alternative standen, entweder die Liberalisierung preiszugeben
— nein, wir haben sie nicht preisgegeben — oder
durch drastische Maßnahmen ein übermäßiges Wu-
ehern der Inlandskonjunktur abzustoppen; letzteres ist gewiß bedauerlich, - —
— Wir waren im besten Lauf im Rahmen der internationalen Hochkonjunktur. Es wäre sehr schön, wenn wir an der internationalen Hochkonjunktur noch mehr, als es geschieht, profitieren könnten; es sind uns aber durch unseren Geldbeutel, der nach dem verlorenen Krieg nun einmal klein ist, und durch den dadurch bedingten Devisenengpaß wie auch durch alle möglichen anderen Engpässe in unserer Wirtschaft Grenzen gezogen. Um sie einzuhalten, gibt es als gewissermaßen vorletztes Mittel nur die Einwirkung auf den Geldmarkt. Das letzte Mittel wäre Preisgabe der Liberalisierung; aber diese würde unendlichen Schaden für unsere Wirtschaft herbeiführen. Wie groß dieser Schaden wäre, erkennt man am deutlichsten, wenn man den Erfolg betrachtet, den uns die Liberalisierung gebracht hat. Innerhalb eines Jahres ist unser Außenhandel um 100 % gestiegen, andererseits ist das Außenhandelsdefizit wesentlich gesunken. Es ist klar, daß ein großer Teil dieses Erfolges wieder verloren gehen würde, wenn wir die Liberalisierung opfern.
Der Herr Kollege Kalbitzer hat den Erfolg der Diskonterhöhung und, wie ich annehme, damit auch der übrigen kreditrestriktiven Maßnahmen bezweifelt.
Ich glaube, daß man hierüber noch kein abschließendes Urteil fällen kann, Herr Kalbitzer. Tatsache ist, daß bei den Banken die Kreditzunahme, die seit Mitte August ja außerordentlich stark war, abgestoppt worden ist. Worauf diese Verminderung der Kreditzunahme zurückzuführen ist, ob auf Importkredite oder auf andere Kredite, wie Sie befürchten, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Darüber kann man ein Urteil erst fällen, wenn man sieht, wie sich die Devisenlage nunmehr entwickelt.
Ich bin mir durchaus im klaren darüber, daß die Höhe des Diskontsatzes für weite Teile der Wirtschaft eine fast nicht mehr tragbare Belastung darstellt, und ich bin mir auch darüber im klaren, daß der Diskontsatz von 6 °/o nicht der Normalsatz werden darf, denn sonst treten die Auswirkungen auch auf dem Kapitalmarkt ein, die von den beiden Herren schon angedeutet worden sind. Wir müssen, sobald die Versorgung unserer Wirtschaft mit Devisen gesichert ist, mit dem Diskontsatz wieder heruntergehen; in diesem Sinne bin ich mit dem Antragsteller durchaus einer Meinung. Ich bin aber im übrigen der Auffassung, wie ich es zu Beginn meiner Ausführungen schon sagte, daß man diese Fragen nicht im Plenum bis in die letzten Einzelheiten behandeln kann; sie sind zu kompliziert und zu sehr auch Ermessensfragen. Deswegen würde ich eine Vertiefung der Diskussion im Ausschuß, wobei auch Vertreter der Bank deutscher Länder hinzugezogen werden können, begrüßen. Ich schlage daher im Gegensatz zu dem Antrag von Herrn Kalbitzer vor, daß dieser Antrag dem zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird.