Meine Damen und Herren! Die Erhöhung des Diskontsatzes von 4 auf 6 % und des Lombardsatzes von 5 auf 7 % durch den Zentralbankrat ist keineswegs einstimmig beschlossen worden. Bis zuletzt hat sich auch die Mehrheit der Bundesminister dagegen ausgesprochen. Jetzt ist sogar eine weitere Erhöhung vorgeschlagen. Die Zwiespältigkeit der Meinungen ist auch noch nicht abgeklungen. Die Kritik wendet sich zunächst gegen die Diskonterhöhung aus Gründen der Geldmarktpolitik und aus Gründen, die im Kapitalmarkt liegen. Unser Antrag fordert die Bundesregierung auf, eine Senkung herbeizuführen.
Man hat nun eingewandt, die Bundesregierung könne dazu nichts tun. Das ist nicht richtig. Die Bundesregierung kann heute schon hierzu etwas tun, obwohl die Wege kompliziert sein mögen. Daß nur komplizierte Wege zur Verfügung stehen, ist im wesentlichen eine Folge der Verzögerung der Einbringung des Notenbankgesetzes durch die Bundesregierung.
Heute kann die Bundesregierung den politischen Weg beschreiten, auf die Präsidenten der Landeszentralbanken über die einzelnen Länderregierungen, die den Präsidenten der Landeszentralbanken gegenüber weisungsbefugt sind, einzuwirken. Dabei würde die Bundesregierung, wenn sie sich über die Diskontsenkung einig wäre, in allen Ländern — auch in denen, in denen die derzeitige Regierungskoalition nicht die Regierung bestimmt — Unterstützung finden. Es wäre also ohne weiteres möglich, auf diesem politischen Wege eine derartige Maßnahme durchzusetzen.
Es könnte auch der Weg über den Bundesrat gegangen werden. — Aber es ist bisher nicht bekanntgeworden, daß der eine oder der andere Weg gegangen worden wäre.
Dabei ist die Bundesregierung nicht nur nach dem Grundgesetz verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch nach einem Gesetz des Wirtschaftsrats, Leitsatz Nr. 4, verpflichtet, insbesondere der Kreditmarktpolitik ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Leitsätze über die Wirtschafts- und Preispolitik nach der Währungsreform sind heute noch in Kraft; und trotzdem hat die Regierung nicht gehandelt. Eine Regierung kann sich doch nicht darauf berufen, daß sie sagt: „Ich habe kein unmittelbares Weisungsrecht" und damit dann alle ihr politisch zur Verfügung stehenden Mittel unversucht lassen. Im Gegenteil, das Regieren ist doch im wesentlichen eine politische Funktion und keine Verwaltungsfunktion. Deshalb müssen wir es der Regierung zum Vorwurf machen, daß sie nicht versucht hat, diesen Weg zu gehen.
Außerdem verpflichtet das Grundgesetz die 'Bundesregierung, ein Bundesnotenbankgesetz vorzulegen. Bei der zentralen Funktion, die der Währung für das gesamte Staatswesen zukommt, wäre die Vorlage dieses Gesetzes die vordringlichste Pflicht der Bundesregierung gewesen. Das Grundgesetz ist nun über zwei Jahre in Kraft, und wir haben bisher nur von Entwürfen gehört. Erst die Schaffung einer Bundesnotenbank mit eigenem Unterbau kann die Wirtschafts- und Kreditpolitik zu völliger Koordinierung führen. Aus Art. 88 des Grundgesetzes ergibt sich, daß die Fortführung
der bisherigen Konstruktion, nämlich einer Vereinigung der Landeszentralbanken, der Länderbanken, nicht zulässig wäre. Wenn die Bundesregierung in ihren bekanntgewordenen Entwürfen gleichwohl die Notkonstruktion aus der Zeit vor Gründung des Bundes übernommen hat, so gibt sie damit dem Zentralbankrat eine politische Bedeutung, die diesem nicht zukommt. Die Mitglieder des Zentralbankrates würden einen Hinweis der Bundesregierung auf die dem Bund verliehene Gesetzgebungskompetenz wohl verstanden haben. Es ist kaum anzunehmen, daß sie sich einer einheitlich ausgerichteten Meinung der Bundesregierung widersetzt hätten. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist wünschenswert, muß aber begrenzt sein durch die einheitliche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.
Man hat mir gesagt, daß wir mit unserem Antrag Wasser auf die Mühlen derer leiteten, die die Stellung des Bundeskanzlers noch stärken wollten; das sei doch sicher nicht unsere Absicht. Demgegenüber betonen wir ausdrücklich, daß wir aus zeitbedingten politischen Gründen keinerlei Maßnahmen unsere Zustimmung geben könnten, die die einheitliche Wirtschaftspolitik gefährden. Die Kreditpolitik ist ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hat die Voraussetzungen geschaffen, die den Zentralbankrat zu seinen Entschlüssen gebracht haben. Die Devisenklemme insbesondere ist eine Folge der deutschen und ausländischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Wenn andere Länder unsere deutschen Vorleistungen in der Liberalisierung nicht honorieren — durch Zölle, Devisenkontingente, ungünstige Zusammensetzung der Liberalisierungsliste —, so kann ein Gleichgewicht der Zahlungsbilanz nicht erwartet werden. Wenn dazu Zwangsexporte und überhöhte Rohstoffexporte kommen, ohne daß wir uns den Preisauftriebstendenzen des Auslandes gegenüber abschirmen, wenn wir der exportwilligen deutschen Fertigwarenindustrie keine Förderung gewähren, insbesondere die Rohstoffe nicht zuteilen, deren sie zur Ausführung von Exporten bedarf, wenn weiter Rohstoffimporte durch Streichung von Importlizenzen und Bardepotgestellung verhindert und verteuert werden, so werden Sie einsehen, daß ohne geänderte Wirtschaftspolitik die Zahlungsbilanz nicht in Ordnung kommen kann.
Durch die Diskonterhöhung sollte nun gerade eine Erleichterung unserer devisenpolitischen Lage herbeigeführt werden, indem sie dämpfend auf die Konjunktur und den Preisauftrieb im Inland wirken und sich damit restriktiv auf den Import auswirken sollte. Der Preisauftrieb ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, so auf die Ausweitung des Geldvolumens durch die Kreditausweitung über die öffentlichen Haushalte, die größere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, vor allem aber auf die von der Weltrüstungskonjunktur ausgehenden Tendenzen. Diese Ursachen des Preisauftriebs können durch die Diskonterhöhung kaum beeinflußt werden. Es mag sein, daß Großhandelsfirmen in ihren Dispositionen eingeschränkt werden; dann werden wir aber auch weniger Rohstoffe zur Verfügung haben.
Die langfristigen Verpflichtungen auf dem industriellen, gewerblichen, insbesondere auf dem kleingewerblichen Sektor können jedoch so schnell nicht gelöst werden. Bei diesen Kreditnehmern wirkt die Verteuerung des Kredits vor allem im Sinne einer Kostenerhöhung. Bei allen Kredit-
nehmern wird der Versuch einer Abwälzung der Kreditkosten gemacht werden, was eine Preis\x7fsteigerung zur Folge haben wird. Hierzu bietet gerade der deutsche Markt infolge der oben geschilderten Einflüsse gute Möglichkeiten.
Die Inlandspreise haben auch, wie wir gestern bereits ausführten, seit dem Sommer dieses Jahres erheblich angezogen, insbesondere die für industrielle Grund- und Rohstoffe. Die Diskonterhöhung jedenfalls wirkt in der deutschen Wirtschaft nicht verbilligend, sondern verteuernd. Sie wirkt auch nicht restriktiv auf den Import, da die spekulativen Chancen der Importeure wesentlich größer sind als die erhöhten Kosten der Kredite. Bei Preissteigerungen, beispielsweise für Nichteisenmetalle um das Dreifache im Laufe des letzten halben Jahres, spielen doch die Kosten der Kredite überhaupt keine Rolle.
Die Diskontsenkung ist auch keine vorteilhafte Geste dem Ausland gegenüber. Es mag sein, daß eine entsprechende Senkung von einigen Fachleuten gefordert worden ist; es mag auch sein, daß der Diskontsatz zur Zeit den Geldmarktverhältnissen marktkonform ist; aber der Geldmarkt ist erst durch die Restriktionsmaßnahmen in eine Verfassung gebracht worden, die den Zins heraufgetrieben hat. Wir sollten doch nicht übersehen, daß die Meinungen im Ausland über die Frage einer restriktiven oder einer expansiven deutschen Wirtschaftspolitik sehr geteilt sind.
Die Devisenklemme hat ferner Ursachen, denen man nicht mit Stillschweigen begegnen kann. Wenn man daran denkt, daß eine versteckte Kapitalflucht eingesetzt hat, die von der Bank deutscher Länder ebenso wie vom Oberfinanzpräsidenten in Köln geschildert wird, so müßte hier vordringlich eingegriffen werden. Der Oberfinanzpräsident in Köln kommt zu dem Schluß, daß auch seriöse Unternehmer nichts unversucht lassen, um im Ausland ein Devisenguthaben anzulegen. Man scheut sich nicht, mit gefälschten, d. h. überhöhten Rechnungsbeträgen, falschen Warendeklarationen, fingierten Vorkriegsschulden zu arbeiten; der vor allem beschrittene Weg aber dürfte der sein, daß Kredite, die wirtschaftlich nicht notwendig sind und ein ausländisches Guthaben als Polster für alle Zwecke schaffen sollen, an ausländische Käufer gewährt werden. Hier sollten wir eingreifen.
Ferner sollten wir den Export von Rohstoffen abbremsen, den Export von Fertigwaren fördern und alsbald entsprechende Exportbeschränkungen für Kohle, Eisen und Zellwolle einführen und ein Zuteilungsverfahren bestimmen, das die Fertigwarenindustrie in die Lage versetzt, ihre Exportaufträge auszuführen. Es ist doch bekannt, daß die Ausfuhr von Fertigwaren für uns eine wesentlich größere volkswirtschaftliche Bedeutung hat als die Ausfuhr von Rohstoffen.
Dabei ist darauf hinzuweisen, daß vor allem die Handelsstatistik dieses Mißverhältnis nicht ohne weiteres zeigt, weil unter Fertigwaren auch typische Rohstoffe, wie beispielsweise Walzwerkserzeugnisse, erscheinen.
Ich persönlich verstehe nicht, wie man eine geldpolitische Maßnahme wie die Erhöhung des Diskontsatzes beschließen kann, ohne die Kapitalmarktauswirkungen hinreichend zu bedenken. Zwar hat der Diskontsatz seine zentrale Steuerungsfunktion eingebüßt. Auf die Dauer aber ist eine Heraufsetzung der Kapitalmarktzinsen unerläßlich, wenn der Diskontsatz für kurzfristige Gelder so
hoch bleibt, wie er bisher ist. Der Geldstrom vom
langfristigen Kapitalmarkt zu den kurzfristigen
Einlagen wird, wie sich eindeutig zeigt, abgelenkt.