Rede von
Dr.
Hermann Louis
Brill
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Auch ich hoffe, mich sehr kurz fassen zu können. Der Herr Abgeordnete Dr. Menzel hat in der 92. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Oktober 1950 einen sehr ausführlichen Bericht zu dieser Sache gegeben. Der Bericht bezog sich auf die Anträge Nr. 13, 27, 97, 99, 482, 609, 1057 und beinhaltete die Arbeiten der Ausschüsse für Rechtswesen und Verfassungsrecht und zum Schutze der Verfassung. In dieser Sitzung sind Abänderungsanträge seitens der Herren Abgeordneten von Thadden und Genossen und Dr. Oellers und Fraktion eingebracht worden. Sie waren die Veranlassung, die Sache noch einmal an den Ausschuß zurückzuverweisen. Der Ausschuß zum Schutze der Verfassung hat sich in seiner 18. Sitzung am 23. November dieses Jahres mit der Angelegenheit erneut befaßt und zuerst die Frage geprüft, ob die Sache nicht überhaupt durch den Zeitablauf erledigt ist; denn der erste Antrag, der Antrag Nr. 13, ist bereits am 8. September vorigen Jahres eingebracht worden. Die Gesetzgebung ist in dieser Zeit wesentlich fortgeschritten, und die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert.
Zur Begründung der Fragestellung, ob die Sache nicht überhaupt auf sich beruhen könnte, wurde darauf verwiesen, daß die Spruchgerichte in der britischen Zone ihre Tätigkeit vollständig beendet haben. Außerdem wurde vermerkt, daß im amerikanischen Besatzungsgebiet in allen Ländern Gesetze zur Beendigung der Entnazifizierung erlassen und in Kraft gesetzt worden sind. Nach einer zur Verfügung stehenden Statistik gab es bereits am 30. November 1949 im ganzen amerikanischen Besatzungsgebiet nur noch 552 Fälle, die bei einer Zentralspruchkammer oder einer Zentralberufungskammer in jedem Lande anhängig waren. Seit dem 16. November dieses Jahres befindet sich niemand mehr in einem Arbeitslager. Die Begnadigungsakte haben in allen Ländern einen außerordentlich großen Umfang angenommen, wenn auch das. Begnadigungsrecht sehr verschieden gehandhabt worden ist, in Bayern nämlich so, daß es in einem erzieherischen Sinne mit Teilerlassen ausgeübt wurde, in Württemberg-Baden so, daß in großem Umfange alle Sühnen erlassen worden sind und in Hessen zu einem Teile so, daß. Totalbegnadigungen versagt worden sind, aber daß dann in späterer Zeit die Minderung der staatsbürgerlichen Rechte, die sich aus den Entscheidungen der Spruchkammern ergaben, fast vollständig aufgehoben wurde. Schließlich ist bemerkt worden, daß eine Beschlußfassung des Bundestages und eine darauf beruhende Tätigkeit der Bundesregierung bzw. des Bundesministers des Innern staatsrechtlich doch eigentlich ins Leere geht; denn zu irgendwelchen Rechtspflichten kann ein Beschluß des Bundestages in bezug auf die Tätigkeit der Spruchkammern oder der Abwicklungsstellen der Befreiungsministerien oder die Ausübung des Gnadenrechts durch die Ministerpräsidenten nicht führen.
Schließlich ist aber die Frage, ob die Sache weiter behandelt werden soll, doch bejaht worden. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Einstellung der Tätigkeit der Spruchgerichte im britischen Besatzungsgebiet das Thema noch nicht abschließt. Die Tätigkeit der Ausschüsse geht weiter; und wenn auch der britische Hohe Kommissar darauf verzichtet hat, tatsächlich von den Rechten, die ihm zustehen, Gebrauch zu machen, so ist es doch theoretisch möglich, daß sie von deutschen Ausschüssen in Anspruch genommen werden könnten. Weiter wurde gesagt, daß noch nicht in allen Ländern Abschlußgesetze vorliegen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Gesetzgebung in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und vor allen Dingen in Württemberg-Hohenzollern hingewiesen. Ich darf in Ergänzung dessen, was ich aus der Ausschußberatung zu berichten habe, darauf aufmerksam machen, daß in Württemberg-Hohenzollern ein solches Abschlußgesetz erst in diesen Tagen zur zweiten und dritten Lesung in den Landtag kommen wird.
Besonders aber wurde betont, daß die Wirkungen von Entnazifizierungsbescheiden in bezug auf das Wahlrecht in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich sind und hier eine einheitliche Regelung sehr erwünscht wäre. Außerdem wurde betont, daß die Ziffer II, die in der ersten Tätigkeit des Ausschusses in den Beschluß hereingekommen ist, sehr wichtig sei und darauf nicht verzichtet werden könne.
So hat der Ausschuß also beschlossen, die Behandlung fortzusetzen, und ich darf Ihnen das Ergebnis in abgekürzter Weise vortragen, dabei die Antragsteller bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich nicht alle Einzelheiten Ihrer Anträge berühre.
Es bleibt demnach -- wenn Sie so freundlich sein wollen, die Drucksache Nr. 1658 einmal zur Hand zu nehmen — bei I Ziffer 1 bei der ursprünglichen Ausschußfassung. Der weitergehende Antrag der FDP ist abgelehnt worden.
In den Ziffern 2-7 sind alle Termine vereinheitlicht worden. Soweit also Abschlüsse in Frage kommen, sind sie auf den 31. März festgesetzt worden, sonst auf den 1. April. Das ist praktisch dasselbe.
In Ziffer 5 hat der Ausschuß den besseren Wortlaut des FDP-Antrages akzeptiert. Er liegt Ihnen vor.
In Ziffer 8 ist eine wesentliche materielle Änderung zustande gekommen, und zwar in der Weise, daß sich SPD und FDP geeinigt haben. Die FDP hat die Anregung der Sozialdemokraten akzeptiert, daß Sühnegelder und Verfahrenskosten, die den Betrag von 2 000 Deutschen Mark übersteigen, eingezogen werden sollen, und die SPD ist damit einverstanden, daß die ganzen Bagatellsachen, die so unendlich viel Verwaltungsarbeit verursachen, dabei aber einen sehr geringen finanziellen Effekt haben, mit Wirkung vom 1. Januar 1951 ab eingestellt werden, damit die Vollzugsbehörden die Hände frei bekommen, um sich an die „fetten Brocken" zu machen.
Schließlich, meine Damen und Herren, ist die Nr.
II völlig unverändert geblieben.
Der Ausschuß hat aber dann in Nr. III, IV und V a und b einige neue Gedanken eingefügt. Ich darf, um abzukürzen, auf den Text verweisen. Nr.
III ist vom Ausschuß einstimmig angenommen worden. Dasselbe gilt für Nr. IV (neu).
Bei Nr. V a sind vom Bundesjustizministerium Bedenken gegen die Möglichkeit der praktischen
Durchführung erhoben worden. Man hat sich aber dahin verständigt, daß der Beschluß zu V a nur ein Beschluß im Prinzip sein soll und daß später eine Verständigung über die praktische Ausführung zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Ausschuß bzw. dem Bundestag herbeigeführt werden solle.
Bei Nr. V b, Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes für alle im Bundesgebiet wohnenden politisch, rassisch oder religiös verfolgten Personen, bestand Einstimmigkeit im Ausschuß darüber, daß ein solches Gesetz sehr wünschenswert wäre. Der Ausschuß hat jedoch eine Erklärung eines Vertreters des Bundesfinanzministeriums entgegengenommen, in der darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das Ministerium sich bereits mit der Sache beschäftigt habe; die Beschäftigung habe zu dem Ergebnis geführt, daß ein solches Gesetz vor außerordentlichen Schwierigkeiten stehe. Es wurde außerdem mitgeteilt, daß in der nächsten Zeit eine prinzipielle Entscheidung des Bundeskabinetts darüber herbeigeführt werden solle, ob die Arbeiten an einem solchen Vereinheitlichungsgesetz fortgeführt werden sollten oder nicht. Ich weiß nicht, ob das Bundeskabinett inzwischen diese Frage entschieden hat, Herr Minister. Es handelt sich bei V b um die Frage, ob das Bundesfinanzministerium die Arbeiten für das Wiedergutmachungsgesetz fortsetzen soll. Das Haus wäre Ihnen, glaube ich, dankbar, wenn Sie dazu eine Erklärung abgeben wollten.
Meine Damen und Herren! Ich darf also im Namen des Ausschusses bitten, dem Antrag in der Fassung der Vorlage Nr. 1658 jetzt zuzustimmen.
Darf ich dann, Herr Präsident, noch zwei Dinge erwähnen, die der Ausschuß noch nicht beraten hat,, die aber aktuell sind. Es handelt sich um zwei Petitionen, die nach dem 23. November, dem Tage, an dem der Ausschuß verhandelt hat, nämlich am 28. und 29. November eingegangen sind. Die Petition Nr. 7490 kommt von einem Mann aus Nordrhein-Westfalen. Er bittet den Bundestag, eine allgemeine Abschlußregelung zu treffen. Da das geschehen würde, wenn unser Antrag angenommen ist, schlage ich, nachdem ich mich mit den Kollegen aus den verschiedensten Fraktionen, die dem Ausschuß angehören, verständigt habe, vor, diese Petition durch den in Aussicht stehenden Beschluß für erledigt zu erklären.
In der Petition Nr. 7782 beschwert sich ein Mann aus Niedersachsen darüber, daß er, obwohl er einen Bescheid über die Eingruppierung nach Gruppe V erhaben hat, von einem Regierungspräsidenten nicht wieder in den Schuldienst eingestellt worden sei. Diese Petition kann im Bundestag überhaupt nicht behandelt werden, weil wir ja dafür nicht zuständig sind. Es gäbe aber die formale Möglichkeit, sie ebenfalls durch den zu fassenden Beschluß für erledigt zu erklären.
Ich bitte also das Hohe Haus, die beiden genannten Petitionen, wenn über den Ausschußantrag beschlossen sein wird, für erledigt zu erklären. Dann wäre damit die Sache endlich abgeschlossen.