Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Die Ziffer 4 des Abs. 1 des § 1 befaßt sich mit den noch für notwendig gehaltenen Preisregelungen auf dem Gebiete der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft. Dabei ist einmal klar, daß
— Buchstabe a dieser Ziffer 4 — die Vermietung von Wohnräumen unbeschadet des § 27 Abs. 2 des ersten Wohnungsbaugesetzes, also mit Ausnahme der völlig frei finanzierten Wohnungen, weiterhin den Preisregelungen und Preisbindungen unterliegen soll. Darüber hat auch im Ausschuß zu keiner Zeit eine verschiedenartige Auffassung bestanden. Wohl aber ist unsere Fraktion der Auffassung gewesen, daß man in der Frage der Vermietung und Verpachtung von gewerblich genutzten Räumen weitergehen sollte, als das hier unter Buchstabe b geschieht. Nach der Fassung, wie sie vom Ausschuß vorgelegt worden ist, sollen nur die gewerblich genutzten Räume, die nach dem 1. Januar 1950 bezugsfertig geworden sind, aus der Preisbindung herausgenommen werden.
Im Ausschuß bestand weitgehend Einmütigkeit darüber, daß auf dem Gebiet der gewerblich genutzten Räume eine völlig andere Situation hinsichtlich der Mangellage gegeben ist, als bei den Wohnungen. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, daß überall in den Städten gewerblich genutzte Räume, zum Teil noch als Holzbaracken, zum Teil aber auch durch Ausbau gerade der Untergeschosse der Häuser, wiedererstanden sind, in die als erstes die Läden wieder hineinkamen. Wir sind der Meinung, daß das Gewerbe nicht zu Lasten des Hausbesitzers, der gern wieder die darüberliegenden Wohnungen aufbauen möchte, das Privileg bekommen soll, weiterhin unter Stoppmieten leben und arbeiten zu können, die gemessen an den Erlösen und Preisen, wie sie sonst gegeben sind, nicht gerechtfertigt sind, sondern daß das Gewerbe dann auch die Mieten tragen soll, die sich nach der Marktlage ergeben, um dadurch dem Hausbesitz etwas erhöhte Einnahmen zufließen zu lassen. Damit kann das Bild aus unseren Städten schneller verschwinden, daß die Häuser über dem ersten Stock aufhören, es können endlich darüber auch die Wohngeschosse wieder aufgebaut werden.
Die Ausschußfassung, wie sie hier angenommen worden ist, halten wir deshalb für unglücklich, weil zwei Kategorien von gewerblich genutzten Räumen geschaffen werden: diejenigen, die nach dem 1. Januar 1950 bezugsfertig werden, also nach der freien Mietbildung dementsprechend wahrscheinlich auch mit einer erhöhten Auftriebstendenz, als sie bei genereller Freigabe entstehen würde — daraus könnten sich dann wirklich unangenehme Rückwirkungen für die Preisbildung einzelner Erzeugnisse ergeben —, und diejenigen, die weiterhin gestoppt bleiben. Es gibt also dann privilegierte und nichtprivilegierte Ladeninhaber, Rechtsanwälte, Zahnärzte und was Sie sich sonst denken können; die einen, die den Genuß dieser Stoppmieten haben, und die andern, die ihn nicht haben. Das kann nur zu Unzuträglichkeiten und womöglich sogar zu korruptiven Erscheinungen bei der Vergebung dieser Räume führen, und das wünschen wir nicht. Deshalb hat unsere Fraktion beantragt, nun auch den Schritt der Freigabe ganz zu tun aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, und den 'Buchstaben b zu streichen.
Dann kommen als nächstes die Buchstaben d und f, die in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Es ist die einstimmige Meinung des Ausschusses gewesen, daß die völlig erhaltenen oder zu nicht mehr als 10 % zerstörten Häuser aus der Preisbindung freigegeben werden könnten, weil schließlich der Verkaufswert der Häuser durch die weiterhin einstimmig gebilligte Bindung der Mieten festgelegt ist, da zum zweiten auch dafür gesorgt ist, daß die Preise nicht in den Himmel steigen können, weil ja auf allen Häusern der Lastenausgleich ruht, der zweifellos nicht dazu beiträgt, den Verkaufswert oder die Preise auf diesem Gebiete in die Höhe zu treiben, sondern eher zu einer sehr realistischen Überlegung führt: was ist denn der Haus- und Grundbesitz überhaupt noch als kaum ertragbringender Faktor der Volkswirtschaft wert?
Wenn man diesen Schritt schon tut, dann sollte man sich auch hier zum Ganzen entschließen und ebenso die unbebauten oder die Trümmergrundstücke freigeben. Nach unserer Überzeugung tritt sonst eine sehr unangenehme Entwicklung in unseren zerstörten Städten ein. Es entstehen Mondkraterlandschaften, da die inneren Stadtteile nicht wieder aufgebaut werden, weil dort die derzeitigen effektiven Marktpreise weit unter den Stopppreisen liegen. Kein Mensch ist bereit, dafür die Stoppreise von Anno Tobak zu zahlen, während umgekehrt an den Stadträndern neue Viertel entstehen, wie um einen Mondkrater herum, die fern von den Arbeitsplätzen, fern von den Zentren neues Bauland in Anspruch nehmen, das unter Umständen agrarwirtschaftlich genutzt werden könnte. Hier vollzieht sich eine Entwicklung, die über die Stoppreise hinausgeht.
Im übrigen ist es allgemein bekannt: niemand kann verhindern, daß sich diese Dinge trotz der Stoppreise vollziehen. Es wird dann eben außerhalb der Kaufverträge in dem einen Fall ein Abschlag gemacht, in dem andern Fall gibt es auf eine irgendwie vertretbare Weise noch irgend etwas dazu.
Das sind alles unerfreuliche Erscheinungen, die doch an der gegebenen Situation nichts ändern können. Das, was gebaut wird, ist nach wie vor in den Mietpreisen gestoppt, ist in der Bewertung durch den Lastenausgleich beeinflußt. Es kann also nicht das Geringste passieren, außer daß eine Bürokratie, die der Bauförderung sehr hinderlich ist, abgebaut wird und daß unerfreuliche Erscheinungen unserer Wirtschaft — die weiß Gott nicht zu den moralischsten gehören — verschwinden. Aus diesen Gründen bitten wir auch hier darum, daß der Bundestag die volle Konsequenz zieht und die Buchstaben d und f streicht.