Rede von
Fritz
Schäffer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Ich darf dem Herrn Kollegen Dr. Koch, der den Antrag unter anderem so schön poetisch mit dem Satz begründet hat: „Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem gibt er auch einen unitarischen Verstand", doch eine kleine Antwort geben. Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem muß er den Verstand und daneben das Pflichtgefühl geben, das Grundgesetz, nach dem ihm das Bundesamt übertragen worden ist, zu vollziehen.
Das scheint mir der ausschlaggebende Gesichtspunkt zu sein. Ob dieses Grundgesetz nun unitarisch oder föderativ ist — es ist föderativ, und deshalb kann der, dem ein Bundesamt übertragen worden ist, sehr gut ein innerlich überzeugter Föderalist bleiben, nebenbei bemerkt —, derjenige, dem ein Bundesamt übertragen wurde, hat es nach dem Grundgesetz zu vollziehen.
Ich habe nun die Debatte, die hier geführt wurde, verfolgt, und ich greife einen Punkt heraus. Etwas erstaunt bin ich darüber, daß man es in diesem Hause so ängstlich vermeidet, einen Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und den sozialen Ausgaben des Bundes zuzugestehen. Warum soll es denn eine Schande sein, vor dem deutschen Volke zu gestehen, daß der Bundestag es als seine Pflicht betrachtet, von dem deutschen Volke die Beiträge zur Erfüllung der sozialen Aufgaben einschließlich der Aufgaben für die Kriegsversehrten zu verlangen?
Was ist dagegen zu sagen? Es ist doch ganz selbstverständlich, daß wir diese Ausgaben aufbringen müssen. Hätten wir nicht für die anderen Aufgaben so und soviel verbraucht, dann wäre eine solche Deckung für die Kriegsversehrtenversorgung allein nicht notwendig gewesen. Aber weil wir schon für andere Aufgaben so viel verbraucht haben und noch verbrauchen müssen, darum müssen wir uns an das deutsche Volk wenden und müssen das deutsche Volk um seinen Beitrag zur Erfüllung neuer Aufgaben bitten.
Ich weiß auch nicht, warum man einen Vorwurf erheben will, wenn die Bundesregierung aus den Einnahmequellen, die das Grundgesetz zur Verfügung steilt, eine Erhöhung vorschlägt. Ich weiß nicht, warum man mit dem Vorwurf kommt, daß das immer eine Belastung der Allgemeinheit, eine indirekte Steuer sei.
Ja, meine Herren, dann hätte das Grundgesetz anders gestaltet werden müssen.
Sie haben im Grundgesetz dem Bund letzten Endes nur indirekte Steuern zugemessen, und nun wollen Sie dem Mann, der das Grundgesetz zu vollziehen hat — und auch Sie haben es zu vollziehen — einen Vorwurf machen, wenn er sich an die Steuerverteilung hält. Sie wollen mir nicht zugeben, daß, wenn ich aus diesem Anlaß eine Änderung des Grundgesetzes anstreben würde, inzwischen die Finanzen des Bundes zusammengebrochen wären und die sozialen Aufgaben nicht mehr hätten erfüllt werden können. Ich kann mich
nur im Rahmen des Möglichen und im Rahmen des Tatsächlichen bewegen. Möglich ist d a s , was mir das Grundgesetz erlaubt, und tatsächlich sind die Verhältnisse, wie sie in unserer Finanzwirtschaft eben nach dem Grundgesetz geschaffen worden sind. Ehern ist für mich der Zwang, keine inflatorische Politik zu treiben,
sondern die Ausgaben, die wir leisten müssen, aus den laufenden Einnahmen zu decken.
Wenn ich das weiß - und jeder im Hause wird mir darin zustimmen —, wenn ich eine inflatorische Politik nicht betreiben will, dann weiß auch jeder ganz genau, daß man die Wahl zu treffen hat, ob man die Zukunft belastet oder die Gegenwart. Wenn man diese Wahl getroffen hat und keine Inflationspolitik betreiben will, dann ist es klar, daß man an eine Konsumeinschränkung irgendwie herangehen muß. Tertium non datur; einen dritten Weg gibt es nicht. Wenn Sie sich heute in der ganzen Welt umsehen - ist denn Deutschland das einzige Land, in dem man über die Schaffung neuer Einnahmen spricht? Sind nicht die reichsten Länder der Erde diejenigen, die zuerst an die Schaffung neuer Einnahmen herantreten müssen, um das Leben ihrer Nation zu gewährleisten?
Letzten Endes ist ,das auch bei uns die Aufgabe, die hinter allem steht.
Ich bitte dabei aber, die Dinge wirklich nicht zu übersteigern. Wenn z. B. hier gesagt wurde, daß der Wohnungsbau durch die Besteuerung von Bitumen oder Teeröl verteuert würde, so kann ich dazu nur folgendes sagen: Wir haben ausgerechnet, daß diese Verteuerung bei einem Hausbau nur mit 3 DM zu berechnen ist, die sich aus der Steuer für Teer und Bitumen ergibt. Also von einer Verteuerung des Wohnungsbaus kann keine Rede sein. Ich bitte, doch die Kirche im Dorf zu lassen.
Ich bitte, mir auch keinen Vorwurf daraus zu machen, wenn ich lediglich um der Wahrheit willen feststelle, daß die Leute aus den Wirtschaftskreisen, die mit mir gesprochen haben, ohne weiteres zugaben, daß diese Steuer in der Gesamtsituation notwendig ist und daß augenblicklich zur Abgleichung des Haushalts wohl ein besserer Weg nicht gefunden werden könnte, sie jedenfalls keinen anderen Weg vorschlagen könnten, und sie ehrlich genug gewesen sind zu sagen: Wenn ich keinen anderen Weg weiß, dann muß ich um der Gesamtheit willen den vorgeschlagenen Weg wählen. Daß sie dabei noch Wünsche haben, ist selbstverständlich und habe ich erwähnt. Aber es scheint mir fast, als ob man in diesem Hause verwundert wäre, daß auch Wirtschaftsverbände ein Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit haben. Ich freue mich, wenn Wirtschaftsverbände Lasten auf sich nehmen um der Allgemeinheit willen, und ich bin doppelt bereit, ihren Wünschen, die sie daneben vortragen, ein Ohr zu schenken, wenn ich erkannt habe, daß hier Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Allgemeinheit lebendig ist.
- Ich spreche von den Herren aus den Wirtschaftsverbänden, mit denen ich gesprochen habe, und es waren maßgebende Herren dieser Wirtschaftskreise.
Aber es scheint, als ob es in diesem Hause unerwünscht klänge, wenn Wirtschaftsverbände die Not-
wendigkeit zugeben, für die Allgemeinheit Lasten zu übernehmen.
Ich möchte aber nur noch einen Gesichtspunkt — und nur deswegen habe ich das Wort ergriffen — hervorheben. Es wird davon geredet, dieses Gesetz müsse lange beraten werden, und wir müßten uns viel Zeit lassen. Meine Damen und Herren, ich muß Sie dringend bitten, dieses Gesetz zwar intensiv, aber ohne unnötigen Zeitverlust zu beraten. Denn es ist die einzige Quelle, die in diesem Haushaltsjahr noch fließen kann und infolgedessen die einzige Quelle, die zur Abgleichung dieses Haushalts zur Verfügung steht. Alles andere, was hier erwähnt worden ist, sind ja Gedanken, die letzten Endes nicht neu sind und die in den letzten Wochen in der Presse immer als Gedanken des Bundesfinanzministeriums ausgesprochen worden sind, Einkommensteuerreform etc. etc. Ich stelle also mit Befriedigung fest, daß diese Gedanken einen fruchtbaren Boden zu finden scheinen.
Aber ich muß sagen, es ist unmöglich, heute zu verlangen, daß der Bundesminister der Finanzen Ihnen ein neues Steuerprogramm entwickelt. Er wäre der törichtste aller Menschen, wenn er das tun würde, denn er kennt ja nur einen Teil der neuen Aufwendungen, die das neue Haushaltsjahr an ihn herantragen wird. Er kann ungefähr berechnen, was die neuen sozialen Aufwendungen des nächsten Jahres als Mehr bringen werden. Er hat diese Ziffer auch schon genannt. Diese Ziffer allein würde ausreichen, um mit Sorgen an das nächste Haushaltsjahr zu denken und daran zu denken, daß das nächste Haushaltsjahr das Bundesministerium der Finanzen und die Bundesregierung vor große Aufgaben stellt und vom Deutschen Bundestag ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit fordert. Aber heute Ziffern zu nennen, um vielleicht Ansprüche, die an das deutsche Volk herangetragen werden, die noch gar nicht genannt und noch gar nicht bekannt sind, zu steigern und ihnen noch einen Boden zu geben, das wäre das Törichtste, was ein Bundesminister der Finanzen tun könnte. Ich bitte, die rechte Zeit abzuwarten. Der Bundesminister der Finanzen wird über die neuen Aufgaben des neuen Jahres zur rechten Stunde mit Ihnen sprechen.