Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu erlauben, die Begründung des Antrages meiner Fraktion — Drucksache Nr. 1588 — betreffend die Belastung des Straßenverkehrs mit unserer Stellungnahme zu dem von dem Herrn Finanzminister vorgelegten Gesetzenwurf zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes zu verbinden.
Der Herr Finanzminister hat heute mit besonderer Betonung von der Notwendigkeit einer Abgleichung der Einnahmen und Ausgaben des Haushalts gesprochen. Auch wir erkennen durchaus die Schwierigkeiten, vor die der Herr Finanzminister sich gestellt sieht. Wir wissen um die 4,5 Milliarden Besatzungskosten; wir wissen um die 6 Milliarden, die die Versorgung der Kriegsopfer weiter kostet; wir kennen die sonstigen zusätzlichen Forderungen, die heute an den Herrn Finanzminister gestellt werden. Aber bei allem Verständnis, das wir für die Härte dieser Tatsachen aufbringen, haben wir als Opposition kein Verständnis für die Formen unserer Steuerpolitik und für die Steuerarten, mit denen man uns hier immer wieder bedenkt. Wir würden gerne der Wirtschaftspolitik des Herrn Wirtschaftsministers Professor Erhard eine klare und geradlinige
Steuerpolitik entgegenstellen, und wir haben das Gefühl und vermuten, daß auch der Herr Finanzminister eine solche Steuerpolitik will und daß ihm eine solche Steuerpolitik vorschwebt. Aber ich glaube, wir können doch nicht immer wieder die großen Lücken, die sich in unserem Etat notwendigerweise zeigen, mit den Eingängen aus lauter kleinen Steuern zu füllen versuchen, bei denen der Verwaltungsaufwand in aller Regel in keinem Verhältnis steht zu den Eingängen, bei denen aber auch weiter der Anreiz zur Umgehung der Steuer und zur Steuerhinterziehung größer ist als die Möglichkeiten zu ausreichender Kontrolle.
Vor allem aber müssen wir immer wieder darauf hinweisen, daß wir die Methode ablehnen, stets zu versuchen, gerade durch indirekte Steuern unseren Etat abzugleichen. Denn diese indirekten Steuern, meine Damen und Herren, richten sich in allerletzter und allererster Linie, möchte ich sagen, immer wieder gegen die Verbraucher, gegen die breite Masse der Bevölkerung. Sehen wir uns doch einmal das Aufkommen aus den einzelnen Steuerarten an. Aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Lohnsteuer, der Vermögensteuer und aus dem Notopfer Berlin sind im Rechnungsjahr 1949/50 6 Milliarden DM eingegangen, während aus der Umsatzsteuer, aus der Tabak-, Kaffee-, Tee-, Sprit- und Zuckersteuer und aus den Zöllen — das sind also die indirekten Belastungen der breiten Masse — mehr als 8 Milliarden DM eingegangen sind. Das ist ein ungesundes, das ist ein unsoziales Verhältnis, und wir möchten gerade den Herrn Finanzminister, der eben von dem sozialen Empfinden gesprochen hat, auf dieses ungesunde und unsoziale Verhältnis hinweisen.
Ich glaube, daß sich gerade im letzten Jahr dieses Verhältnis noch sehr zu Ungunsten der direkten Steuern verschoben hat, und zwar durch die Einkommensteuerreform des Frühjahrs und die vielen indirekten Steuern, die wir hier aufzählen konnten.
Wir erkennen durchaus die Schwierigkeiten, mit denen der Herr Finanzminister infolge des allzu föderalistischen Grundgesetzes zu kämpfen hat, das ihm im wesentlichen nur die indirekten Steuern belassen hat, während die sozial gestaffelten direkten Steuern fast ausschließlich den Ländern zufließen. Wir haben zwar gestern gehört, wie der Herr Finanzminister ein Loblied auf den Föderalismus gesungen hat; aber wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben, daß man das bekannte alte Wort auch etwa so zitieren kann: Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem gibt er auch einen unitarischen Verstand.
Wir wollen hoffen, daß das vor allen Dingen auch für die Steuerpolitik gilt.
Bei fortschreitenden sozialen Vorstellungen sollten wir immer mehr und mehr von Besteuerungsformen absehen, die auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Staatsbürger keine Rücksicht nehmen; und Verbrauchsteuern — das sei immer wieder grundsätzlich und gerade auch aus Anlaß dieser Verbrauchsteuervorlage gesagt — sind letzten Endes stets Aufschläge auf Konsum-
güter, treffen also die letzten Verbraucher. Heute kann man sagen, daß ein Steuersystem um so rückständiger und um so unsozialer ist, je mehr Wert es auf die indirekte Besteuerung legt. Ein solches System aber — das muß mit Bedauern festgestellt werden — hat die Bundesregierung geradezu in Reinkultur entwickelt.
Nun legt man uns diese neue Steuervorlage, dieses Mineralölsteuergesetz vor. Unser Antrag Nr. 1588 richtete sich zunächst gegen die Autobahngebühr. Wir haben zu unserer Freude gehört, daß man von dem Gedanken, eine Autobahngebühr zu erheben, inzwischen abgegangen ist, vielleicht weil die Erinnerungen an das Mittelalter und an die Zustände in Deutschland bis zur Gründung des Zollvereins doch wohl allzu abschreckend gewesen sind. Ich brauche mich heute darum mit der Autobahngebühr nicht mehr zu beschäftigen.
Aber wie der Herr Finanzminister muß auch ich mich, glaube ich, vor allen Dingen mit der Treibstoffsteuer oder mit der Benzinsteuer, wie wir wollen, beschäftigen, da ja auch hierauf der Finanzminister das Hauptgewicht gelegt hat. Wir sollten, wenn wir uns über dieses Mineralölsteuergesetz unterhalten, immer bedenken, daß die Hauptträger auch dieser Mineralölsteuer vor allen Dingen die Besitzer von Kraftfahrzeugen, von Verbrennungsmotoren und — das geht insbesondere auch die Landwirtschaft an — von Traktoren sind.
Wenn das Gesamtaufkommen auf rund 500 Millionen geschätzt wird, so werden auf flüssige Kraftstoffe etwa 65% und auf Schmieröle etwa 20 % des Aufkommens entfallen. Ich habe nun leider zu den Zahlen, die uns der Herr Finanzminister genannt hat, nicht die Gegenzahlen zur Hand. Ich kann mich lediglich darauf beschränken, aus einer Aufstellung, die der hessische Verkehrsverband gemacht hat, die Zahlen zu entnehmen, wonach die Aufwendungen für Straßenbauunterhaltung im Jahre 1950 etwa 400 Millionen DM ausmachen, und dabei handelt es sich — die Zahlen decken sich ungefähr — um die Bundesstraßen und um die Länderstraßen, und wo gesagt ist, daß dieser Betrag zu etwa 87 % aus der Kraftfahrzeugsteuer aufgebracht wird und daß dann dazu noch das Mineralölzollaufkommen zu rechnen ist. Das sind Zahlen, die uns immer wieder von den Verkehrsverbänden genannt worden sind, so daß wir daraus schließen können, daß die Aufwendungen für den Straßenbau und für die Straßen schon jetzt durch das Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuer und durch das Mineralölzollaufkommen gedeckt werden.
Wir sollten aber auch bedenken, welche besonderen Belastungen den Kraftverkehr im vergangenen Jahr schon getroffen haben. Das wissen wir; darüber brauche ich mich nicht im einzelnen zu äußern. Wir sollten bedenken, daß der gewerbliche Güterverkehr bereits an der untersten Grenze der Tarife liegt. Wir sollten ferner bedenken, daß in Deutschland heute fast jeder Zwölfte vom Straßenverkehr lebt, wenn wir nicht nur an die Herstellung, sondern auch an den Vertrieb, an die Unterhaltung und an die Instandsetzung der Kraftfahrzeuge denken. Und wir sollten dabei nicht vergessen, welche Bedeutung auch in Deutschland vor allen Dingen die Kraftverkehrswirtschaft für den Export hat. Das ist vielleicht auch der Grund dafür gewesen, daß sich der Wirtschaftsminister — es ist ganz gut, daß Herr Professor Erhard hier ist - noch vor wenigen Wochen beim Verband der
Automobilindustrie in Frankfurt am Main für eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer und aller Steuern, die mit dem Kraftwagenverkehr zusammenhängen, eingesetzt hat. Er hat es damit begründet, daß das Altwagengeschäft gehoben werden müsse. Aber ich glaube, wir werden es bald müde, uns hier immer wieder mit den Widersprüchen zu beschäftigen, die sich aus den vielerlei Reden des Herrn Bundeswirtschaftsministers hier und dort ergeben.
Meine Damen und Herren, wir haben es hier mit einer typischen Verbauchssteuer zu tun, mit einer Verbrauchssteuer mit allen Mängeln und Fehlern, die nun einmal Verbrauchssteuern anhaften. Besteuerung eines Rohstoffes, wie es hier der Fall ist, bedeutet, da diese Besteuerung ja nicht irgendwie aufgefangen werden kann, zweifellos eine Preiserhöhung des Rohstoffes, und das bedeutet in diesem Falle — und nun möchte ich mich nur auf eine ganz kurze Aufzählung beschränken — Gefährdung des Exports, insbesondere auch unserer chemischen Fertigwarenindustrie; das bedeutet eine Belastung gerade einheimischer Fertigerzeugnisse, während ja importierte Fertigerzeugnisse von dieser Steuer nicht betroffen werden. Das bringt also eine Verschiebung zu Ungunsten des innerdeutschen Marktes. Das führt zu einer Belastung aller Transportmittel. Wir wissen, daß diese Belastung bestimmt an den letzten Verbraucher weitergegeben wird. Es bedeutet aber auch, weil in dem Gesetz irgendwelche Ausnahmevorschriften nicht enthalten sind, eine Belastung der Schiffahrt und der Landwirtschaft, die beide bisher steuerbegünstigt waren. Wir sollten uns hier daran erinnern, wie unerhört notwendig für uns in der Landwirtschaft Rationalisierung, Technisierung, überhaupt Modernisierung sind und wie entscheidend diese Fragen in den nächsten Jahren für uns werden können.
Ich darf daran erinnern, daß, wenn wir das Schmieröl mit einer derartig hohen Steuer belasten, wie es hier vorgesehen ist, in allererster Linie die Bundesbahn davon betroffen wird; denn bisher kosten 100 kg Schmieröl 24 DM, und diese 100 kg Schmieröl sollen mit 33 DM Steuer belastet werden, so daß das eine Preiserhöhung allein um 140 % ist.
Auch das Heizöl soll belastet werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Anträge erinnern, die das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat mit Rücksicht darauf gestellt hat, daß in diesem Land wegen der Ruhrferne sehr viele Betriebe allein auf Heizölgrundlage aufgebaut worden sind.
Besteuert werden soll erstmalig Bitumen. Das trifft den Wohnungsbau, insbesondere natürlich auch wieder den uns vor allen Dingen am Herzen liegenden sozialen Wohnungsbau. Und die Teerölverteuerung wieder trifft, glaube ich — das ist uns in vielen Eingaben vorgerechnet worden —, in allererster Linie den Straßenbau, von dem der Finanzminister heute auch gesprochen hat. Also diese neue Steuer trifft damit in erster Linie die öffentlichen Verkehrsträger.
Es wäre noch einiges über die Höhe der Steuersätze zu sagen. Der Herr Finanzminister hat an dieser Stelle einmal bekannt, daß er seine Schätzungen auf die Verbrauchsziffern vom Jahre 1950 stütze. Wir stehen auf dem Standpunkt, es wäre richtiger gewesen, Schätzungen des Jahres 1951 zugrunde zu legen; denn dann könnte man mit ganz anderen, wesentlich niedrigeren Steuersätzen arbeiten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das kurz zusammenfassen. Wir haben hier eine neue, eine typische Verbrauchssteuer vor uns; sie muß und sie wird wie alle Verbrauchssteuern auf die letzten Verbraucher abgewälzt werden. Der letzte Verbraucher wird diese Mineralölsteuer aus seiner Tasche bezahlen müssen, aus der Tasche, in der der Staat seine Hand schon so tief hat. Wir befürchten von dieser neuen Steuer — und gerade das ist in diesem Augenblick besonders gefährlich — einen neuen Antrieb für die Preis-LohnSpirale, die ja nun an sich längst in Bewegung gesetzt ist, in Bewegung gesetzt — das möchte ich aber vor allen Dingen auch noch einmal in Gegenwart des Herrn Bundeswirtschaftsministers als unsere Ansicht sagen — durch die Freigabe der Preise nach der Währungsreform und nicht etwa durch irgendwelche Lohnforderungen.
Wir lehnen es grundsätzlich ab — das möchte ich noch mit besonderer Betonung sagen —, daß man diese Steuerforderungen in Verbindung bringt mit der uns allen obliegenden Verpflichtung, für die Kriegsopfer zu sorgen.
Meine Damen und Herren, die Erfüllung dieser Aufgabe sollte für uns alle eine Ehrenpflicht sein, und ich glaube, wir sollten sie nicht von dem Aufkommen an Mineralölsteuer abhängig machen. Leider wurde das zuerst getan. Ich sehe jetzt allerdings aus der Begründung des Gesetzes, daß man versucht hat, diese Steuer nicht mehr, wie es der Herr Bundesfinanzminister zunächst getan hatte, mit den sozialen Verpflichtungen für die Kriegsopfer zu begründen, sondern mit der allgemeinen Lage des Bundeshaushalts.
Aus all den Gründen, die wir Ihnen genannt haben, halten wir es nicht für richtig, diese Steuer schon jetzt zu beraten. Wir legen vor allen Dingen — das möchte ich im Auftrag meiner Fraktion sagen — Wert darauf, daß der Herr Finanzminister uns endlich seine umfassenderen Steuerpläne vorlegt. Ich glaube, es ist ein unmöglicher Zustand, daß wir Tag für Tag in den Zeitungen über die Steuerpläne des Bundesfinanzministeriums lesen; einmal ist es die Umsatzsteuer, einmal ist es die Einkommensteuer, bei der Änderungen und Erhöhungen vorgenommen werden sollen.
Während dieser Zeit der Hochspannung, in der ständig von neuen Steuern die Rede ist, beschert man uns immer wieder neue Steuervorlagen wie die vorliegende. Man verzögert, oder ich möchte beinahe sagen, man verweigert uns längst beantragte und längst fällige Steuersenkungen wie etwa die Tabak-, die Tee- oder die Kaffeesteuersenkung unter Hinweis auf die künftigen größeren Steuerpläne des Bundesfinanzministeriums. Ich darf daran erinnern, daß wir dafür Verständnis gezeigt haben, weil auch wir ein Interesse daran haben, alle diese kleineren Steuerfragen zu beantworten, wenn wir wissen, wie der Herr Bundesfinanzminister, wie die Bundesregierung sich die künftige Steuergestaltung und Steuergebarung der Bundesrepublik vorstellen. Ich sagte Ihnen, wir haben dafür Verständnis gehabt. Wir bitten Sie aber auch, jetzt dafür Verständnis zu haben, wenn wir unter Hinweis auf die bevorstehenden größeren Steuerpläne unsere Mitarbeit an diesem Mineralölsteuergesetz verweigern. Wir bitten Sie, diese Vorlage abzulehnen.