Rede von
Dr.
Fritz
Oellers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als sich meine Fraktion im Januar dieses Jahres mit dem Gesetzesinitiativentwurf, der uns heute zur Beratung vorliegt, entschloß, die Frage der Umwertung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen diesem Hause vorzutragen, da waren wir uns dessen bewußt, daß wir ein Thema aufgegriffen, das seit der Währungsreform zu den vieldiskutiertesten in der Öffentlichkeit gehört hat. So ist es geblieben. Die Abgeordneten des Ausschusses, die sich mit diesen Fragen haben befassen müssen, sind mit Bergen von Briefen überhäuft worden. Kaum eine Woche ist vergangen, in der nicht über die Presse und den Rundfunk die Dinge angesprochen worden sind. Ich glaube also mit Recht zu sagen, es handelt sich um ein Problem, das die Öffentlichkeit im höchsten Maße interessiert. Um was handelt es sich denn?
Mit der Währungsreform sind die Fragen des Kapitalsparens und der Altersversorgung durch Renten in verschiedener Form behandelt worden. Ob man das bedauert oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Fest steht jedenfalls, daß das gesamte Kapitalsparen — nach meiner Ansicht bedauerlicherweise — im Verhältnis 10 : 1 abgewertet worden ist. Fest steht aber auch, daß sämtliche Rentenansprüche in einem Verhältnis von 1 : 1 erhalten geblieben sind.
Dabei handelt es sich sowohl um die Renten der Sozialversicherung — dafür zahlen die Beteiligten höhere Beiträge —, dabei handelt es sich aber auch um sämtliche Beamtenpensionen. — Nun erwarte ich Ihren Zwischenruf. — Dabei handelt es sich auch um die Pensionen der Angestellten des öffentlichen Dienstes und um die Renten der Zusatzversorgungsanstalten des Bundes und der Länder und andere mehr.
— Reden Sie doch nachher. — Es hat nur eine einzige Gruppe gegeben, die man vergessen hat, und das sind die armen Menschen, die sich aus eigener Initiative eine Altersversorgung in Form der Rente schaffen mußten,
entweder indem sie bei privaten Versicherungsgesellschaften eine Rente abschlossen oder indem sie — das ist das weit größere Problem, und zwar das Fünffache an Volumen - bei Firmen-Pensionskassen für ihr Alter meist zwangsweise sorgen mußten.
Sie stehen, meine Damen und Herren, vor einem sozialen Problem allererster Ordnung; denn es steht fest und der Herr Berichterstatter hat es schon erwähnt, daß es sich um eine Menschenmenge von immerhin einer Viertelmillion handelt, die durch die Gestaltung ihrer Rentenversorgung in der Währungsreform in bitterste Not geraten und demzufolge in großem Umfange der Fürsorge an-heimgefallen sind. Es ist bereits gesagt worden, daß 90% dieser Rentenempfänger über 60 Jahre alt sind; 84% der Renten haben unter 50 Mark gelegen. Es war also schon verständlich, wenn sich die Währungsabteilung der Bank deutscher Länder bereits im September 1948 mit der Frage befaßt hat. Damals lag der Währungsabteilung bereits ein entsprechender Entwurf vor, der nur vom Zentralbankrat abgelehnt worden ist. Als sich die Diskussion um dieses Thema daraufhin nicht beruhigte, haben die Versicherungsaufsichtsbehörden die Frage aufgegriffen. Es ist dann erneut zu Besprechungen gekommen, die merkwürdigerweise von denselben Ministerien, die uns in den elf Monaten, in denen um dieses Gesetz gekämpft worden ist, soviel Schwierigkeiten gemacht haben, in bejahendem Sinne geführt worden sind und die schließlich am 7. September 1949 in Königsstein zu dem Entwurf
einer Verordnung führten, deren Formulierung sowohl der Bundesarbeitsminister als auch der Bundesjustizminister und der Bundesfinanzminister zugestimmt haben. Gleichwohl hat der Zentralbankrat nicht nachgegeben, sondern hat sich dann auf den Standpunkt gestellt, daß die Allied Banc Commission nach der Verkündung des Grundgesetzes nicht mehr zuständig sei. In diesem Augenblick erst haben wir denselben Entwurf aufgegriffen und als Gesetzentwurf initiativ eingereicht, der, von den Versicherungs-Aufsichtsbehörden und unseren eigenen Ministerien unterstützt, nicht ergehen konnte, weil die Zuständigkeit des alliierten Gesetzgebers in Wegfall gekommen sein sollte.
Mir ist also nicht recht verständlich, wieso die vielen Schwierigkeiten nachher aus denselben Ressorts gerechtfertigt werden, die vorher durchaus in der Lage und bereit waren, die Dinge zu befürworten.
Ich will mich hier nicht mehr mit den Argumenten des Herrn Bundesfinanzministers herumschlagen. Sie sind heute von ihm nicht vorgetragen worden, der Herr Berichterstatter hat sie in der sachlichsten Form dargelegt. Ich will mich auch nicht mit den neuerdings erhobenen verfassungspolitischen Bedenken des Herrn Bundesjustizministers auseinandersetzen, sondern will nur noch die Punkte behandeln, die der Herr Bundesarbeitsminister hier angeschnitten hat.
Jeder von uns wird der Auffassung sein, daß in der allernächsten Zeit. die Mittel und Wege gefunden werden müssen, um die Frage der Dekkungsrücklagen der Sozialversicherung in Ordnung zu bringen.
So töricht wird niemand von uns sein; aber das ändert doch an einer Tatsache nichts, nämlich an einer Überlegung, die wir auch im Ausschuß gepflogen haben. Man muß ja doch schließlich vom Menschen ausgehen, wenn man ein soziales Problem betrachtet.
Hier steht doch fest, daß die Sozialversicherungsrenten im Verhältnis 1 : 1 und etwas höher gezahlt werden und daß der Kreis, um den wir uns kümmern wollen, einstweilen noch in der bittersten Notlage ist, weil man ihm seine Renten nur im Verhältnis 10 : 1 abgewertet gibt. An dieser Tatsache kommen wir nicht vorbei; und wir sind verpflichtet, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
Es ist auch völlig falsch — beim Herrn Bundesarbeitsminister bedaure ich eine so mangelhafte Kenntnis der Versicherungstechnik —, wenn der Herr Bundesarbeitsminister sagt, die Versicherungsgesellschaften oder Werkpensionskassen wären in der Lage, aus ihrem verbliebenen Vermögen diese Dinge zu regulieren. Der Herr Bundesarbeitsminister übersieht, daß man bei den Werkpensionskassen und Versicherungsgesellschaften bei der Währungsreform den Lastenausgleich vorweggenommen hat, indem diese Unternehmen über vier Milliarden D-Mark echter Dekkungswerte an die Länder abführen mußten, Dekkungswerte, die heute erfreulicherweise zum großen Teil im sozialen Wohnungsbau arbeiten; aber Deckungswerte, die immerhin dazu bestimmt waren, den Leuten, die sie zusammengebracht haben, ihre Renten zu geben.
Das hätte der Herr Bundesarbeitsminister loyalerweise mit vortragen müssen.
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist leider abgelaufen. Ich möchte - mit ein paar Bemerkungen nur — schließen. Ich appelliere an dieses Haus, den 250 000 Menschen, um die es sich hier handelt, zu helfen, unabhängig von der Frage, daß es auch noch andere Gruppen gibt, denen man helfen muß, was von keinem von uns bestritten wird. Ich möchte auch an die Regierung einen Appel richten. Es ist paradox und gefährlich, wenn der Staat an den Staatsbürger die Aufforderung richtet, sparsam zu leben und zu sparen, und es gleichzeitig zuläßt, daß eine Viertelmillion Menschen als lebende Beispiele der möglichen Folgen eines solchen Sparens und als lebende Beispiele eines sozialen Unrechts dahinvegetieren. Die bisherigen Argumente der Vertreter der Bundesregierung gegen die Aufwertung der hier in Rede stehenden Versicherungsrenten sind ein gefährliches Plädoyer für eine negative Belohnung des Sparens.