Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 95. Sitzung das Gesetz betreffend die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes auf Grund des Berichts des Ausschusses für Inneres unter Ablehnung gewisser vom Bundesrat erbetener Änderungen im wesentlichen nach der Regierungsvorlage angenommen. Hiergegen hat der Bundesrat fristgemäß den Vermittlungsausschuß angerufen. In seinem Schreiben hat er drei Punkte angeführt, in denen er eine Änderung wünscht.
Der erste Punkt betrifft den § 4 des Gesetzentwurfs, in dem geregelt ist, unter welchen Umständen der Bund selbst die Verfolgung eines einzelnen Verbrechens in die Hand nehmen kann. Der zweite Punkt bezieht sich darauf, daß es für erwünscht gehalten wurde, das Gesetz auf das Land Berlin auszudehnen. In dem dritten Punkt wurde geltend gemacht, daß es sich um ein Zustimmungsgesetz nach dem Grundgesetz handle und daß dies in der Verkündigungsklausel zum Ausdruck gebracht werden müsse.
Die Erledigung dieses Einspruchs des Bundesrats ist in einer Sitzung des Vermittlungsausschusses erfolgt, in dem man zunächst die materiellen Fragen des Gesetzesinhaltes selbst zur Aussprache gestellt hat. In § 4 Abs. 2 wird geregelt, daß unter den folgenden drei Voraussetzungen das Bundeskriminalamt, das durch das Gesetz gebildet werden soll, die Verbrechensverfolgung selbst in die Hand nehmen kann, nämlich a), wenn eine zuständige Landesbehörde darum ersucht — das ist ein Fall, der außer Streit ist —, dann b) und c) — diese beiden Fälle werden streitig gemacht —, wenn ein Land die wirksame Verbrechensverfolgung ablehnt und wenn der Bundesminister des Innern es aus schwerwiegenden Gründen anordnet. Zu diesen beiden Punkten b und c wurde geltend gemacht, daß der Punkt b für die Länder sozusagen den stillschweigenden Vorwurf enthalte, als ob es vorkommen könne, daß ein Land nicht bereit sei, ein Verbrechen zu verfolgen, und daß die Klausel unter Punkt c einen allzuweiten Spielraum für das Ermessen des Herrn Bundesinnenministers bedeute.
Die Aussprache ergab nun, daß der Punkt b eigentlich nur ein Unterfall des Punktes c ist; denn wenn wirklich einmal ein Land eine Verbrechensverfolgung ablehnen sollte, dann liegt zweifellos für den Bundesminister des Innern ein schwerwiegender Grund vor, die Verfolgung selbst in die Hand zu nehmen. Darüber war man sich im Vermittlungsausschuß völlig einig. Man war sich weiter auch darüber einig, daß der Fall des Punktes b als Unterfall des Punktes c nur dann vorliege, wenn man dem Punkte c nicht weitere einschränkende Klauseln etwa nach der Richtung hin anhänge, daß der Ausdruck „schwerwiegende Gründe" noch verstärkt würde oder der Fall gegeben sein müsse, daß ein eigenes unmittelbares Bundesinteresse durch das Verbrechen, dessen Verfolgung in Frage komme, berührt sein müsse.
Die Einigung ist dahin erfolgt, daß man den Buchstaben c belassen und den Buchstaben b gestrichen hat, weil der Buchstabe b bei richtiger Auslegung bedeutungslos sei. Dementsprechend ist in Ziffer 1 des Berichtes des Vermittlungsausschuses, den ich hier zu begründen habe, vorgesehen, daß Buchstabe c Buchstabe b wird und daß der bisherige Buchstabe b gestrichen wird.
Bezüglich des § 4 Absatz 4 wurde weiterhin von den Herren des Bundesrats insbesondere unter Berufung auf Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes geltend gemacht, daß nach den Bestimmungen des Grundgesetzes die Vorschrift über die Benachrichtigung oder die Aufforderung unmittelbar an Landesstellen zur Mitarbeit nicht zulässig sei; die Aufforderung des Abs. 4 müsse nämlich nicht den zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststellen, sondern den Landesregierungen zugehen und von diesen an die zuständigen Landesstellen weitergeleitet werden. Dagegen wurde von seiten des Bundestags geltend gemacht, daß es sich hier um die Regelung einer der ausschließlichen Bundesgesetzgebung unterliegenden Materie handle, nämlich gemäß Art. 73 Ziffer 10 des Grundgesetzes um die Frage, wieweit und in welcher Weise der Bund die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern auf kriminalpolizeilichem Gebiet unter Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes regeln wolle. Es wurde erklärt, daß in diesem Falle, in dem es sich urn die Regelung der Zusammenarbeit handle, der Bund selbstverständlich die Zusammenarbeit so regeln könne und — wie ich gleich ausführen werde — von diesem Standpunkt auch müsse, wie es vorgesehen sei, nämlich dahingehend, daß die Weisungen sofort den zuständigen Organen in den Ländern zugingen. Denn die Innehaltung des Instanzenzuges ergibt zweifellos nicht jene kurze
Leitung, die nötig ist, wenn man einen Verbrecher, der flüchtig ist, fangen will. Man kann sich in solchen Fällen normalerweise nicht lange mit Zuständigkeitsfragen abquälen; denn darauf nimmt ein Verbrecher leider keine Rücksicht.
Man hat sich, wie der Ausschußantrag Ihnen zeigt, in erster Linie dahin geeinigt, daß in § 4 mit den zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststellen nur die gemäß § 3 des Gesetzes eingerichteten obersten Landeskriminalämter gemeint sind. Man hat weiterhin vorgesehen, daß die Landesregierungen unverzüglich zu benachrichtigen sind. Das ist ein Formatakt, der die Tätigkeit der Landesorgane bei der Verfolgung der einzelnen Sachen nicht weiter hemmt. Auf dieser Basis ist eine einstimmige Willensbildung des Vermittlungsausschusses bei einer Stimmenthaltung erzielt worden.
Was sodann die Ausdehnung des Gesetzes auf Berlin anlangt, so bestand von vornherein im Vermittlungsausschuß eine völlig einhellige Meinung darüber, daß das nicht nur erwünscht, sondern geradezu geboten ist, weil die Weltstadt Berlin für das internationale Berufsverbrechertum eine besondere Anziehungskraft hat und man, wenn man es kann, gerade diesen Sitz des Verbrechens nicht etwa unberücksichtigt lassen sollte. Der Vorschlag des Bundesrates, dem Bund eine Ermächtigung zu geben, das durch eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Berlin zu regeln, schien aber dem Vermittlungsausschuß — ich meine: einstimmig — nicht ausreichend. Denn hier handelt es sich darum, daß den Beamten in den Gebieten, in denen das Gesetz gilt, der Charakter eines Polizeibeamten, nämlich eines Hilfsorgans der Staatsanwaltschaft, verliehen werden muß, wenn sie ihr Amt so ausüben wollen, wie das Gesetz es verlangt. In Berlin kann aber keinem Bundesbeamten durch eine einfache Vereinbarung ein Charakter verliehen werden, den er von Rechts wegen nicht hat. Wenn also, wie es in § 5 des Gesetzes vorgesehen ist, die Beamten des Bundes selber dort Verbrecher verfolgen wollen, könnte ihnen entgegengehalten werden: ein Recht der Verhaftung hast du nicht. Dieses Recht steht ja dem einzelnen Staatsbürger nur gegenüber auf frischer Tat ertappten Verbrechern zu. Ähnliches gilt für den Waffengebrauch.
Wir haben es also im Vermittlungsausschuß übereinstimmend für erforderlich gehalten, daß eine gesetzliche Regelung herbeigeführt wird. Diese ist in Ziffer 3 des Vorschlages des Vermittlungsausschusses in der Form angeregt, daß es in einem neuen § 9 heißen soll:
Dieses Gesetz gilt auch für Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Dazu wäre eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bemerkung zu machen. Natürlich ist die Frage aufzuwerfen, ob im Rahmen des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 des Grundgesetzes ein Gesetz einen ergänzenden Inhalt bekommen darf, der bisher bei der normalen Verabschiedung des Gesetzes noch nicht einmal gestreift war. Das hat der Vermittlungsausschuß in einzelnen Fällen schon wiederholt getan und beiden Häusern vorgeschlagen, und die Gesetze sind verabschiedet worden.
Wir sind im Vermittlungsausschuß einstimmig der Meinung gewesen, daß jedenfalls in einem Falle, wo über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer gewissen Ergänzung, die sich aus Anlaß der Vermittlungsverhandlungen ergab und durch die am Charakter und dem Sinn des Gesetzes nicht nur nichts geändert, sondern dieser noch unterstrichen wird, völlige Einmütigkeit herrschte, eine solche Ergänzung in diesem abgekürzten, nämlich nur einer Lesung bedürfenden Vermittlungsverfahren im Sinne des Grundgesetzes durchaus zulässig sein muß.
Zu dieser Bestimmung ist schließlich weiter zu bemerken, daß, da es sich um die Einführung eines Bundesgesetzes in Berlin über die Berliner Verfassung handelt, die Herren Kommissare werden zustimmen müssen. Der Vermittlungsausschuß nimmt an, daß der Bundestag ebenso wie er selbst von der Erwartung ausgeht, daß diese Zustimmung keine Schwierigkeiten machen kann, da die Verbrechenbekämpfung, insbesondere die Bekämpfung des internationalen Verbrechertums selbstverstänlich ebensosehr Anliegen der Hohen Kommissare wie der nichtverbrecherischen Deutschen sein dürfte.
Was endlich die Frage anlangt, ob das Gesetz ein Zustimmungsgesetz ist oder nicht, so ist zur Entscheidung dieser Verfassungsstreitfrage selbstverständlich der Vermittlungsausschuß nicht berufen. Dabei handelt es sich nämlich nicht um den Inhalt, sondern um das Zustandekommen und die Veröffentlichungsformel des Gesetzes. Wir haben daher im Vermittlungsausschuß nach Abschluß der in weitgehender Übereinstimmung erfolgten sachlichen Einigung zu dieser Frage keine Stellung genommen, zu deren Entscheidung oder auch nur Ausbügelung wir nicht berufen sind. Insoweit stehen sich nach wie vor die Meinungen des Bundesrats und des Bundestags gegenüber. Die Zweifel, die hier auftauchen, möchte ich, da es uns, wie gesagt, verfassungsgemäß nichts angeht, aber interessieren dürfte, nur ganz kurz mit zwei Worten schildern.
Die Bundesregierung steht mit dem Bundestag auf dem Standpunkt, daß, wenn dem Bunde durch Art. '73 Ziffer 10 GG als ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis die Regelung der Zusammenarbeit auf kriminalpolizeilichem Gebiet und damit auch die Einrichtung einer eigenen Bundeskriminalbehörde zugewiesen ist, der Bund auch durch ein einseitiges Bundesgesetz die Einrichtung der Behörden in den Ländern regeln kann und muß, um die Zusammenarbeit zu garantieren, wie es im § 3 des Entwurfes vermittels der obersten Landeskriminalbehörden vorgesehen ist. Die Länder oder der Bundesrat jedenfalls — ob alle Länder, das entzieht sich meiner Kenntnis — stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, daß es sich hier um die Ausführung eines Bundesgesetzes handelt, das die Länder als eigene Angelegenheit durchzuführen haben, was nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nur durch ein der Zustimmung bedürfendes Bundesgesetz geschehen könnte. Da es sich hier aber nicht um eine landeseigene Verwaltung einer Bundesangelegenheit handelt, sondern um die Zusammenarbeit, wie das Grundgesetz ausdrücklich feststellt, so ist nach der Meinung der Regierung und des Bundestages diese Bestimmung hier nicht anwendbar. Über diese Kontroverse mögen sich die Juristen den Kopf zerbrechen; wir brauchen das nicht zu entscheiden. Beide Häuser haben sich mit aller Klarheit ihren Standpunkt vorbehalten.
Das wird aber die sofortige Verabschiedung des Gesetzes, wie zur Sprache gekommen ist, deshalb nicht hindern, weil zwischen den Verfassungsorganen, die mit der Verkündung der Gesetze betraut sind, folgende Regelung grundsätzlich abgesprochen ist. In solchen Fällen wie diesem, wo sachliche Differenzen nicht bestehen, faßt der
Bundesrat ausdrücklich einen Beschluß wegen seiner Zustimmung; dieser wird in der Weise in der Verkündungsformel veröffentlicht, daß es zwar nicht heißt „mit Zustimmung des Bundesrates", daß dafür aber der Vermerk in die Verkündungsformel aufgenommen wird: „Die verfassungsrechtlichen Rechte des Bundesrates sind gewahrt". Das ist die Formel, mit der man derartige verbleibende Zweifel an dem verfassungsmäßig Nötigen von Fall zu Fall umgeht.
Ich habe Ihnen also namens des Vermittlungsausschusses, dessen Beschluß, wie gesagt, einstimmig bei einer Stimmenthaltung ergangen ist, zu empfehlen, die Vorlage, wie sie in der 95. Sitzung von Ende Oktober verabschiedet worden ist, nunmehr so zu ändern, wie es Ihnen im Vermittlungsvorschlag vorliegt:
1. in § 4 den bisherigen Abs. 2 b zu streichen und dem bisherigen Abs. 2 c die Bezeichnung b zu geben,
2. in § 4 den letzten Abs. 4 dahin zu ändern, daß er in Zukunft lautet:
In den Fällen des Abs. 2 kann das Bundeskriminalamt den zuständigen Landeskriminalämtern Weisungen für die Zusammenarbeit geben. Die zuständige Landesregierung ist unverzüglich zu benachrichtigen.
3. einen neuen § 9 hinzuzufügen, dessen Wortlaut heißt:
Dieses Gesetz gilt auch für Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Aus dieser Änderung ergibt sich dann die neue Numerierung der bisherigen §§ 9 und 10, die in Zukunft 10 und 11 heißen müssen.
Ich bitte den Bundestag, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses seine Zustimmung zu erteilen.