Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag der SPD, den Sie unter Umdruck Nr. 38 vor sich liegen haben, bedeutet folgende Änderung. Wir glauben, daß dieses Gesetz den Sinn haben soll, sofort, also vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Art. 131 des Grundgesetzes, die Personen unterzubringen, für die im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Unterbringungsmöglichkeit besteht. Wenn wir nun darüber hinaus diese Sicherung dadurch erreichen wollen, daß eine allgemein verpflichtende Ausschreibung aller Stellen gefordert wird, so sehen wir darin für den Personenkreis, dem wir nützen wollen, keinerlei Begünstigung. Ihnen das klarzulegen, ist der Sinn meiner Begründung.
Einmal wissen wir, daß es sich — wenigstens im gegenwärtigen Zeitpunkt — nur um sehr wenige Stellen handeln wird. Stellen Sie sich nun vor: wenn eine solche Stelle irgendwo im Bundesgebiet ausgeschrieben wird — und wir haben ja gehört, daß die Verbreitung dieser Ausschreibung, wie es vielleicht auch erwünscht ist, durch alle Zeitungen der Vertriebenen, durch die Verbände der Beamten, Verbaost usw., heute sehr weite Kreise zieht —, so könnte es und wird meistens vorkommen, daß eine Unzahl von Bewerbungen eintrifft. Wenn ein derartig großer Personenkreis sich hier zusammendrängt, so erschwert das nicht nur die Auswahl der betreffenden Personen, sondern es wird schon durch die Notwendigkeit von Fristen bei der Ausschreibung die Stellenbesetzung auf Monate hinaus verschieben können.
Ich glaube, daß wir den betroffenen Personenkreis — und es handelt sich ja nach unserem Willen, dem Willen des Beamtenrechtsausschusses um eine ganz kurze Übergangszeit —, daß wir den Geschädigten, die wir hier berücksichtigen wollen, am besten dienen, wenn wir jenes Verfahren anwenden lassen, das bis jetzt bei solchen Fällen üblich war; das heißt also, wir sind nicht gegen die Ausschreibung, sondern wir sind nur dagegen, daß jetzt in diesem Sofortmaßnahmengesetz die allgemeine Ausschreibung durch eine Mußbestimmung verfügt wird.
Wir wissen, daß bei einer ganzen Reihe von Stellen — und das ist in den Ländern und auch in den Gemeinden besonders der Fall, wo man nicht die Auswahl hat — jede Dienststelle selbst ein Interesse hat, eine Auswahl treffen zu können, damit sie unter dem Gesichtspunkt einer rationellen Verwaltung den bestgeeigneten Mann einstellt. Deswegen wollen wir in diesem Stadium diesen Dienstherren keine Beschränkung auferlegen, sondern wollen es bei dem bisherigen Zustand belassen, weil wir glauben, daß dadurch die Besetzung noch möglich wird, bevor das Gesetz zu Art. 131 in Kraft tritt. Wir sehen, wenn wir heute die Ausschreibung als verpflichtend beschließen, darin wirklich nichts mehr als eine Optik nach außen. Sie wird sich zum Schaden der Betroffenen auswirken. weil das ganze Verfahren verlängert wird, und es werden ungeheure Enttäuschungen eintreten.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor: jeder — und der Ertrinkende greift nach jedem Strohhalm —, der nur für eine Stelle die Befähigung zu haben glaubt, wird nun einreichen; und da werden Gesuche zusammenkommen — ich will einmal bescheiden bleiben —, nehmen wir an 500, und 499 Bewerber werden immer wieder Enttäuschungen erleben. Das ist ein triftiger Grund. Wenn wir nun heute unbedingt auf der Ausschreibung bestehen, so können wir darin nur eine momentane Beruhigungspille sehen, die sich in den nächsten Monaten verhängnisvoll auswirken könnte, so daß die Verbitterung wächst.
Aber es ist noch ein anderer Grund, weswegen wir auf die Verpflichtung der Ausschreibung in diesem Gesetz verzichten müssen. Das ist folgender: Wir haben im Auge, daß das Gesetz zu Art. 131, dessen Vorläufer das Sofortmaßnahmengesetz ist, immerhin ein Ausnahmegesetz darstellt, ein notwendiges Ausnahmegesetz, weil wir eben nach einer derartigen Katastrophe in Ausnahmezeiten leben. Wenn wir aber ein Ausnahmegesetz schaffen müssen, das die Personalhoheit der verschiedensten Dienststellen wesentlich einschränkt, dann sollten wir es wenigstens unter dem Gesichtspunkt tun, diesen Dienststellen nicht allzu große Angeln und nicht allzu große Hemmungen aufzuerlegen. Die gesetzliche Verpflichtung bleibt ja nach unserem Abänderungsantrag bestehen. Wir sagen „ist nach folgenden Richtlinien zu besetzen", das heißt: nur wenn die Stelle frei wird, muß sie nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach diesen Richtlinien sofort besetzt werden. Das genügt doch einstweilen für die Übergangszeit und für den Personenkreis vollauf. Wir haben dadurch die Gewähr, daß zwei solche Bewerber hereinkommen, bevor ein anderer hereinkommt.
Aber wenn wir nun bis nach unten gehen und besonders die Selbstverwaltungskörper allzu sehr einschränken, so kann ich mir vorstellen, daß hinsichtlich dieses Gesetzes und hinsichtlich des Gesetzes zu Art. 131 gerade bei diesem Personenkreis eine psychologisch nicht günstige Stimmung entsteht. Meine Damen und Herren, wir werden nichts erreichen, wenn wir nicht auch von Gesetzes wegen diese Stimmung berücksichtigen. Wir wissen ganz genau — und ich spreche hier als Heimatvertriebener zu Ihnen —, daß noch eine unsichtbare Front durch das deutsche Volk geht. Wir wissen, daß viele von der einheimischen Bevölkerung das Verständnis haben; wir wissen aber, daß es auch solche Kreise gibt, denen noch nicht ganz aufgegangen ist, daß es eine Gesamthaftung des deutschen Volkes gibt. Wenn wir unnütze Verbitterung schaffen, stärken wir die Front derer, die nicht guten Willens sind. Das möchten wir bei diesem Gesetz vermeiden. Die Eingliederung der Flüchtlinge, die in diesem Gesetz einen Anfang nimmt, möchten wir unter einer günstigen seelischen Voraussetzung vornehmen.
Zum Schluß möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, damit kein falscher Eindruck entsteht, noch sagen, was schon längst einmal in der Öffentlichkeit hätte gesagt werden müssen. Bei dem betroffenen Personenkreis handelt es sich nach dem Standpunkt der Heimatvertriebenen leider — aber wir haben dafür das Verständnis, daß es auch andere Kreise gibt, die berücksichtigt werden müssen — nicht nur um Heimatvertriebene. Dieser Pflichtanteil von 20%, auf den in unserem Antrag Bezug genommen wird, bezieht sich auf den gesamten Personenkreis des Art. 131. Das muß einmal ganz deutlich gesagt werden. Wenn wir nur diejenigen einbeziehen, für die eine Unterbringungspflicht besteht, so sinkt der Anteil der Heimatvertriebenen auf unter 50 %. Wenn wir auch noch die hereinnehmen, die nach dem Gesetz nur anzurechnen sind — das sind die Berufssoldaten der Wehrmacht —, dann sinkt der Anteil der Heimatvertriebenen auf 31 %. Das wollen wir bei der Beratung des Gesetzes heute mit. berücksichtigen Ich bitte Sie also, unserem § 1, der die Ausschreibung nicht zur Pflicht macht, aber voll das erreichen will, was wir mit diesem Gesetz wollten, Ihre Zustimmung zu geben.