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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 106. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1950 3913 106. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3914D, 3925C, 3937D, 3981D Unfall des Abg. Schmidt (Bayern) 3914D Beitritt der Abg. Dr. Dorls und Dr. Richter (Niedersachsen) als Gäste zur Fraktion der WAV 3915A Ordnungsruf des Präsidenten gegen den Abg. Mellies wegen eines Zurufs in der 105. Sitzung 3915A Stellungnahme des Deutschen Bundesrats zu den Gesetzen zur Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes 3915B Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950 3915B Änderung der Tagesordnung 3915B Interpellation der Abg. Dr. Edert, Frau Krahnstöver, Dr. Oellers, Wittenburg u. Gen. betr. Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus Schleswig-Holstein (Nr. 1512 der Drucksachen) in Verbindung mit der der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nr. 1618 der Drucksachen) 3915C .Zur Sache: Dr. Edert (CDU-Hosp.), Interpellant 3915C Ekstrand (SPD), Antragsteller . . 3918A Dr. Bartram, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein 3919C Albertz, niedersächsischer Minister für Vertriebene 3920B Dr. Seelos (BP) 3921C Tichi (BHE) 3922C Farke (DP) 3923D Kuntscher (CDU) 3924B Renner (KPD) 3925D Clausen (SSW) 3927A Frommhold (DRP) 3928B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 3928D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 3929A Dr. Trischler (FDP) 3931A Reitzner (SPD) 3931B Brookmann (CDU) 3932C Wittmann (WAV) 3933C Persönliche Bemerkungen: Dr. Baumgartner (BP) 3935A Clausen (SSW) 3935C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion vom 19. September 1950 (Nr. 1655 der Drucksachen) 3935D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) (zur Geschäftsordnung) 3935D Blücher, Bundesminister für den Marshallplan 3936B Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 1611 der Drucksachen) 3937D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3938 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes (Nr. 1654 der Drucksachen) 3938B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3938B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1634 der Drucksachen) 3939C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3939C Lausen (SPD) 3944C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 3945C Neuburger (CDU) 3946D Eickhoff (DP) 3947C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Nr. 1680 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Belastung des Straßenverkehrs (Nr. 1588 der Drucksachen) 3947D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 3947D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3948A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts (Nr. 1674 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1698 der Drucksachen) . . . 3948B Dr. Greve (SPD), Berichterstatter . 3948B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen (Nrn. 1214, 1420 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1616 der Drucksachen) 3948D Junglas (CDU), Berichterstatter . 3948D Dr. Bertram (Z) 3949D, 3951B Rademacher (FDP) 3950B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3950D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorschußzahlungen auf das Bundesversorgungsgesetz (Nrn. 1699, 1646 der Drucksachen) 3952B Arndgen (CDU), Berichterstatter . 3952B, 3957C Frau Arnold (Z) 3953A Renner (KPD) 3953C Storch, Bundesminister für Arbeit 3955B Bazille (SPD) 3956B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Steuersatz für Ärzte, Zahnärzte und Dentisten (Nrn. 1496, 455 der Drucksachen) 3958A Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . 3958A Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) u. Gen. betr. Notstandsgebiet Wilhelmshaven (Nrn. 1523, 584 der Drucksachen) 3958D Schoettle (SPD), Berichterstatter . 3958D Cramer (SPD) 3959B von Thadden (DRP) . . . . 3960D, 3963A Gundelach (KPD) 3961B Bahlburg (DP) 3961D Kuntscher (CDU) 3962B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzes zur Beschäftigung und Fachausbildung der .schulentlassenen Jugend (Nrn. 1641, 900 der Drucksachen) . 3963B Blachstein (SPD), Berichterstatter 3963C Berlin (SPD) 3963D D. Mende (FDP) 3964C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Dotationen aus der Nazizeit (Nr. 1592 der Drucksachen) 3965A Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 3965B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Nr. 1609 der Drucksachen) . . 3966B Frau Kalinke (DP), Antragstellerin . 3966B, 3971D Storch, Bundesminister für Arbeit . 3968C Degener (CDU) 3970A Richter (Frankfurt) 3970C Bericht des Untersuchungsausschusses Nr. 40 über den Antrag der Fraktion der BP betr. Überprüfung der bisherigen Einfuhren in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Gebiet der Bundesrepublik (Nrn. 381 u. 1596 der Drucksachen) 3915B, 3973B Kriedemann (SPD), Berichterstatter . 3973B, 3977B Dr. Baumgartner (BP) 3974D Dr. Horlacher (CSU) 3979C Strauß (CSU) 3980A Lange (SPD) 3980C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Nr. 1677 der Drucksachen) 3981C Nächste Sitzung 3981D Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Bernhard Reismann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann die Begründung dieses Antrages kurz machen. Denn es vergeht keine Sitzung in diesem Hohen Hause, in der wir uns nicht mit der Not unserer Mitbürger zu befassen haben, die auf die Nazis und namentlich ihre Führer zurückzuführen ist. In der Zeit, als die Nazis, angefangen bei Hitler, der sich selbst reichlich segnete, bis herunter zu den kleinen SS-, SA- und sonstigen Führern das Geld des deutschen Steuerzahlers mit vollen Händen ausstreuten, haben sich gerade die Leute tüchtig gesegnet, die das Unheil verschuldet haben, an dem wir jetzt tragen müssen. Diese Leute haben es im allgemeinen sogar verstanden, sich wunderbar durch die Kriegs- und Nachkriegszeit hindurchzusteuern. Nur in einem Teil von Westdeutschland, nämlich in der amerikanischen Zone, haben ein allgemeines Wiedergutmachungsgesetz und die Bestimmungen über die Entnazifizierung einiges dazu beigetragen, ihnen diese ungerechtfertigten Bereicherungen aus der Nazizeit wieder abzujagen. Dagegen ist in der britischen Zone eine große Zahl gerade von diesen Leuten immer noch im Besitz der Vermögenswerte, die ganz erheblich sind, und erfreuen sich in einer Zeit, in der die Opfer des Krieges darben, noch in Saus und Braus ihrer Gewinne aus der Zeit ihrer verflossenen Herrlichkeit.
    Daß ich nicht übertreibe, will ich nur an einem einzigen Beispiel erläutern; ich will es mir versagen, auf die zahlreichen Fälle gleicher Art einzugehen. Aber dieses Beispiel ist so flagrant, daß die Empörung darüber weite Kreise im südlichen und südwestlichen Hannover und im nördlichen Westfalen immer wieder dazu getrieben hat, darauf hinzuweisen, daß hier dringend etwas geschehen muß. Da ist die Witwe des früheren Stabschefs der SA, Paula Lutze, die zur Zeit auf den zwei Gütern, die der Stabschef für seine „verdienstvolle" Tätigkeit in den kurzen Jahren nach seiner Tätigkeit als Postangestellter in Bevergern oder Rheine an Land gezogen hat, und erfreut sich mit Reitpferden, Kaffeebesuchen und großen Empfängen

    (Hört! Hört!)

    nach wie vor des Vermögens, das ihr Mann an Land gezogen hat. Der Saltenhof, ein Gut von ungefähr 300 Morgen, und der Luisenhof in einer Größe von ungefähr 60 Morgen oder umgekehrt — ich weiß nicht, ob die Morgenzahl zu dem einen oder zu dem andern gehört — sind vollständig neu hergerichtet worden. In der Zeit, als das geschah, verkündete Viktor Lutze den Leuten, wenn der Führer nicht durch einen Scheck von 100 000 RM ausgeholfen hätte, wäre er nicht in der Lage gewesen, weiter zu bauen und den Besitz völlig mit neuem Inventar und neuen Gebäuden zu versehen. Diese Güter befinden sich nach wie vor im ungeschmälerten Eigentum und Besitz der Witwe Lutze. In der ersten Zeit der Besatzung wurde ein Verwalter eingesetzt. Heute bemüht sich Frau Lutze darum, samt ihrem Sohn entnazifiziert und den Verwalter loszuwerden, da sie selbst ja nicht gerade zu der Führerschaft der NSDAP gehört hat, damit sie völlig ungestört sich dieser Güter erfreuen kann. Jetzt hat sie — diese arme Frau — eine Schadensanmeldung beim Landkreis eingereicht. Sie meldet sich als Besatzungsgeschädigte zu Wort.

    (Hört! Hört! links.)

    Denn diese armen Leute sind ja wirklich zu bedauern: es ist nicht geradezu alles, was sie an Land gezogen hatten, erhalten geblieben. Sie hat 32 834 DM als Besatzungsschäden angemeldet.
    Damit sich nun die übrigen, die hier um die Pfennige ringen müssen, die bitter notwendig sind und die ihnen wirklich zustehen, trösten können — es geht auch bedeutenden Personen aus dem Dritten Reich so —, will ich einige der Einzelheiten bekanntgeben. Es ist der ehrenwerten Dame ein Pelzmantel abhanden gekommen, der 2400 DM kosten soll und in Rechnung gestellt ist. Es sind Tageskleider im Werte von 1000 DM und Leib-und Bettwäsche im Werte von 3000 DM und Gesellschaftskleider im Werte von 2690 DM abhanden gekommen.

    (Hört! Hört! links.)

    Es sind Kunstgegenstände, Gemälde und Porzellan im Werte von 3000 DM abhanden gekommen. Ich könnte so weiter aufzählen.
    Das sind nun alles die wertvollen, in Generationen ersparten Besitztümer der Familie Lutze! Der Vater war ein kleiner ehrenwerter, ehrsamer Handwerker, der es aber in seinem Leben nicht zu Ersparnissen über 1000 Mark hinaus gebracht hat. Und die Unterschlagungen des Herrn Lutze an der Post in Rheine, Bevergern oder wo es gewesen ist — ich weiß es nicht genau — haben diese großen Beträge auch nicht sicherstellen können. Er hat sie aber sicher nicht von seinen Einnahmen als Stabschef allein erübrigen können. Es ist ganz offenbar so gewesen, daß es namhafte Dotationen aus Mitteln der deutschen Steuerzahler gewesen sind. Sie


    (Dr. Reismann)

    erinnern sich sicher noch an den damals in der Bevölkerung kolportierten Witz. Man hatte in seiner außerdem noch vorhandenen Villa in Berlin erhebliche Mengen Silber gestohlen. In einem Anschlag wurden dem 1000 Mark versprochen, der die gestohlenen Werte im Gesamtbetrage von 20 000 RM wieder beschafft. Es erschien dann ein Anschlag, in dem es hieß: Viktor Lutze, woher hast Du die 20 000 Mark? — Hinterher war eine Belohnung ausgeschrieben für den, der den Täter dieser Anschläge ausfindig machen würde, und zwar von 1000 RM.

    (Heiterkeit.)

    Danach stand dann an der Wand geschrieben: Viktor Lutze, wo hast Du die 21 000 RM her?

    (Erneute Heiterkeit.)

    Also, meine Damen und Herren, Scherz beiseite! Diese Forderung dieser Witwe des früheren Stabschefs ist grotesk. Dieser Zustand, daß die Vertriebenen, Ausgebombten, die Opfer des Krieges, die Hinterbliebenen wie die Versehrten kaum notdürftig zufriedengestellt werden können, daß das deutsche Volk unter den Lasten und Folgen dieses Krieges noch auf Generationen seufzen, darunter leiden wird und daß gleichzeitig die, die den Krieg veranstaltet haben, im ungeschmälerten Besitz aller Güter bleiben sollen, die sie sich ungerechtfertigterweise damals zugeschrieben haben. Dieser Zustand ist unerträglich, und ihm muß ein Ende gemacht werden.
    Diesem Zweck dient der Antrag Drucksache. Nr. 1592. Ich bitte, ihm Ihre Zustimmung zu geben.

    (Lebhafter Beifall auf allen Seiten des Hauses.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, 1 es ist eine Redezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich würde vorschlagen, angesichts der einmütigen Zustimmung des Hauses auf diese Redezeit zu verzichten.

(Zustimmung.)

Darf ich also vorschlagen, keine Aussprache stattfinden zu lassen und den Antrag ohne Aussprache an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Nr. 1609 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Einbringungszeit von 15 Minuten und eine Redezeit von 60 Minuten für die Aussprache vor.
Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Kalinke.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Rahmen der deutschen Sozialpolitik sind die Rentenversicherung und die deutsche Angestelltenversicherung ein Kernstück. Die Deutsche Partei hat deshalb schon einen ihrer ersten Anträge — er trägt die Nr. 44 — am 27. September 1949 zu diesem Thema gestellt und mit diesem Antrag die Wiedererrichtung bzw. die Wiederherstellung der Geschäftsfähigkeit der Angestelltenversicherung gefordert. Freiheit und Sicherheit sollten auch in der Sozialpolitik die Grundlage jeder Entwicklung sein. Für die in der Angestelltenversicherung versicherten Rentner ist diese Freiheit und Sicherheit durch die Gesetzgebung der Militärregierung und durch die Gesetzgebung des Magistrats der Stadt Berlin nicht mehr gewährleistet gewesen. 3,8 Millionen Angestellte und Handwerker sind in der deutschen Angestelltenversicherung versichert. Davon erhalten schon heute 400 000 Rentner, 300 000 Witwen und 140 000 Waisen Renten.
    Es ist Ihnen bekannt, daß die Angestelltenversicherung, deren Hauptgebäude und Verwaltung sich in Berlin befanden, durch einen Befehl der russischen Militärregierung nicht mehr geschäftsfähig war und daß durch die Anordnung des Magistrats von Berlin vom 14. Juli 1945 dieser Befehl fortbestand, daß die Versicherungsanstalt für Angestellte, deren Träger sich in Berlin befand, nun auch für das gesamte Gebiet des Bundes ihrer Geschäftsfähigkeit beraubt wurde. Das bedeutet aber, daß die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die frühere Reichsversicherungsanstalt, de jure noch besteht, daß sie dem Recht nach von keiner Stelle aufgelöst worden ist, da auch die Reichsversicherungsordnung und das Angestelltenversicherungsgesetz, die die Grundlagen für die Gesetzgebung sind, noch in Kraft sind und durch eine Verordnung des Magistrats der Stadt Berlin auch nicht aufgehoben werden konnten.
    Unser Antrag vom September vorigen Jahres ist im Ausschuß deshalb nicht zur Erledigung gekommen, weil die Bundesregierung, und zwar in diesem Falle das Bundesarbeitsministerium, uns gebeten hatte, die Erledigung bis zur Erstellung einer versicherungsmathematischen Bilanz zurückzustellen.

    (Zuruf von der SPD: Welchen Antrag meinen Sie denn?)

    — Ich meine den Antrag Nr. 44, Herr Richter.

    (Abg. Richter: Dieser Antrag ist ja schon längst erledigt!)

    — Es handelt sich um den Antrag zur Wiedererrichtung der Anstalt, und dieser Antrag ist nicht erledigt, weil die Anstalt nicht geschäftsfähig gemacht worden ist. Es ist außerdem der zweite Teil unseres Antrages auf Drucksache Nr. 44 nicht erledigt, in dem wir gefordert haben, die kriegsbedingte Treuhänderschaft der Landesversicherungsanstalten aufzuheben. Diese Aufhebung hat deshalb unter Schwierigkeiten gestanden, weil für die britische Zone eine treuhänderische Anordnung noch von der RfA ergangen war, weil aber in den übrigen Ländern Landesgesetze geschaffen waren, auf Grund deren die Geschäfte der Angestelltenversicherung durch die Landesversicherungsanstalten treuhänderisch wahrgenommen worden sind. Die Bundesregierung hätte also diese treuhänderischen Anweisungen durch Bestimmungen mit Gesetzeskraft inzwischen aufheben müssen.
    Die Behauptung, daß die mathematischen Grundlagen nicht vorhanden waren, entbehrt in der augenblicklichen Situation jeder Begründung, da auch dem Arbeitsministerium im Augenblick bekannt ist, daß die Vermutungen, die in der Öffentlichkeit so oft genährt wurden, die Angestelltenversicherung sei pleite oder sie sei mehr pleite als die Invalidenversicherung, nicht zutreffen. Es ist ja bekannt, daß die Angestelltenversicherung auch heute noch in der Lage ist, 79,7 % ihrer Leistungen aus Beiträgen zu decken, während die Invalidenversicherung nur 52,8 % ihrer Leistungen aus Bei-. trägen decken kann. Wenn man das verlorengegangene Vermögen der Angestelltenversicherung im Rahmen einer Regelung der Kriegsfolgelasten erstatten würde, würde die Angestelltenversicherung durchaus in der Lage sein, einen Überschuß von 6,4 % auszuweisen, während die Invalidenversicherung noch ein Minus von 21,4 % hätte. Soviel


    (Frau Kalinke)

    nur zu dem Argument, daß eine versicherungsmathematische Bilanz die Grundlage sein muß!
    Rechtlich ist aber inzwischen durch das Selbstverwaltungsgesetz, das von Bundestag und Bundesrat mit Mehrheit beschlossen wurde, auch die Geschäftsfähigkeit schon wiederhergestellt worden, indem nämlich die Einsetzung von Organen für die Angestelltenversicherung beschlossen worden ist. Diese Organe werden, wenn sie zusammengetreten sind, die alleinigen Träger der Selbstverwaltung und in der Lage sein, die Angestelltenversicherung wieder in ihre treuhänderische Verwaltung zu nehmen.
    Auf unsere verschiedenen Bitten an die Bundesregierung, die treuhänderische Verwaltung der Angestelltenversicherung in die Hände der Regierung zu legen und auch den Treuhänder in Berlin abzuberufen, hat uns der Herr Bundesminister für Arbeit mitgeteilt, daß er den Antrag bei den Hohen Kommissaren bereits seit Monaten gestellt hat, die Bundesregierung mit der treuhänderischen Verwaltung zu betrauen. Er hat mir aber gleichzeitig mitgeteilt, daß bei der treuhänderischen Verwaltung auch so etwas wie eine Kommission eingesetzt werden soll, bei der dann denjenigen Organisationen, die daran beteiligt sind, ein Auftrag gegeben werden soll.
    Meine Freunde und ich halten eine solche treuhänderische Kommission nicht mehr für notwendig, da durch das Selbstverwaltungsgesetz ja die Angestellten selbst durch ihre Organe wieder die Verwaltung ihrer Versicherung übernehmen können und das auch zweifelsohne tun werden.
    Was nun die Vermögensverwaltung der alten Sozialversicherungsträger angeht, so ist in diesem unserem Antrage zwar von allen Sozialversicherungsträgern gesprochen, die Vermögensverwaltung in Berlin betrifft aber, was die Höhe des Vermögens angeht, in der Hauptsache die Angestelltenversicherung. Daneben werden auch noch die Restvermögen der Krankenversicherung und der Unfallversicherung in Berlin durch einen Treuhänder, den die britische Militärregierung eingesetzt hat, verwaltet. Es ist bemerkenswert, daß dieser Treuhänder weder dem Bundesarbeitsministerium noch dem Verband der Rentenversicherungsträger im Bundesgebiet bisher eine Auskunft über die Vermögensverhältnisse gegeben hat.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Es ist außerdem bemerkenswert, daß deswegen die Grundlagen, wie sie das Arbeitsministerium über das Vermögen der Angestelltenversicherung erstellen kann, wahrscheinlich nicht vollständig sein können, da ihnen ein klarer Überblick über das Vermögen fehlt, das treuhänderisch verwaltet wird.
    Der Herr Arbeitsminister hat bei einer Gelegenheit gesagt, daß dieser Treuhänder eine Einnahme hat, die sicher weit über der unseres Bundespräsidenten liegt. Ich möchte dem beipflichten, halte das für möglich. Wir glauben aber, es ist nicht mehr an der Zeit, daß irgendeine militärische Dienststelle in einer Stadt darüber verfügen kann, was mit dem Vermögen von Sozialversicherungsträgern geschieht, das von allen deutschen Angestellten im ganzen Bundesgebiet aufgebracht worden ist und ihnen gehört, auch den Vertriebenen aus der Ostzone, die hier durch unsere Landesversicherungsanstalten jetzt treuhänderisch die Renten bekommen. Aus diesem Grunde fordern wir erneut, daß endlich die Regierung auch bei den Hohen Kommissaren alles tut, um die Erledigung ihres Antrages zu beschleunigen.
    Wenn wir mit unserem Antrag weiter Fragen gestellt haben, die die finanziellen Verhältnisse der Angestelltenversicherung betreffen, so deshalb, weil wir bisher leider auf unseren Antrag sowohl zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz wie zur Angestelltenversicherung noch kein klares Bild über die echten Verhältnisse in der Angestelltenversicherung und Invalidenversicherung bekommen haben. Die mir zur Verfügung stehenden Zahlen weisen ganz eindeutig aus, daß sowohl in der Invalidenversicherung wie in der Angestelltenversicherung zwar die Grundbeträge der Länder gezahlt worden sind, daß aber zweifelhaft ist, ob die Zahlung nach § 168 a AVG auch aus Mitteln der Länder erfolgt ist. Es ist außerdem zweifelhaft, ob das stimmt, was hier von der Tribüne des Hauses gesagt worden ist, daß die Invalidenversicherung weitgehend die Angestelltenversicherung finanziert hat. Es ist möglich, daß die Invalidenversicherung im Jahre 1945 vorübergehend in Vorlage getreten ist. Es steht aber auch fest — und das ist sehr bemerkenswert —, daß durch das Vorhandensein der treuhänderischen Verwaltung in den Landesversicherungsanstalten nur vier Landesversicherungsanstalten — und das sind diejenigen, die besonders unter der Flüchtlingsnot leiden, nämlich Schleswig- Holstein, Hannover, Oldenburg und Braunschweig nicht in der Lage waren, im Jahre 1949 Vermögensanlagen zu machen. Diese vier Landesversicherungsanstalten mußten Kredite aufnehmen, für die sie sehr hohe Zinsen zahlen. Dagegen haben die übrigen Landesversicherungsanstalten eine wesentliche, in die Millionen gehende Summe als Neuanlagen den Wohnungsbaugesellschaften, besonders dem sozialen Wohnungsbau, für einen viel geringeren Zinssatz zur Verfügung gestellt. Hätten wir eine einheitliche Anstalt für die Angestelltenversicherung gehabt, wäre der Lastenausgleich innerhalb dieser Angestelltenversicherung so gewesen, daß niemals höhere Zinsen ausgegeben worden wären. Der Lastenausgleich, der jetzt laut Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz zwischen den Landesversicherungsanstalten besteht, beschränkt sich nämlich nur auf die Rentenausgaben.
    Es ist außerdem wichtig und nicht uninteressant, daß der Verband der Rentenversicherungsträger sich restlos in Widerspruch zu der Tatsache gestellt hat, daß er zwar die Restanstalt der RfA in Berlin laufend in Anspruch genommen hat, daß er von ihr Auskünfte und Kontoauszüge angefordert hat, daß er sich aber andererseits in keiner Weise verpflichtet hat, das Zusammengehörigkeitsgefühl auch mit den Angestellten und Beamten der alten RfA nicht nur zu pflegen, sondern zu verteidigen. Es wird in der Geschichte der Sozialversicherung ein dunkler Fleck sein, daß der Betriebsrat der Angestelltenversicherung mir in zwei Fällen mit einem Hilfeschrei hier nach Bonn melden mußte, daß der Verband der Rentenversicherungsträger die Restanstalt in Berlin zu prüfen versucht hat, daß er versucht hat, die Gehälter und Löhne dort zu drücken, und daß der Betriebsrat mir schreiben mußte:
    Wenn wir auch Grobheiten und Mißverständnisse gewohnt sind, so möchten wir doch in diesem Fall mit aller Energie darauf hinweisen, daß wir, die Angestellten und Beamten der RfA, die heute noch hier tätig sind und die den Herren vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger jetzt zu teuer werden, es waren, die unter der Drohung der sowjetischen Bajonette und der kommunistischen Politik das Eigentum der ver-


    (Frau Kalinke)

    sicherten Angestellten in der Reichsversicherungsanstalt gerettet und bis heute verwahrt haben.
    Es ist mir peinlich, daß ich so etwas hier von der Tribüne des Hauses sagen muß. Aber es ist zur Ehrenrettung jener aufrechten Männer und Frauen notwendig, die unter sehr turbulenten Verhältnissen in Berlin die Angestelltenversicherung verteidigt haben. Es ist für mich unverständlich, daß der Verband der Rentenversicherungsträger die dann später in einem Übereinkommen — er hat in Berlin ein Büro der Rentenversicherungsträger errichtet — zugesagte monatliche Unterstützung von 45 000 Mark für die Führung der für die britische, amerikanische und französische Zone arbeitenden Büros in Berlin nicht mehr überwiesen hat, so daß nach einem Bericht vom November heute schon ein Rückstand von über 300 000 DM angelaufen ist. Es ist außerdem in der Öffentlichkeit, in Zeitschriften und auch hier von der Tribüne des Hauses behauptet worden, daß das Vermögen der Sozialversicherungsträger und der Angestelltenversicherung im besonderen durch die britische Militärregierung oder andere Militärregierungen genommen sei. Das trifft bei weitem nicht zu. Ich besitze Auszüge, wonach die Konten sowohl bei der Deutschen Bank, Filiale Hannover, an die Niedersächsische Landesversicherungsanstalt als auch bei der Bayerischen Landeskulturrentenbank an die Landesversicherungsanstalt Oberbayern, Darlehensrückzahlungen der Bayernwerk A.-G. und viele Hypothekenbriefe und Effektenbestände den Landesversicherungsanstalten laufend übergeben worden sind. Seit einiger Zeit werden auch die Hypothekenbriefe und Effekten, die hier im Bundesgebiet von der Restanstalt in Berlin zur Einziehung gegeben werden, nicht der ) Restanstalt und der Vermögensverwaltung, sondern den Landesversicherungsanstalten zur Verfügung gestellt.

    (Abg. Neumann: Das ist auch richtig!)

    Wir hoffen, daß es uns nun bald möglich ist, über das Arbeitsministerium zu erfahren, wie die Abrechnung der Landesversicherungsanstalten wirklich aussieht, und wir hoffen, daß dieser Bericht dann erweist, daß nicht die Arbeiter mit ihren Groschen etwa die Renten für die Angestellten und Handwerker aufbringen mußten.
    Ich bedaure, daß bei dieser so wichtigen Materie die Redezeit auch für die Begründung so begrenzt ist.

    (Unruhe und Zurufe.)

    Der Herr Arbeitsminister hat die Forderung erhoben, daß die Kapitaldeckung in der Rentenversicherung, in der Angestellten- und Invalidenversicherung, die vordringlichste Aufgabe des neuen Jahres ist. Diese Kapitaldeckung, so wie sie heute laut einem Bericht in der „Welt" auch als Forderung des Bundesarbeitsministers veröffentlicht worden ist, muß nun wirklich die Grundlagen für die Wiederherstellung einer sicheren Angestelltenversicherung geben, in der Angestellte und Handwerker nach den Prinzipien der Freiheit wieder die Möglichkeit haben, über ihre eigene Versicherung in echter Selbstverantwortung zu bestimmen.

    (Beifall bei der DP und rechts.)