Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht eigentlich das Gesetz begründen und über den Inhalt des Gesetzestextes, über die manchmal recht seltsamen Fachausdrücke des Gesetzestextes und über die Methode des Finanzausgleichs mit Ihnen reden, sondern ich halte mich für verpflichtet, in dieser Stunde über die grundsätzliche Bedeutung dieses Gesetzes einige Worte frei und offen zu Ihnen und zur deutschen Öffentlichkeit zu sprechen.
Dieses Gesetz regelt die Finanzverfassung des Bundes, es regelt also das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern, aber letzten Endes auch zwischen Ländern und Gemeinden. Es ist das dritte Gesetz, das wir auf dem Gebiet der deutschen Finanzverfassung in diesem Jahr geschaffen haben. Das erste Gesetz ist das Gesetz über die Finanzverwaltung gewesen. Ein Gesetz von rein administrativer Bedeutung. Das zweite Gesetz ist das Gesetz über die Überleitung gewesen, das von höchster materieller Bedeutung für Bund und Länder gewesen ist. Das dritte Gesetz, das uns heute vorliegt, das Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern, ist ein Gesetz, das, aus der föderativen Staatsidee geboren, aus dem föderativen Charakter des Bundes heraus notwendig geworden ist und nur in der Gedankenwelt der föderativen Staatsidee leben kann.
Wir sind e i n deutsches Volk und e i n deutscher Wirtschaftsraum;
wir leben in einem Gesamtstaat und gleichzeitig in elf Ländern und der Stadt Berlin und in 25 000 deutschen Gemeinden und Gemeindeverbänden. Wir haben kleine Gemeinwesen, wir haben größere Gemeinwesen, wir haben den Gesamtstaat. Alles zieht seine Kraft aus der deutschen Volkswirtschaft, alles dient dem einen Gedanken: dem Wohl der Gesamtheit des deutschen Volkes in den Grenzen des Bundesgebietes. Um die Größenordnungen zu sehen: Bund, Länder und Gemeinden ziehen aus der deutschen Volkswirtschaft an Steuern und Abgaben einen Betrag von jährlich 27 Milliarden DM.
Das sind etwa 40 % des gesamten deutschen Volkseinkommens. Das sind, wenn wir auf das BruttoSozialprodukt abstellen, 30 % des Bruttosozialprodukts. Diesen Betrag unter den Gemeinden und Gemeindeverbänden, den Ländern und der Stadt Berlin gerecht zu verteilen, ihn dann so nutzbar zu machen, daß er wieder der Gesamtheit des deutschen Volkes ohne Unterschied — ich möchte sagen — der Regio zugute kommt, das ist Aufgabe der deutschen Finanzpolitik, und dem dient auch der Finanzausgleich. Der Finanzausgleich geht aus von der Vielfalt der Entwicklung des Lebens in unserem deutschen Staat und hat zum Ziel, die Einheit der deutschen Finanzpolitik zu schaffen und zu garantieren.
Man braucht in dem Worte „Einheit in der deutschen Finanzpolitik" in keiner Weise einen Gegensatz zur föderativen Staatsidee zu sehen. Im Gegenteil, ich möchte feststellen: Das Grundgesetz hat die föderative Staatsidee übernommen. Wir alle, die wir im öffentlichen Leben ein Amt bekleiden, üben es mit der Verpflichtung aus, dem Grundgesetz und seinen grundlegenden Ideen zu dienen.
Wir sind eine Demokratie. Eine Demokratie kann nicht leben, wenn etwa Kräfte der Demokratie selbst gegenüber der Verfassung der Demokratie in der Bevölkerung Unverständnis, Abneigung, Ablehnung erzeugen würden.
Wir können unser Amt nicht ausüben, wenn wir nicht an die Verpflichtung, die wir mit der Schaffung des Grundgesetzes übernommen haben, ehrlich glauben. Es gibt keine schlechtere Politik und keine Politik, die sich im Staatsleben schlechter belohnt macht, als im Gegensatz zu dem Gesetz, auf das man geschworen hat, ein Gesetz unvernünftig zu handhaben und so, da man es politisch nicht wünscht, ad absurdum zu führen. Das würde in einer Demokratie bedeuten, daß man das Vertrauen des Volkes in den Gesetzgeber und in den, der den Gesetzgeber im Einzelfall verkörpert, grundlegend erschüttert.
Nachdem wir nun einmal ein Grundgesetz haben, das auf der föderativen Staatsideee aufgebaut ist, halte ich es für die Pflicht jedes einzelnen Mitglieds der gesetzgebenden Körperschaft eines deutschen Staatswesens, zu versuchen, der föderativen Staatsidee des Grundgesetzes die Möglichkeit einer fruchtbaren Auswirkung zu geben und das Amt so zu führen, wie es diesem Grundgedanken des Grundgesetzes entspricht. Allerdings, die föderative Staatsidee ist eine Idee, die aus sittlichen Überlegungen geboren ist und die in sich selbst einen sittlichen Wert darstellt.
— Ich werde gleich darüber reden. Ich muß über das ganze Problem im Zusammenhang sprechen,
ich kann nicht zwischen Kopf und Fuß immer abwechseln. Ich bitte, mich meine Rede organisch entwickeln zu lassen.
Ich sage: Der Föderalismus ist eine Idee, geboren aus sittlichen Überlegungen. Er stellt einen sittlichen Wert dar, verlangt aber zum Verständnis auch, daß alle in erster Linie an ihre sittlichen Verpflichtungen und erst in zweiter Linie an ihre materiellen Rechte denken. Es gibt keine Staatsidee und kein Gesetz, es gibt keine Rangordnung in Staat und Gesellschaft, wenn die Verpflichtungen, aus denen heraus sie geboren worden sind, von den Trägern dieser Rangordnung nicht mehr gehandhabt und nicht mehr verstanden werden.
Es sterben Gesetze und Rechte daran, daß die Verpflichtungen daraus nicht mehr gehalten werden.
Auch hier gilt es, grundsätzlich davon auszugehen, daß auch die föderative Staatsidee in erster Linie eine Verpflichtung ist — ihrem Worte nach — gegenüber dem Foedus, dem Bund als der Gemeinschaft, der alle Gemeinwesen dienen. Aber es ist das Wesen der föderativen Staatsidee, daß ein höheres Staatswesen, das sich aus kleinen, natürlich gewordenen Familien, Gemeinden, Gemeindeverbänden, geschichtlich gewordenen Ländern bildet, nicht das zu töten braucht, aus dem es entstanden ist, sondern die kleinen Gemeinwesen, deren Summe es bildet, bestehen und leben läßt, um sich die sittlichen Werte, die in diesen kleinen Gemeinwesen liegen, selbst nutzbar zu machen. Warum sollen wir die Liebe und Treue zu unserer Heimat, in der wir groß geworden, in deren Umgebung unser Charakter und unsere Persönlichkeit sich geformt haben, nicht behalten und einer größeren, umspannenden Idee von Volk und Staat dienstbar machen können?
Warum soll das eine das andere töten? Warum ist nicht die Kunst des Menschenlebens die Kunst der Natur? Gehen Sie durch den deutschen Wald, in dem alles, was gewachsen ist, vom Moos bis zum größten Baumstamm, nebeneinander eine neue Organisation geschaffen hat.
Warum soll es nicht möglich sein, auch im Staats-und Volksleben diese Synthese zu finden? Man denke nicht so sehr technisch! Wer technisch und rationalistisch denkt, wird den Rationalismus immer als das technisch Einfachere und infolgedessen Zweckmäßigere empfinden. Wir hatten schon einmal ein solches technisches Denken, und wir hatten schon einmal einen solchen Staat, der technisch, rationell sehr einfach und sehr wirksam aufgebaut war, einen Staat, in dem die gesamte Macht, die überhaupt in einem Staate und in einem Volke vorhanden ist, lenkend und leitend an einer Stelle konzentriert war. Das war der Staat, in dem Spruchbänder über die Straßen mit der Aufschrift gespannt waren: „Führer befiehl, wir folgen!" Das ist der technisch einfachste Staat, und das ist das Rationellste und, wenn Sie so sagen wollen, das Lebensfeindlichste, was es überhaupt geben kann. Denn es ist lebensfeindlich, das Leben, aus dem man geboren ist, zu töten und nur sich selbst ein Lebensrecht zuzuerkennen. Jener Staat war nur möglich, weil der einzelne Staatsbürger blind und taub gewesen ist; blind dafür, was es für ein Volk bedeutet, wenn nicht mehr der Bürger die Verantwortung für das Schicksal des Volkes trägt, wenn nicht von Gemeinwesen zu Gemeinwesen eine Rangordnung der Verantwortung besteht, sondern wenn alle Macht und alle Verantwortung in einer Zentrale vereinigt sind. Und taub war der Staatsbürger, der seine sittliche Verpflichtung verkannt hat, die Verpflichtung, ich will einmal sagen: Gott mehr zu dienen und ihn mehr zu fürchten als den Menschen; die Verpflichtung, auch einem Diktator gegenüber die Verantwortung für das Wohl
der Allgemeinheit auch als einzelner Staatsbürger zu beanspruchen.
All das mag rationell gedacht sein, und der totale Staat kann gewiß die Technik und die ratio für sich in Anspruch nehmen; aber er tötet das, was lebenswert ist, was uns Menschen innerlich kräftigt und was in die Seele des Menschen eingeht. Der Staat ist keine Maschine, von einem Ingenieur ersonnen. Das merken wir hier im Grunde doch sehr genau. Der Staat, Bund, Länder und Gemeinwesen sind keine Kompanien, die von einem Mann durch einen Befehl aufgestellt und dirigiert werden.
Wir haben die Vielfalt der Entwicklung, die Viel-fait des Lebens und die sittliche Verantwortung aus dieser Vielfalt des Lebens als einen Reichtum zu sehen und diesen Reichtum im Gedanken der Verpflichtung der Einheit dem Gesamten gegenüber nutzbar zu machen. Es ist eine alte Idee, die in dem Subsidiaritätsprinzip ausgesprochen worden ist, daß der kleinere Kreis das tun soll, was ihm von Natur aus als Zuständigkeit zugefallen ist, und daß jeweils der größere Kreis das tun soll, was der kleinere Kreis seiner Natur nach überhaupt nicht erfüllen kann,
aber beides: nicht nur mit Recht, sondern — und das ist nun einmal das Entscheidende — auch mit Verpflichtung.
Man spricht heute manchmal von einer Krise des Föderalismus und der föderativen Idee. Wenn man davon spricht, dann kann man davon sprechen, weil zwei Denkungsarten diese Idee gefährden. Das eine das sei hier erwähnt — ist das rationalistische, technische Staatsdenken, das alles möglichst einfach, aber auch alles möglichst seelenlos gestaltet haben will. Und das zweite ist dies, daß man den Föderalismus verwechselt mit einem Egoismus der einzelnen Glieder,
daß man nicht so sehr daran denkt, daß der Föderalismus ein Zusammenarbeiten aller Gemeinwesen im Staats erfordert, genau so wie auch der Körper nur gesund ist, wenn alle seine Organe zusammenarbeiten, und daß seine innere Berechtigung gerade in dieser Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit liegt.
Eine besondere Erschwernis der deutschen Situation liegt darin, daß nicht alle diese Organe gleichmäßig geschichtlich geworden sind. Wir haben deutsche Länder, wie zum Beispiel meines Heimat, die nun einmal auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Man kann über sie sagen, was man will: niemand wird bestreiten können, daß es sich bei Bayern um ein Land mit Staatsgefühl handelt. Ich kann aber von einem früheren Verwaltungsbezirk, den der Zufall der Katastrophe des Jahres 1945, der Zufall einer Zonengrenze mit einer Autobahn als Demarkationslinie geschaffen hat, natürlich nicht erwarten, daß in ihm in der kurzen Zeit von drei Jahren ein Staatsgefühl erwächst. Das wäre wirklich zuviel verlangt. Infolgedessen ist die Schwierigkeit offen zuzugeben, die darin liegt, daß die deutschen Länder in ihrem ganzen inneren Gefühl, in dem Verhältnis Land — Bevölkerung, Land — Bund verschieden zu bewerten sind: Die früheren Verwaltungsbezirke ohne eigene staatliche Geschichte und vielleicht auch ohne die wirtschaftliche Abrundung, die an sich erforderlich
wäre, und die anderen alten Staaten, in denen heute noch die Landesfarben mehr gelten und mehr gesehen werden als vielleicht die Farben des Bundes. Man soll sich keine Vorwürfe machen. Man soll die geschichtliche Entwicklung sehen und sie verstehen. Und das ist die Kunst von Gesetzgebern, die die Gesetze ihrem Sinne nach ausüben wollen: über diese Verschiedenheiten hinweg nicht an die Schwierigkeiten zu denken, sondern an die Aufgabe. Und diese Aufgabe heißt: Den Reichturn, der in der Vielfalt liegt, zu bewahren, aber der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Peccatur intra muros et extra. Gesündigt wird im Lager derer, die das Wort Föderalismus für sich in Anspruch nehmen, und gesündigt wird im Lager derer, die ihn nicht für sich in Anspruch nehmen, die es aber ihrer Aufgabe nach eigentlich tun sollten.
Es ist eine Sünde, wenn man sich an die Zuständigkeiten und die Aufteilung der Verwaltungsaufgaben, die das Grundgesetz vorsieht, prinzipiell nicht hält, wenn der Kompetenzhunger vielleicht dazu führt, aus rein bürokratischer Überlegung heraus Aufgaben, die nun einmal nicht Aufgaben des Bundes sind, den Ländern zu entwinden, ohne daß man die sachliche Berechtigung vorbringen könnte, daß die Länder nicht in der Lage wären oder sich nicht in der Lage gezeigt hätten, diese Aufgaben auch wirklich zum deutschen Wohl durchzuführen. Selbstverständlich ist es auch eine Versündigung gegen diesen Geist, wenn z. B. der Deutsche Bundestag die Praxis einführen sollte, durch seine Gesetzgebungsgewalt den Ländern das finanzielle Leben unmöglich zu machen,
in diesem Hause Gesetze zu beschließen, die den Ländern unmittelbare Ausgaben aufbürden, was meiner Überzeugung nach dem Sinn, dem Geist und dem Wortlaut der Verfassung widerspricht. Wenn er bei allen Beschlüssen, die er faßt, um so rascher faßt, als nicht er sie haushaltsmäßig zu decken hat, sondern die Länder, die finanzielle Verantwortung dem überläßt, der an der Gesetzgebung nicht beteiligt ist, dann ist das kein redliches Spiel. Wenn wir uns in allen Fällen an die Spielregeln des redlichen Spiels halten würden, dann würden wir auch den Verpflichtungen, die durch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gegeben sind, mehr Achtung zollen.
Die Regelung, die das Grundgesetz vorsieht, die sogenannten nichtgedeckten Ausgaben des Bundes einfach durch Anteile der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer der Länder zu decken, ist nicht ganz durchdacht. Sie ist wieder an eine Voraussetzung geknüpft, die ja zum Konflikt führen muß, nämlich an die Voraussetzung der Zustimmung dessen, dem man die Steuerquellen wegnimmt. Wenn dieser aber bei den vorausgehenden Gesetzen, die die Ausgaben geschaffen haben und die jetzt auf seine Kosten gedeckt werden sollen, nicht das Zustimmungsrecht hatte, dann muß die Anwendung solcher Bestimmungen fast unvermeidlich zu einem Konflikt und damit zu einer Störung des Staatslebens führen.
Es wird aber nicht nur gesündigt extra muros, sondern es wird auch intra muros gesündigt.
Ein Beispiel ist gerade das vorliegende Gesetz.
Sie erinnern sich, daß beim ersten Überleitungsgesetz die sogenannten steuerschwachen Länder ihre Zustimmung dazu gegeben haben, die Interessenquoten einzuführen und diese auf den Bedarf
aufzubauen, der im einzelnen Lande anfällt, statt sie nach der Steuerkraft auszurechnen. Sie erinnern sich, daß die steuerschwachen Länder diese Zustimmung gegeben haben, weil die steuerstarken Länder ihnen das feierliche Versprechen gaben, den horizontalen Finanzausgleich möglichst rasch durchzuführen und die Interessenquoten als Moment der Rechnung mit einzuschalten. Der Finanzausgleich geht den üblichen Weg aller Gesetze und braucht infolgedessen lange Zeit. Das Finanzbedürfnis der steuerschwachen Länder ist gerade durch die Interessenquote ein dringendes geworden. Ich bedaure es sehr, daß die steuerstarken Länder, nicht weil sie nicht können, sondern weil ihnen einzelne Lieblingsbestimmungen, die sie im Kopf hatten, nicht genehmigt worden sind, sich nunmehr weigern, zu erfüllen, was sie früher versprochen hatten, nämlich den steuerschwachen Ländern schon im Vorgriff auf das Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich durch Verwaltungsvereinbarungen den Ausgleich dafür zu geben, daß diese bei Abschluß des ersten Überleitungsgesetzes an die Redlichkeit der steuerstarken Länder geglaubt haben.
Wenn Finanzausgleich in dem Sinne verstanden wird, daß jedes Land sich bei dieser Gesetzgebung nur ausrechnet, ob der materielle Vorteil, den es erhält, 50 Mark mehr oder weniger beträgt, wovon es seine Zustimmung abhängig macht, und wenn der Finanzausgleich nicht verstanden wird im Sinne eines brüderlichen Zusammenarbeitens aller Länder untereinander, um sich gegenseitig und der Allgemeinheit zu helfen, dann ist das ein peccatum intra muros.
Genau das gleiche gilt bei der Steuerpolitik. Auch hier muß ich sagen: die Steuerpolitik der Länder muß davon ausgehen, daß wir alle letzten Endes eine gemeifisame Aufgabe haben und nicht nur ein Haufen von Konkurrenten sind,
die sich um Wirtschaftsbetriebe bewerben. Ich möchte die Länder davor warnen, in diesem Konkurrenzstreben dazu überzugehen, Wirtschaftsbetrieben, die sich in ihrem Gebiet niederlassen, besondere Steuervorteile auf kürzere oder längere Zeit zu gewähren, wie sie häufig nicht intra legem, sondern contra legem gegeben werden können, um dadurch ihre Wirtschaftskraft zu stärken. Das gilt im Einzelfall immer als ein großer Vorzug. Aber wenn wir insgesamt denken, ist dieses Konkurrenzstreben aller elf Länder und Berlins der Allgemeinheit gegenüber nur schädlich und gefährlich.
Auch auf dem Gebiet der Staatsverwaltung möchte ich den dringenden Wunsch aussprechen, daß es da, wo die Gesetzgebung in der Hand des Bundes liegt, als selbstverständlich betrachtet werden müßte, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, sich die Erfahrungen der Staatsverwaltung nutzbar zu machen, und daß man, wenn z. B. der Bundesfinanzminister mit den Oberfinanzpräsidenten über ihre Verwaltungserfahrungen auch auf Gebieten spricht, die zur Zeit nicht unmittelbar Gegenstand der Bundesgesetzgebung sind, darin den guten Willen zur Zusammenarbeit und nicht eifersüchtig einen Streit um Kompetenzen sehen sollte.
Die föderative Idee ist eine Idee der Brüderlichkeit, wie die Demokratie eine Idee der Gleichheit ist. Brüderlichkeit und Gleichheit sollten sich in unserem Staatsleben ergänzen, um das dritte Gemeinsame, die wirkliche, innere, wahre Freiheit des Staatslebens, zu schaffen.
Wenn wir das Wesen dieser Staatsidee in dem sittlichen Gedanken sehen und an unser Staatsleben auch mit sittlicher Pflichterfüllung herantreten, dann werden wir aus dem Gemüt heraus alle von selbst in diesen schwierigen Fragen den rechten Weg finden.
Nun kommt in der gegenwärtigen Verfassungssituation die dritte Frage: Sind die Voraussetzungen für das Funktionieren dieser Staatsidee allseits gegeben? Und nun gebe ich offen zu und habe zugegeben: Wenn wir in ganz Deutschland geschichtlich gewordene Staaten als Länder hätten, wäre das Zusammenspiel wesentlich einfacher. Sie können einem geschichtlich gewordenen Staat, wie es das Land Bayern ist, nie das Staatsgefühl nehmen, und jeder, der es ihm nehmen wollte, würde es sich in seinem ganzen Gefühl, seinem ganzen Temperament und in seiner inneren Einstellung unnötig zum Gegner machen,
ungeachtet aller parteipolitischen Bilder. Denn auch die Parteien, die im Bunde unitarisch-zentralistisch sind, sprechen in Bayern in den Wahlversammlungen stark föderalistisch und müssen so sprechen.
Das ist Volkscharakter, und das muß man verstehen. Wenn man dieses Land gesehen hat und seine Geschichte kennt — und Sie brauchen nur eine Postkarte anzusehen, auf der irgendein Dorfbild wiedergegeben ist —, dann sehen Sie es aus der Bauart und allem von vornherein: das ist bodengebunden, das ist bodenverwachsen, das ist entweder ein oberbayerisches, ein niederbayerisches, oberpfälzisches, fränkisches oder schwäbisches Haus und schwäbische Heimat. Das läßt sich nicht verwischen. Da täte man besser, diese Imponderabilien des Volkslebens zu erkennen, einzuschätzen und nicht mit dem Schema und mit dem Lineal über das wirkliche Leben seelenlos hinwegzugehen. Aber ich gebe zu, daß andere Länder als Verwaltungs-Distrikte entstanden sind und ihre Grenzen dem Zufall des Jahres 1945 weitgehend zu verdanken haben.
Ich darf aber darauf hinweisen, daß man auch die Neugliederung nicht in erster Linie nach dem Schema betreiben darf. Ich will einmal ein ganz heikles Thema aufwerfen. Wenn man in der Frage Südweststaat ruhig nicht bloß wirtschaftlich, sondern auch an gewisse innere Gemütsbindungen von vornherein gedacht hätte, dann wäre die Frage vielleicht nicht so unbefriedigend verlaufen, wie es geschehen ist
und nun als schwere Aufgabe vor dem Bunde steht.
Dieses Thema steht im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich. Wenn Sie die Seite 29 der Begründung nachlesen, dann sehen Sie, daß der Finanzausgleich das Bestmögliche geleistet hat, in dem die Finanzkraft und die finanzielle Belastung der Steuerstarken und der Steuerschwachen sich möglichst angenähert haben, und in dem die Reihenfolge der Länder nach ihrer Finanzkraft auch nach Durchführung des Finanzausgleichs die gleiche bleibt. Wer der Reichste war, bleibt auch hernach der Reichste, aber er ist nicht mehr in einem so großen Abstand der Reichste, wie er es
vorher war. Wer der Schwächste war, bleibt der Schwächste, aber er ist es nicht in einem so weiten Abstand, wie er es vorher gewesen ist.
Nur ein Problem und ein Land ist in diesem Finanzausgleich auch mit allen Methoden der Wissenschaft nicht zu lösen, und das heißt Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein erhält im Finanzausgleich das Doppelte dessen, was die gesamten Steuereinnahmen dieses Landes ausmacht,