Rede:
ID0110606200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 0
    1. tocInhaltsverzeichnis
      Deutscher Bundestag 106. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1950 3913 106. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 3914D, 3925C, 3937D, 3981D Unfall des Abg. Schmidt (Bayern) 3914D Beitritt der Abg. Dr. Dorls und Dr. Richter (Niedersachsen) als Gäste zur Fraktion der WAV 3915A Ordnungsruf des Präsidenten gegen den Abg. Mellies wegen eines Zurufs in der 105. Sitzung 3915A Stellungnahme des Deutschen Bundesrats zu den Gesetzen zur Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes 3915B Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienste des Bundes stehenden Personen vom 17. Mai 1950 3915B Änderung der Tagesordnung 3915B Interpellation der Abg. Dr. Edert, Frau Krahnstöver, Dr. Oellers, Wittenburg u. Gen. betr. Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus Schleswig-Holstein (Nr. 1512 der Drucksachen) in Verbindung mit der der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Nr. 1618 der Drucksachen) 3915C .Zur Sache: Dr. Edert (CDU-Hosp.), Interpellant 3915C Ekstrand (SPD), Antragsteller . . 3918A Dr. Bartram, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein 3919C Albertz, niedersächsischer Minister für Vertriebene 3920B Dr. Seelos (BP) 3921C Tichi (BHE) 3922C Farke (DP) 3923D Kuntscher (CDU) 3924B Renner (KPD) 3925D Clausen (SSW) 3927A Frommhold (DRP) 3928B Goetzendorff (DRP-Hosp.) 3928D Dr. Lukaschek, Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen 3929A Dr. Trischler (FDP) 3931A Reitzner (SPD) 3931B Brookmann (CDU) 3932C Wittmann (WAV) 3933C Persönliche Bemerkungen: Dr. Baumgartner (BP) 3935A Clausen (SSW) 3935C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen über die Gründung einer Europäischen Zahlungsunion vom 19. September 1950 (Nr. 1655 der Drucksachen) 3935D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) (zur Geschäftsordnung) 3935D Blücher, Bundesminister für den Marshallplan 3936B Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin (West) (Nr. 1611 der Drucksachen) 3937D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3938 A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes (Nr. 1654 der Drucksachen) 3938B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3938B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1634 der Drucksachen) 3939C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3939C Lausen (SPD) 3944C Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 3945C Neuburger (CDU) 3946D Eickhoff (DP) 3947C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes (Nr. 1680 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Belastung des Straßenverkehrs (Nr. 1588 der Drucksachen) 3947D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 3947D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3948A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts (Nr. 1674 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 1698 der Drucksachen) . . . 3948B Dr. Greve (SPD), Berichterstatter . 3948B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiedererhebung der Beförderungssteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr und zur Änderung von Beförderungsteuersätzen (Nrn. 1214, 1420 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1616 der Drucksachen) 3948D Junglas (CDU), Berichterstatter . 3948D Dr. Bertram (Z) 3949D, 3951B Rademacher (FDP) 3950B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3950D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Vorschußzahlungen auf das Bundesversorgungsgesetz (Nrn. 1699, 1646 der Drucksachen) 3952B Arndgen (CDU), Berichterstatter . 3952B, 3957C Frau Arnold (Z) 3953A Renner (KPD) 3953C Storch, Bundesminister für Arbeit 3955B Bazille (SPD) 3956B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Steuersatz für Ärzte, Zahnärzte und Dentisten (Nrn. 1496, 455 der Drucksachen) 3958A Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . 3958A Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Richter (Niedersachsen) u. Gen. betr. Notstandsgebiet Wilhelmshaven (Nrn. 1523, 584 der Drucksachen) 3958D Schoettle (SPD), Berichterstatter . 3958D Cramer (SPD) 3959B von Thadden (DRP) . . . . 3960D, 3963A Gundelach (KPD) 3961B Bahlburg (DP) 3961D Kuntscher (CDU) 3962B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Vorlage eines Gesetzes zur Beschäftigung und Fachausbildung der .schulentlassenen Jugend (Nrn. 1641, 900 der Drucksachen) . 3963B Blachstein (SPD), Berichterstatter 3963C Berlin (SPD) 3963D D. Mende (FDP) 3964C Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betr. Dotationen aus der Nazizeit (Nr. 1592 der Drucksachen) 3965A Dr. Reismann (Z), Antragsteller . 3965B Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Nr. 1609 der Drucksachen) . . 3966B Frau Kalinke (DP), Antragstellerin . 3966B, 3971D Storch, Bundesminister für Arbeit . 3968C Degener (CDU) 3970A Richter (Frankfurt) 3970C Bericht des Untersuchungsausschusses Nr. 40 über den Antrag der Fraktion der BP betr. Überprüfung der bisherigen Einfuhren in das Vereinigte Wirtschaftsgebiet und in das Gebiet der Bundesrepublik (Nrn. 381 u. 1596 der Drucksachen) 3915B, 3973B Kriedemann (SPD), Berichterstatter . 3973B, 3977B Dr. Baumgartner (BP) 3974D Dr. Horlacher (CSU) 3979C Strauß (CSU) 3980A Lange (SPD) 3980C Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Nr. 1677 der Drucksachen) 3981C Nächste Sitzung 3981D Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
    2. folderAnlagen
      Keine Anlage extrahiert.
    • insert_commentVorherige Rede als Kontext
      Rede von: Unbekanntinfo_outline


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

      Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht eigentlich das Gesetz begründen und über den Inhalt des Gesetzestextes, über die manchmal recht seltsamen Fachausdrücke des Gesetzestextes und über die Methode des Finanzausgleichs mit Ihnen reden, sondern ich halte mich für verpflichtet, in dieser Stunde über die grundsätzliche Bedeutung dieses Gesetzes einige Worte frei und offen zu Ihnen und zur deutschen Öffentlichkeit zu sprechen.

      (Abg. Frau Dr. Weber: Sehr gut!)

      Dieses Gesetz regelt die Finanzverfassung des Bundes, es regelt also das finanzielle Verhältnis zwischen Bund und Ländern, aber letzten Endes auch zwischen Ländern und Gemeinden. Es ist das dritte Gesetz, das wir auf dem Gebiet der deutschen Finanzverfassung in diesem Jahr geschaffen haben. Das erste Gesetz ist das Gesetz über die Finanzverwaltung gewesen. Ein Gesetz von rein administrativer Bedeutung. Das zweite Gesetz ist das Gesetz über die Überleitung gewesen, das von höchster materieller Bedeutung für Bund und Länder gewesen ist. Das dritte Gesetz, das uns heute vorliegt, das Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern, ist ein Gesetz, das, aus der föderativen Staatsidee geboren, aus dem föderativen Charakter des Bundes heraus notwendig geworden ist und nur in der Gedankenwelt der föderativen Staatsidee leben kann.

      (Sehr gut! in der Mitte.)

      Wir sind e i n deutsches Volk und e i n deutscher Wirtschaftsraum;

      (Zustimmung in der Mitte)

      wir leben in einem Gesamtstaat und gleichzeitig in elf Ländern und der Stadt Berlin und in 25 000 deutschen Gemeinden und Gemeindeverbänden. Wir haben kleine Gemeinwesen, wir haben größere Gemeinwesen, wir haben den Gesamtstaat. Alles zieht seine Kraft aus der deutschen Volkswirtschaft, alles dient dem einen Gedanken: dem Wohl der Gesamtheit des deutschen Volkes in den Grenzen des Bundesgebietes. Um die Größenordnungen zu sehen: Bund, Länder und Gemeinden ziehen aus der deutschen Volkswirtschaft an Steuern und Abgaben einen Betrag von jährlich 27 Milliarden DM.


      (Bundesfinanzminister Schäffer)

      Das sind etwa 40 % des gesamten deutschen Volkseinkommens. Das sind, wenn wir auf das BruttoSozialprodukt abstellen, 30 % des Bruttosozialprodukts. Diesen Betrag unter den Gemeinden und Gemeindeverbänden, den Ländern und der Stadt Berlin gerecht zu verteilen, ihn dann so nutzbar zu machen, daß er wieder der Gesamtheit des deutschen Volkes ohne Unterschied — ich möchte sagen — der Regio zugute kommt, das ist Aufgabe der deutschen Finanzpolitik, und dem dient auch der Finanzausgleich. Der Finanzausgleich geht aus von der Vielfalt der Entwicklung des Lebens in unserem deutschen Staat und hat zum Ziel, die Einheit der deutschen Finanzpolitik zu schaffen und zu garantieren.
      Man braucht in dem Worte „Einheit in der deutschen Finanzpolitik" in keiner Weise einen Gegensatz zur föderativen Staatsidee zu sehen. Im Gegenteil, ich möchte feststellen: Das Grundgesetz hat die föderative Staatsidee übernommen. Wir alle, die wir im öffentlichen Leben ein Amt bekleiden, üben es mit der Verpflichtung aus, dem Grundgesetz und seinen grundlegenden Ideen zu dienen.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Wir sind eine Demokratie. Eine Demokratie kann nicht leben, wenn etwa Kräfte der Demokratie selbst gegenüber der Verfassung der Demokratie in der Bevölkerung Unverständnis, Abneigung, Ablehnung erzeugen würden.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Wir können unser Amt nicht ausüben, wenn wir nicht an die Verpflichtung, die wir mit der Schaffung des Grundgesetzes übernommen haben, ehrlich glauben. Es gibt keine schlechtere Politik und keine Politik, die sich im Staatsleben schlechter belohnt macht, als im Gegensatz zu dem Gesetz, auf das man geschworen hat, ein Gesetz unvernünftig zu handhaben und so, da man es politisch nicht wünscht, ad absurdum zu führen. Das würde in einer Demokratie bedeuten, daß man das Vertrauen des Volkes in den Gesetzgeber und in den, der den Gesetzgeber im Einzelfall verkörpert, grundlegend erschüttert.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Nachdem wir nun einmal ein Grundgesetz haben, das auf der föderativen Staatsideee aufgebaut ist, halte ich es für die Pflicht jedes einzelnen Mitglieds der gesetzgebenden Körperschaft eines deutschen Staatswesens, zu versuchen, der föderativen Staatsidee des Grundgesetzes die Möglichkeit einer fruchtbaren Auswirkung zu geben und das Amt so zu führen, wie es diesem Grundgedanken des Grundgesetzes entspricht. Allerdings, die föderative Staatsidee ist eine Idee, die aus sittlichen Überlegungen geboren ist und die in sich selbst einen sittlichen Wert darstellt.

      (Abg. Dr. Koch: Die unitarische auch!)

      — Ich werde gleich darüber reden. Ich muß über das ganze Problem im Zusammenhang sprechen,

      (Sehr richtig! in der Mitte)

      ich kann nicht zwischen Kopf und Fuß immer abwechseln. Ich bitte, mich meine Rede organisch entwickeln zu lassen.
      Ich sage: Der Föderalismus ist eine Idee, geboren aus sittlichen Überlegungen. Er stellt einen sittlichen Wert dar, verlangt aber zum Verständnis auch, daß alle in erster Linie an ihre sittlichen Verpflichtungen und erst in zweiter Linie an ihre materiellen Rechte denken. Es gibt keine Staatsidee und kein Gesetz, es gibt keine Rangordnung in Staat und Gesellschaft, wenn die Verpflichtungen, aus denen heraus sie geboren worden sind, von den Trägern dieser Rangordnung nicht mehr gehandhabt und nicht mehr verstanden werden.

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Es sterben Gesetze und Rechte daran, daß die Verpflichtungen daraus nicht mehr gehalten werden.

      (Abg. Dr. Koch: Sehr richtig!)

      Auch hier gilt es, grundsätzlich davon auszugehen, daß auch die föderative Staatsidee in erster Linie eine Verpflichtung ist — ihrem Worte nach — gegenüber dem Foedus, dem Bund als der Gemeinschaft, der alle Gemeinwesen dienen. Aber es ist das Wesen der föderativen Staatsidee, daß ein höheres Staatswesen, das sich aus kleinen, natürlich gewordenen Familien, Gemeinden, Gemeindeverbänden, geschichtlich gewordenen Ländern bildet, nicht das zu töten braucht, aus dem es entstanden ist, sondern die kleinen Gemeinwesen, deren Summe es bildet, bestehen und leben läßt, um sich die sittlichen Werte, die in diesen kleinen Gemeinwesen liegen, selbst nutzbar zu machen. Warum sollen wir die Liebe und Treue zu unserer Heimat, in der wir groß geworden, in deren Umgebung unser Charakter und unsere Persönlichkeit sich geformt haben, nicht behalten und einer größeren, umspannenden Idee von Volk und Staat dienstbar machen können?

      (Sehr richtig! in der Mitte.)

      Warum soll das eine das andere töten? Warum ist nicht die Kunst des Menschenlebens die Kunst der Natur? Gehen Sie durch den deutschen Wald, in dem alles, was gewachsen ist, vom Moos bis zum größten Baumstamm, nebeneinander eine neue Organisation geschaffen hat.

      (Zuruf aus der Mitte: Ganz poetisch!)

      Warum soll es nicht möglich sein, auch im Staats-und Volksleben diese Synthese zu finden? Man denke nicht so sehr technisch! Wer technisch und rationalistisch denkt, wird den Rationalismus immer als das technisch Einfachere und infolgedessen Zweckmäßigere empfinden. Wir hatten schon einmal ein solches technisches Denken, und wir hatten schon einmal einen solchen Staat, der technisch, rationell sehr einfach und sehr wirksam aufgebaut war, einen Staat, in dem die gesamte Macht, die überhaupt in einem Staate und in einem Volke vorhanden ist, lenkend und leitend an einer Stelle konzentriert war. Das war der Staat, in dem Spruchbänder über die Straßen mit der Aufschrift gespannt waren: „Führer befiehl, wir folgen!" Das ist der technisch einfachste Staat, und das ist das Rationellste und, wenn Sie so sagen wollen, das Lebensfeindlichste, was es überhaupt geben kann. Denn es ist lebensfeindlich, das Leben, aus dem man geboren ist, zu töten und nur sich selbst ein Lebensrecht zuzuerkennen. Jener Staat war nur möglich, weil der einzelne Staatsbürger blind und taub gewesen ist; blind dafür, was es für ein Volk bedeutet, wenn nicht mehr der Bürger die Verantwortung für das Schicksal des Volkes trägt, wenn nicht von Gemeinwesen zu Gemeinwesen eine Rangordnung der Verantwortung besteht, sondern wenn alle Macht und alle Verantwortung in einer Zentrale vereinigt sind. Und taub war der Staatsbürger, der seine sittliche Verpflichtung verkannt hat, die Verpflichtung, ich will einmal sagen: Gott mehr zu dienen und ihn mehr zu fürchten als den Menschen; die Verpflichtung, auch einem Diktator gegenüber die Verantwortung für das Wohl


      (Bundesfinanzminister Schäffer)

      der Allgemeinheit auch als einzelner Staatsbürger zu beanspruchen.

      (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr richtig!) All das mag rationell gedacht sein, und der totale Staat kann gewiß die Technik und die ratio für sich in Anspruch nehmen; aber er tötet das, was lebenswert ist, was uns Menschen innerlich kräftigt und was in die Seele des Menschen eingeht. Der Staat ist keine Maschine, von einem Ingenieur ersonnen. Das merken wir hier im Grunde doch sehr genau. Der Staat, Bund, Länder und Gemeinwesen sind keine Kompanien, die von einem Mann durch einen Befehl aufgestellt und dirigiert werden.


      (Zuruf: Und keine Marschbataillone!)

      Wir haben die Vielfalt der Entwicklung, die Viel-fait des Lebens und die sittliche Verantwortung aus dieser Vielfalt des Lebens als einen Reichtum zu sehen und diesen Reichtum im Gedanken der Verpflichtung der Einheit dem Gesamten gegenüber nutzbar zu machen. Es ist eine alte Idee, die in dem Subsidiaritätsprinzip ausgesprochen worden ist, daß der kleinere Kreis das tun soll, was ihm von Natur aus als Zuständigkeit zugefallen ist, und daß jeweils der größere Kreis das tun soll, was der kleinere Kreis seiner Natur nach überhaupt nicht erfüllen kann,

      (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr richtig!) aber beides: nicht nur mit Recht, sondern — und das ist nun einmal das Entscheidende — auch mit Verpflichtung.

      Man spricht heute manchmal von einer Krise des Föderalismus und der föderativen Idee. Wenn man davon spricht, dann kann man davon sprechen, weil zwei Denkungsarten diese Idee gefährden. Das eine das sei hier erwähnt — ist das rationalistische, technische Staatsdenken, das alles möglichst einfach, aber auch alles möglichst seelenlos gestaltet haben will. Und das zweite ist dies, daß man den Föderalismus verwechselt mit einem Egoismus der einzelnen Glieder,

      (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Hört! Hört!) daß man nicht so sehr daran denkt, daß der Föderalismus ein Zusammenarbeiten aller Gemeinwesen im Staats erfordert, genau so wie auch der Körper nur gesund ist, wenn alle seine Organe zusammenarbeiten, und daß seine innere Berechtigung gerade in dieser Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit liegt.

      Eine besondere Erschwernis der deutschen Situation liegt darin, daß nicht alle diese Organe gleichmäßig geschichtlich geworden sind. Wir haben deutsche Länder, wie zum Beispiel meines Heimat, die nun einmal auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Man kann über sie sagen, was man will: niemand wird bestreiten können, daß es sich bei Bayern um ein Land mit Staatsgefühl handelt. Ich kann aber von einem früheren Verwaltungsbezirk, den der Zufall der Katastrophe des Jahres 1945, der Zufall einer Zonengrenze mit einer Autobahn als Demarkationslinie geschaffen hat, natürlich nicht erwarten, daß in ihm in der kurzen Zeit von drei Jahren ein Staatsgefühl erwächst. Das wäre wirklich zuviel verlangt. Infolgedessen ist die Schwierigkeit offen zuzugeben, die darin liegt, daß die deutschen Länder in ihrem ganzen inneren Gefühl, in dem Verhältnis Land — Bevölkerung, Land — Bund verschieden zu bewerten sind: Die früheren Verwaltungsbezirke ohne eigene staatliche Geschichte und vielleicht auch ohne die wirtschaftliche Abrundung, die an sich erforderlich
      wäre, und die anderen alten Staaten, in denen heute noch die Landesfarben mehr gelten und mehr gesehen werden als vielleicht die Farben des Bundes. Man soll sich keine Vorwürfe machen. Man soll die geschichtliche Entwicklung sehen und sie verstehen. Und das ist die Kunst von Gesetzgebern, die die Gesetze ihrem Sinne nach ausüben wollen: über diese Verschiedenheiten hinweg nicht an die Schwierigkeiten zu denken, sondern an die Aufgabe. Und diese Aufgabe heißt: Den Reichturn, der in der Vielfalt liegt, zu bewahren, aber der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Peccatur intra muros et extra. Gesündigt wird im Lager derer, die das Wort Föderalismus für sich in Anspruch nehmen, und gesündigt wird im Lager derer, die ihn nicht für sich in Anspruch nehmen, die es aber ihrer Aufgabe nach eigentlich tun sollten.
      Es ist eine Sünde, wenn man sich an die Zuständigkeiten und die Aufteilung der Verwaltungsaufgaben, die das Grundgesetz vorsieht, prinzipiell nicht hält, wenn der Kompetenzhunger vielleicht dazu führt, aus rein bürokratischer Überlegung heraus Aufgaben, die nun einmal nicht Aufgaben des Bundes sind, den Ländern zu entwinden, ohne daß man die sachliche Berechtigung vorbringen könnte, daß die Länder nicht in der Lage wären oder sich nicht in der Lage gezeigt hätten, diese Aufgaben auch wirklich zum deutschen Wohl durchzuführen. Selbstverständlich ist es auch eine Versündigung gegen diesen Geist, wenn z. B. der Deutsche Bundestag die Praxis einführen sollte, durch seine Gesetzgebungsgewalt den Ländern das finanzielle Leben unmöglich zu machen,

      (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Hört! Hört!) in diesem Hause Gesetze zu beschließen, die den Ländern unmittelbare Ausgaben aufbürden, was meiner Überzeugung nach dem Sinn, dem Geist und dem Wortlaut der Verfassung widerspricht. Wenn er bei allen Beschlüssen, die er faßt, um so rascher faßt, als nicht er sie haushaltsmäßig zu decken hat, sondern die Länder, die finanzielle Verantwortung dem überläßt, der an der Gesetzgebung nicht beteiligt ist, dann ist das kein redliches Spiel. Wenn wir uns in allen Fällen an die Spielregeln des redlichen Spiels halten würden, dann würden wir auch den Verpflichtungen, die durch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern gegeben sind, mehr Achtung zollen.

      Die Regelung, die das Grundgesetz vorsieht, die sogenannten nichtgedeckten Ausgaben des Bundes einfach durch Anteile der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer der Länder zu decken, ist nicht ganz durchdacht. Sie ist wieder an eine Voraussetzung geknüpft, die ja zum Konflikt führen muß, nämlich an die Voraussetzung der Zustimmung dessen, dem man die Steuerquellen wegnimmt. Wenn dieser aber bei den vorausgehenden Gesetzen, die die Ausgaben geschaffen haben und die jetzt auf seine Kosten gedeckt werden sollen, nicht das Zustimmungsrecht hatte, dann muß die Anwendung solcher Bestimmungen fast unvermeidlich zu einem Konflikt und damit zu einer Störung des Staatslebens führen.
      Es wird aber nicht nur gesündigt extra muros, sondern es wird auch intra muros gesündigt.

      (Abg. Frau Dr. Weber [Essen]: Sehr gut!) Ein Beispiel ist gerade das vorliegende Gesetz.

      Sie erinnern sich, daß beim ersten Überleitungsgesetz die sogenannten steuerschwachen Länder ihre Zustimmung dazu gegeben haben, die Interessenquoten einzuführen und diese auf den Bedarf


      (Bundesfinanzminister Schäffer)

      aufzubauen, der im einzelnen Lande anfällt, statt sie nach der Steuerkraft auszurechnen. Sie erinnern sich, daß die steuerschwachen Länder diese Zustimmung gegeben haben, weil die steuerstarken Länder ihnen das feierliche Versprechen gaben, den horizontalen Finanzausgleich möglichst rasch durchzuführen und die Interessenquoten als Moment der Rechnung mit einzuschalten. Der Finanzausgleich geht den üblichen Weg aller Gesetze und braucht infolgedessen lange Zeit. Das Finanzbedürfnis der steuerschwachen Länder ist gerade durch die Interessenquote ein dringendes geworden. Ich bedaure es sehr, daß die steuerstarken Länder, nicht weil sie nicht können, sondern weil ihnen einzelne Lieblingsbestimmungen, die sie im Kopf hatten, nicht genehmigt worden sind, sich nunmehr weigern, zu erfüllen, was sie früher versprochen hatten, nämlich den steuerschwachen Ländern schon im Vorgriff auf das Gesetz über den horizontalen Finanzausgleich durch Verwaltungsvereinbarungen den Ausgleich dafür zu geben, daß diese bei Abschluß des ersten Überleitungsgesetzes an die Redlichkeit der steuerstarken Länder geglaubt haben.
      Wenn Finanzausgleich in dem Sinne verstanden wird, daß jedes Land sich bei dieser Gesetzgebung nur ausrechnet, ob der materielle Vorteil, den es erhält, 50 Mark mehr oder weniger beträgt, wovon es seine Zustimmung abhängig macht, und wenn der Finanzausgleich nicht verstanden wird im Sinne eines brüderlichen Zusammenarbeitens aller Länder untereinander, um sich gegenseitig und der Allgemeinheit zu helfen, dann ist das ein peccatum intra muros.
      Genau das gleiche gilt bei der Steuerpolitik. Auch hier muß ich sagen: die Steuerpolitik der Länder muß davon ausgehen, daß wir alle letzten Endes eine gemeifisame Aufgabe haben und nicht nur ein Haufen von Konkurrenten sind,

      (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

      die sich um Wirtschaftsbetriebe bewerben. Ich möchte die Länder davor warnen, in diesem Konkurrenzstreben dazu überzugehen, Wirtschaftsbetrieben, die sich in ihrem Gebiet niederlassen, besondere Steuervorteile auf kürzere oder längere Zeit zu gewähren, wie sie häufig nicht intra legem, sondern contra legem gegeben werden können, um dadurch ihre Wirtschaftskraft zu stärken. Das gilt im Einzelfall immer als ein großer Vorzug. Aber wenn wir insgesamt denken, ist dieses Konkurrenzstreben aller elf Länder und Berlins der Allgemeinheit gegenüber nur schädlich und gefährlich.
      Auch auf dem Gebiet der Staatsverwaltung möchte ich den dringenden Wunsch aussprechen, daß es da, wo die Gesetzgebung in der Hand des Bundes liegt, als selbstverständlich betrachtet werden müßte, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit hat, sich die Erfahrungen der Staatsverwaltung nutzbar zu machen, und daß man, wenn z. B. der Bundesfinanzminister mit den Oberfinanzpräsidenten über ihre Verwaltungserfahrungen auch auf Gebieten spricht, die zur Zeit nicht unmittelbar Gegenstand der Bundesgesetzgebung sind, darin den guten Willen zur Zusammenarbeit und nicht eifersüchtig einen Streit um Kompetenzen sehen sollte.

      (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

      Die föderative Idee ist eine Idee der Brüderlichkeit, wie die Demokratie eine Idee der Gleichheit ist. Brüderlichkeit und Gleichheit sollten sich in unserem Staatsleben ergänzen, um das dritte Gemeinsame, die wirkliche, innere, wahre Freiheit des Staatslebens, zu schaffen.

      (Beifall bei der CDU.)

      Wenn wir das Wesen dieser Staatsidee in dem sittlichen Gedanken sehen und an unser Staatsleben auch mit sittlicher Pflichterfüllung herantreten, dann werden wir aus dem Gemüt heraus alle von selbst in diesen schwierigen Fragen den rechten Weg finden.

      (Sehr richtig! bei der CDU.)

      Nun kommt in der gegenwärtigen Verfassungssituation die dritte Frage: Sind die Voraussetzungen für das Funktionieren dieser Staatsidee allseits gegeben? Und nun gebe ich offen zu und habe zugegeben: Wenn wir in ganz Deutschland geschichtlich gewordene Staaten als Länder hätten, wäre das Zusammenspiel wesentlich einfacher. Sie können einem geschichtlich gewordenen Staat, wie es das Land Bayern ist, nie das Staatsgefühl nehmen, und jeder, der es ihm nehmen wollte, würde es sich in seinem ganzen Gefühl, seinem ganzen Temperament und in seiner inneren Einstellung unnötig zum Gegner machen,

      (Zuruf von der SPD: Die Wahlen sind doch schon vorbei!)

      ungeachtet aller parteipolitischen Bilder. Denn auch die Parteien, die im Bunde unitarisch-zentralistisch sind, sprechen in Bayern in den Wahlversammlungen stark föderalistisch und müssen so sprechen.

      (Beifall! bei der CDU.)

      Das ist Volkscharakter, und das muß man verstehen. Wenn man dieses Land gesehen hat und seine Geschichte kennt — und Sie brauchen nur eine Postkarte anzusehen, auf der irgendein Dorfbild wiedergegeben ist —, dann sehen Sie es aus der Bauart und allem von vornherein: das ist bodengebunden, das ist bodenverwachsen, das ist entweder ein oberbayerisches, ein niederbayerisches, oberpfälzisches, fränkisches oder schwäbisches Haus und schwäbische Heimat. Das läßt sich nicht verwischen. Da täte man besser, diese Imponderabilien des Volkslebens zu erkennen, einzuschätzen und nicht mit dem Schema und mit dem Lineal über das wirkliche Leben seelenlos hinwegzugehen. Aber ich gebe zu, daß andere Länder als Verwaltungs-Distrikte entstanden sind und ihre Grenzen dem Zufall des Jahres 1945 weitgehend zu verdanken haben.
      Ich darf aber darauf hinweisen, daß man auch die Neugliederung nicht in erster Linie nach dem Schema betreiben darf. Ich will einmal ein ganz heikles Thema aufwerfen. Wenn man in der Frage Südweststaat ruhig nicht bloß wirtschaftlich, sondern auch an gewisse innere Gemütsbindungen von vornherein gedacht hätte, dann wäre die Frage vielleicht nicht so unbefriedigend verlaufen, wie es geschehen ist

      (Na, Na! bei der SPD)

      und nun als schwere Aufgabe vor dem Bunde steht.
      Dieses Thema steht im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich. Wenn Sie die Seite 29 der Begründung nachlesen, dann sehen Sie, daß der Finanzausgleich das Bestmögliche geleistet hat, in dem die Finanzkraft und die finanzielle Belastung der Steuerstarken und der Steuerschwachen sich möglichst angenähert haben, und in dem die Reihenfolge der Länder nach ihrer Finanzkraft auch nach Durchführung des Finanzausgleichs die gleiche bleibt. Wer der Reichste war, bleibt auch hernach der Reichste, aber er ist nicht mehr in einem so großen Abstand der Reichste, wie er es


      (Bundesfinanzminister Schiffer)

      vorher war. Wer der Schwächste war, bleibt der Schwächste, aber er ist es nicht in einem so weiten Abstand, wie er es vorher gewesen ist.
      Nur ein Problem und ein Land ist in diesem Finanzausgleich auch mit allen Methoden der Wissenschaft nicht zu lösen, und das heißt Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein erhält im Finanzausgleich das Doppelte dessen, was die gesamten Steuereinnahmen dieses Landes ausmacht,

      (Abg. Frau Dr. Weber mehr als 100%. Und trotzdem ist die Bundesregierung der Überzeugung, daß auch das nicht ausreicht, um das Staatsleben in Schleswig-Holstein zu gewährleisten. Der Finanzausgleich soll keine Neugliederung bedeuten und keine Neugliederung vorbereiten. Aber er soll zum Denken anregen. Wir haben uns bei dem Finanzausgleich wahrscheinlich auch über die sogenannte Hanseatenklausel zu unterhalten. Ich schätze die jahrhundertealte Bürgertradition der Hansastädte, und ich schätze ihren Ehrgeiz, ihre Häfen, ihren Handel und ihr Wirtschaftsleben möglichst aus eigener Kraft zu erhalten. Aber keine Stadt darf vergessen, daß sie allein nie leben kann, daß sie ihre Lebenskraft, rein menschlich gesprochen, letzten Endes immer aus dem umgebenden flachen Lande zieht. Bremen und Hamburg sollten daran denken, daß die Arbeitskräfte, die in ihren Häfen, in ihren Kontoren und in ihren Büros stehen, in der Jugend in einer schleswigschen oder niedersächsischen Volksschule gewesen sind, und daß sie, wenn sie alt geworden sind und nicht reüssiert haben — diejenigen, die reüssiert haben, werden in der Stadt bleiben — vielleicht wieder in ihr Dorf zurückkehren und infolgedessen in der Jugend und im Alter der armen Heimat zur Last fallen, in den Jahren ihrer Arbeitskraft aber in der Stadt bleiben. Man sollte diese Zusammenhänge sehen, und ich glaube, es wäre gut, wenn wir in Achtung vor dem selbständigen Denken der Hansastädte doch wenigstens versuchen würden, innerhalb des großen Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern unter den Ländern, die einen stärkeren wirtschaftlichen Nachbarschaftssinn als andere haben, mehr eine Symbiose sehen als andere, und auch an die Möglichkeit eines regionalen Finanzausgleiches gerade auf den Gebieten der Schule und der öffentlichen Fürsorge zu denken. Ich glaube, daß das eine Konsequenz wäre, die sich ergeben könnte, und die uns die Regelung unserer Angelegenheiten in Deutschland ohne verfassungsrechtliche Schwierigkeiten rein nach dem Prinzip von Vernunft und Gerechtigkeit wesentlich erleichtern würde. Das System des Finanzausgleichs, bei dem hier eine Diskrepanz insofern festzustellen ist, als für das eine nun einmal wirtschaftlich nicht lebensfähige Land Schleswig-Holstein ganz außerordentliche Bestimmungen geschaffen werden müssen, die dann dazu führen, daß in manchen Ländern die dort vorhandene Wirtschaftskraft vielleicht mehr geschmälert wird, als gut ist, bedarf einer Verbesserung durch vernünftige Entwicklung; eine vernünftige Haltung der Männer der Politik und des Staatslebens muß daneben stehen, nicht der Egoismus der Stadt und nicht der Egoismus des Landes, sondern die Erkenntnis von der Notwendigkeit des Zusammenlebens zwischen Stadt und umgebendem Land. Man darf überhaupt nicht glauben, daß das Schwergewicht des Ausgleichs immer in den Gesetzen liegt, die den Namen Finanzausgleich tragen. Sie haben sich heute morgen über den Flüchtlingsausgleich unterhalten. Der Flüchtlingsausgleich ist eine der ganz wesentlichen Fragen, die hinzukommen. Denn der Finanzausgleich kann nur ein Stückwerk und kann nur ein kleiner Teil sein, wenn nicht die gesamte Gesetzgebung sich bemüht, die Ursachen für den Notstand einzelner Gebiete überhaupt zu beseitigen. Die drei Ländernamen — Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern — sagen ja schon, wo eine der Hauptursachen und -schwierigkeiten in dem finanziellen Verhältnis zwischen Bund und Ländern und der Länder untereinander liegen. Der wesentliche Ausgleich würde hier geschaffen werden, wenn es endlich gelänge, aus der — entschuldigen Sie das Wort — Tragödie des Flüchtlingsausgleichs zu einem wirklich fruchtbaren Flüchtlingsausgleich zu kommen, der leicht zu erreichen wäre, wenn die Frage Flüchtlingsausgleich nicht vom Standpunkt des Egoismus — aufnehmendes und ablehnendes Land — betrachtet würde, sondern von der sittlichen Verpflichtung aus, die alle Länder, auch die aufnehmenden Länder, der Allgemeinheit und dem deutschen Flüchtlingselend gegenüber haben. Das zweite, woran ich immer zu denken bitte, ist, daß der Ausgleich nicht bloß ein Ausgleich der Kassen und Haushalte ist, sondern daß auch unsere gesamte Investitionspolitik unter diesem Gesichtspunkt stehen muß. Es ist selbstverständlich — und es muß so sein —, daß die Investitionsmittel in erster Linie dahin fließen müssen, wo sie am besten' und zweckmäßigsten verwendet werden, d. h. mit anderen Worten, daß durch die Gunst des Standortes auch die Höhe der aus öffentlicher Hand fließenden Investitionsmittel bestimmt wird. Wenn ich die Verteilung der Investitionsmittel des deutschen Bundes, das Wohnungsbauprogramm, die ERP-Mittel und all das, die im letzten Jahr ungefähr 3,1 Milliarden betrugen, betrachte, so muß ich ganz offen zugestehen, daß der größere Teil davon in die sogenannten steuerstarken, d. h. wirtschaftlich und industriell stark begünstigten Gebiete fließen muß. Es wäre meinem lieben bayerischen Wald nicht geholfen, wenn ich ihm künstlich eine Industrie aufzwänge, die dort nie lebenskräftig wäre. Es wäre meinem lieben bayerischen Wald mit seinen Bewohnern geholfen, wenn die deutschen Investitionen neue Arbeitskapazitäten irgendwo schaffen würden, aber dann der Flüchtlingsausgleich auch wirklich erfolgen würde, um die Überbevölkerung im Gebiet des bayerischen Waldes zu beseitigen und die Menschen zu einer entsprechenden Arbeitsstätte zu bringen. Nicht in einem Gesetz, in der gesamten Politik des Bundes muß der Ausgleich und die Beseitigung der Ursachen für die Not in einzelnen Gebieten und Ländern gesucht werden. Ich habe hier viel von den Ländern gesprochen. Aber ich möchte Ihre Aufmerksamkeit ausdrücklich dahin lenken, daß die Frage des Finanzausgleichs wesentlich auch eine kommunalpolitische Frage ist. In die Berechnungen über den horizontalen Finanzausgleich ist deswegen absichtlich ein Faktor eingebaut worden, der den seltsamen Na men .,veredelte Einwohnerzahl" hat. Es ist also eine Rücksichtnahme auf die Gliederung der deutsehen Gemeinden und Gemeindeverbände in den Ländern, zumal ja diese Gliederung im Wege des inneren Finanzausgleichs zwischen Land und Gemeinden zum Teil wieder für die Lasten mitbestimmend ist, die die Länder zu tragen haben. Wenn der Bund sich auch nicht unmittelbar mit den Kommunalfinanzen und mit Kommunalpolitik zu beschäftigen hat, so hat er doch der Gemeinden als der Glieder des gesamten deutschen Wirt schaftsraumes und des gesamten deutschen Wirtschaftsgefüges und ihrer Aufgaben für das gesamte deutsche Volk auch beim Finanzausgleich gedacht und ihrer gedenken müssen. Ein Einwand, der manchmal gegen das System des Finanzausgleichs erhoben wird, ist der, daß alle subventionierten Gemeinwesen dazu neigen, den inneren Trieb zur Sparsamkeit und zweckmäßigen Verwendung der Mittel zu verlieren. Das können Sie hier bei diesem Finanzausgleich nicht einwenden. Denn dieser Finanzausgleich kümmert sich in gar keiner Weise um die Höhe der einzelnen Haushaltsaufwendungen, die Land oder Gemeinde machen. Er kümmert sich um bestimmte volkswirtschaftliche Faktoren und geht von ihnen aus. Einer dieser Faktoren ist die Beseitigung der Dauerarbeitslosigkeit, die — obwohl im Bundesrat bestritten worden ist, daß diese Beseitigung möglich sei — von der Bundesregierung vorgeschlagen wurde, weil gerade diese Dauerarbeitslosigkeit eine Erscheinung der Notstandsgebiete ist, die nicht allein mit der Zahl der Flüchtlinge begründet werden kann, sondern die weitere wirtschaftliche Wirkungen hat. Wir sehen ja, daß durch Arbeitslosigkeit und Übervölkerung das Gesamteinkommen des einzelnen im ganzen Landesgebiet stark zu sinken pflegt, wie auf der anderen Seite der Zufluß von Investitionen und Betriebsmitteln das gesamte Einkommen über den Zuschuß selbst hinaus zu steigern pflegt, weil ja eine Hand wieder die andere beschäftigt, eine Ware von dem einen zu dem anderen Faktor des Wirtschaftslebens geht. So ist es umgekehrt auch. Infolgedessen haben wir uns für verpflichtet gehalten, auf die Berücksichtigung gerade dieser Notstandsgebiete hinzuweisen. Über die Frage Schleswig-Holstein und Berlin habe ich schon gesprochen. Die Stadt Berlin kann heute in einen Finanzausgleich natürlich noch nicht einbezogen werden. Denn das würde ja zur Voraussetzung haben, daß ihre Steuern unter denselben Bedingungen eingehoben und an den Bund abgeführt würden wie bei den anderen Ländern. Die Voraussetzung wäre also, daß die Steuerverteilung genau dieselbe wäre wie bei den übrigen elf Ländern. Soweit sind wir noch nicht. Wenn wir soweit sind, und wenn Berlin ein zwölftes Land ist, ist Berlin selbstverständlich auch in den Finanzausgleich einzubeziehen wie alle anderen westdeutschen Länder. Ich will einen Überblick darüber, wie der Schicksalsweg dieses Gesetzentwurfs verlaufen wird, noch nicht geben. Der Bundesrat hat sich zu einer Einigung bisher nicht durchringen können. Der Bundesrat hat über den Regierungsentwurf, der Ihnen in seiner unveränderten Fassung vorliegt, nicht abgestimmt. Er hat über Abänderungsanträge abgestimmt, die mit wechselnden Mehrheiten angenommen wurden, die aber das Bild dann so veränderten, daß der abgeänderte Entwurf die Zustimmung der Mehrheit des Bundesrats nicht gefunden hat. Die Bemühungen, im Bundesrat noch zu einer Einigung unter den elf Ländern zu kommen, laufen weiter. Was die Bundesregierung tun kann, um unter den elf Ländern eine Einigung über diesen Gesetzentwurf zu erreichen, wird sie tun, weil sie diesen Gesetzentwurf als einen Prüfstein dafür betrachtet, ob unter den elf deutschen Ländern eine Zusammenarbeit für die gemeinsamen Aufgaben der elf Länder und damit für das gesamte deutsche Volk zu finden und zu erreichen ist. Ich habe das Vertrauen, daß es gelingt, und ich hoffe, daß wir, die wir in all den vergangenen Jahren zwischen den Länderfinanzministern und dem Bundesfinanzminister, zwischen Bund und Ländern eine Finanzpolitik in bestem Einvernehmen treiben konnten, auch hier über alle Schwierigkeiten hinweg zur Erfüllung der föderativen Staatsidee unseres Grundgesetzes kommen. Denn dieses Gesetz zu erfüllen, ist für uns alle Pflicht und Aufgabe. Für die nun folgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtdauer von 60 Minuten vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die Zustimmung des Hauses fest. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lausen. Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat ein Kompliment des ganzen Hauses verdient. Er hat es verstanden, einschmeichelnd und betörend das Haus aufzurufen obgleich dieses Haus in erster Linie das unitarische Prinzip zu vertreten hat —, das offenbar aus den Fugen geratene föderative Prinzip jenes anderen Gremiums wieder in Ordnung zu bringen. Der Herr Bundesfinanzminister hat es ebenso verstanden, uns die hohen sittlichen Qualitäten des Föderalismus zu entwickeln. Wenn er bei Einbringung und Begründung seiner Vorlage über die Einkommensteuer die gleichen sittlichen Qualitäten ins Treffen geführt hätte, dann wäre es ihm entweder gelungen, die sozialdemokratische Opposition in die Knie zu zwingen, oder, was ich eher vermute, er hätte die Vorlage damals gar nicht einbringen können. Und nun, meine Damen und Herren, einige Bemerkungen zum sachlichen Teil. Notwendig scheint uns bei jedem Finanzausgleich zu sein, daß eine laxe Steuererfassung in den einzelnen Ländern vermieden und daß eine laxe Finanzpolitik in den einzelnen Ländern verhindert wird. Ein anderes Argument, das wir in der Diskussion sehr oft gehört haben, daß man nämlich verhindern müsse, daß lebensunfähige Länder durch einen Finanzausgleich gestützt würden, halte ich für sehr billig. Die Diskussion über dieses Thema ist rein akademisch. Ich lasse mich nicht eher von der Ehrlichkeit dieser Argumentation überzeugen, als bis man einmal endlich irgendwo in Deutschland — und zwar gilt das für alle politischen Gruppen — den Mut besitzt, zu einer vernünftigen Neuordnung der Länder zu kommen. Davon sind wir heute — sehen wir uns nur die Südweststaat-Tragikomödie an — noch sehr weit entfernt. Notwendig scheint uns bei einem Finanzausgleich zu sein die Ausschöpfung der Steuerquellen, die Schaffung gleicher Voraussetzungen, wobei ich etwa an die verschiedene Höhe der Einheitswerte in den verschiedenen Ländern denke, Deutscher Bundestag — 100. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Dezember 1950 3945 wobei ich an jenes Faktum denke, daß z. B. in einem Lande wie Schleswig-Holstein der steuerliche Ertrag pro ha 13 DM, in einem Lande wie Württ.emberg-Baden 27 DM ausmacht. Das ist eine Diskrepanz, die unbedingt der Aufklärung bedürfte. Notwendig scheint uns auch zu sein, daß das System der Steuerstundungen in den einzelnen Ländern einmal kritisch unter die Lupe genommen wird. Ebenso notwendig ist nach unserer Meinung eine vernünftige Aufteilung der Lasten zwischen Land und Gemeinden, wobei ich darauf hinweise, daß auch hier eine erhebliche Diskrepanz in den einzelnen Ländern besteht, beispielsweise bei den Aufwendungen für die Polizei oder bei den Aufwendungen für die Schule. Wie weit kommt nun die heutige Vorlage diesen Anforderungen entgegen? Selbstverständlich fehlt es bei dem Versuch, zu objektiven Maßstäben zu kommen, an einer Reihe von Voraussetzungen, die wahrscheinlich nie erfüllt werden können. Jedem Versuch, einen objektiven Maßstab zu geben, sind Grenzen allein durch die Tatsache gesetzt, daß die Struktur der historisch gewordenen Länder einfach statistisch nicht bis zum letzten erfaßbar ist. Insofern wird also die Schaffung objektiver Maßstäbe immer ihre Grenze finden. Grundsätzlich aber halten wir den Versuch, wie er vorliegt, für durchaus richtig und folgerichtig, und wir meinen, daß die Vorlage, wenn sie entsprechend verfeinert wird, tragbar ist. Es wird dadurch ein peinliches Aushandeln, womöglich sogar nach politischen Gesichtspunkten, verhindert. Es wird dadurch in Zukunft jene Agitation verhindert, die jeder von uns in den Ländern immer wieder erlebt, vor allen Dingen in den gebenden Ländern, wo es heißt: „Wir haben eine sparsame Verwaltung und geben unser Geld denen, die sich trotz ihrer Armut Luxusausgaben leisten." Wir sehen in diesem Versuch das Bemühen, die politische Selbständigkeit der Länder, soweit es möglich ist, zu erhalten, ohne diese Länder peinlichen Kontrollen auszusetzen. Wie weit die Steuerkraft als der geeignete objektive Maßstab angesehen werden kann, steht zur Diskussion. Zweifellos haben tendenziell die Leute recht, die sagen, daß die Steuerkraft ihr Korrelat in dem Finanzbedarf finde. Was aber ernstlich zu prüfen wäre, ist die Frage, wieweit man der Berechnung der Steuerkraft das Sollaufkommen zugrunde legen kann, und zwar gegenüber dem Istaufkommen, wie das in dieser Vorlage geschieht, obgleich wir uns der Grenzen dieses Verfahrens bewußt sind. Ich will noch zwei Bemerkungen über das Thema der Interessenquoten machen. Sie wissen, daß die sozialdemokratische Fraktion bei der Diskussion über das Überleitungsgesetz Bedenken insbesondere zum Thema der Interessenquoten hatte. Die Interessenquote ist jetzt, wie der Herr Bundesfinanzminister versprochen hat, als Element in die Vorlage eingebaut worden. Aber wenn man sich die Angaben der Vorlage durchrechnet, dann zeigt sich, und die Praxis beweist es, daß hier eine Entwicklung eingetreten ist, die nicht sehr erfreulich ist. Ich nehme zwei Länder als Beispiel. In Nordrhein-Westfalen werden 10 % der Steuerkraft für die Interessenquote verbraucht, in Niedersachsen 20 %. Aber durch den Finanzausgleich erhält, theoretisch gesprochen und wenn meine Zahlen richtig sind, Nordrhein-Westfalen 20 % der Interessenquote zurück, Niedersachsen dagegen nur 8 %. Hier zeigt sich, daß die Einordnung der Interessenquoten in diese Methode offenbar doch den Verhältnissen nicht ganz gerecht wird. Die Vorlage ist, wie uns der Herr Finanzminister vorgetragen hat und wie wir ja alle wissen, in der abgeänderten Form vorn Bundesrat abgelehnt worden. Der Bundesrat, der sich sonst so sehr als ein sachliches, ruhiges gewissenhaftes Gremium darstellt, kommt immer dann in Verlegenheit, wenn sich seine Finanz-Interessenten zu Worte melden. Dem Bundestag ist wieder einmal die etwas undankbare Aufgabe zugefallen, den ehrlichen Makler bei diesen Beratungen zu spielen. Für die sozialdemokratische Fraktion darf ich erklären, daß wir den guten Willen haben, zu unserem Teil mit dazu beizutragen, einen leidlich erträglichen Finanzausgleich unter den Ländern herbeizuführen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff. Meine Damen und Herren! Zu unserer Überraschung — aber ich will gleich sagen: zu unserer freudigen Überraschung — hat der Herr Bundesfinanzminister die Begründung der Vorlage zu einigen grundsätzlichen Ausführungen über Unitarismus und Föderalismus benutzt. Meine Erinnerungen gehen hierbei an unsere Tätigkeit im Parlamentarischen Rat zurück, wo ja gerade auf dem Gebiet des Finanzwesens die Frage Unitarismus oder Föderalismus eine so ungewöhnlich große Rolle gespielt hat. Ich glaube, Herr Finanzminister, wenn Ihre bayerischen Landsleute damals etwas mehr auf meiner Linie bei den Beratungen des Grundgesetzes gelegen hätten, dann würden Ihnen heute manche Schwierigkeiten erspart sein. Immerhin wollen wir von den Arbeiten des Parlamentarischen Rates doch eines als einen großen Gewinn buchen, nämlich daß die Gesetzgebung für alle wichtigen Steuern dem Bund übertragen worden ist. Wohin wir gekommen wären, wenn wir nach manchen föderalistischen Wünschen die Gesetzgebung für wichtige Steuern, etwa die Einkommenund Körperschaftssteuer, den Ländern überlassen hätten und wenn infolgedessen 12 verschiedene Einkommensteuergesetze in Deutschland beschlossen worden wären, kann man sich nur mit Schrecken ausdenken. Aber, Herr Minister, ich habe den Eindruck, daß das, was uns auf dem Gebiete der Finanzverwaltung durch die Besatzungsmächte aufgezwungen worden ist — denn so kann man ja sagen —, die Aufteilung der Finanzverwaltung, bei der ein Teil der Finanzverwaltung heute Landesverwaltung ist, Sie selbst heute nicht mehr befriedigt. Ich habe aus Ihren Ausführungen den Eindruck gewonnen, daß Sie es heute freudig begrüßen würden, wenn Sie auf dem Gebiete, auf dem heute die Landes-finanzverwaltung tätig ist, einen stärkeren Einfluß hätten. Ich darf dabei das Augenmerk des Hauses auf einen merkwürdigen Vorgang richten. Vor einiger Zeit haben wir gehört, daß die Bayern Steuergutscheine herausgeben. Solche Steuergutscheine bedeuten natürlich eine Vergünstigung für den Steuerzahler, für die Zukunft, und schmälern das Aufkommen aus der Steuer, das dem Lande Bayern zufließen muß. Gleichwohl wird das Land Bayern im Rahmen eines Finanzausgleichs eine Unterstützung von der Allgemeinheit fordern. Es wird auch darauf hingewiesen, daß in einigen Ländern — nennen wir als Musterbeispiel Württemberg-Baden — die Verwaltung der Einkommensteuer mit großer Sorgfalt durchgeführt wird, daß aber in andern Ländern diese Sorgfalt vermißt wird und daß, wenn nachher der Vergleich zwischen dem einen und dem andern Land angestellt wird, um zu einem Finanzausgleich zu kommen, dasjenige Land, das in der Führung seiner Verwaltung nachlässiger ist als das andere, dafür im Finanzausgleich noch belohnt wird. Wir werden da doch noch einmal zu grundlegenden Änderungen kommen müssen. Nun aber zu dem dritten Gebiet, das uns im Parlamentarischen Rat im Rahmen des Finanzwesens soviel beschäftigt hat, zur Frage des Finanzausgleichs. Wenn wir heute noch den preußischen Staat hätten, dann würde uns der Finanzausgleich in Norddeutschland kein Kopfzerbrechen machen. Denn das war von großer Bedeutung im preußischen Staat, daß in ihm reiche und arme Provinzen zusammengeschlossen waren. Mit den Überschüssen, die ihm die reichen Provinzen — Rheinland, Westfalen, die Stadt Berlin und Schlesien — einbrachten, konnte er die schwächeren Provinzen mit durchziehen, so daß also hier innerhalb der Staatsverwaltung selber der große Finanzausgleich herbeigeführt wurde. Wenn wir gerade jetzt in diesem norddeutschen Raum — denken wir an Länder wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen, aber auch Rheinland-Pfalz, diese steuerschwachen Länder — so große Schwierigkeiten hatten, dann eben deshalb, weil dieser große Ausgleich durch den preußischen Staat nicht mehr herbeigeführt werden kann. Wir hatten darüber hinaus seinerzeit, als der preußische Staat noch bestand, auch im Reich selber einen Finanzausgleich. Wir hatten damals das System der Überweisungen. Der Ausgleich wurde dadurch herbeigeführt, daß die großen Überweisungssteuern, Umsatzsteuer und Einkommensteuer, soweit sie den Ländern zuflossen, nicht nach dem örtlichen Aufkommen auf die Länder verteilt wurden, sondern nach der Bevölkerungszahl. Auch dadurch wurde natürlich ein starker Ausgleich zwischen den starken und schwachen Ländern herbeigeführt. Diese Möglichkeiten fehlen uns bei dem heutigen System, und man muß daher nach kunstvollen Wegen suchen, wie der Gesetzentwurf sie vorschlägt. Ich habe soeben auf das Beispiel des preußischen Staates hingewiesen. Es leuchtet wohl ohne weiteres ein, welche Bedeutung für die künftige Gestaltung eines Finanzausgleichs die notwendige Neugliederung der deutschen Länder haben müßte. Ein Südweststaat in der Südwestecke des Bundesgebietes würde die Frage des Finanzausgleichs für drei Länder erledigen. Der Finanzausgleich würde innerhalb des neu erstehenden Südweststaates gelingen. Auch hier in unserem benachbarten Gebiet — denken Sie an das Land RheinlandPfalz — würde eine vernünftige Neugliederung der Länder manche Probleme des Finanzausgleichs ohne weiteres wegfallen lassen. Also die Neugliederung der Länder — eine Frage, die der Herr Finanzminister dankenswerterweise hier angeschnitten hat — steht in engstem Zusammenhang mit dieser Frage, und die Schwierigkeiten, die sich bei der Erörterung des Finanzausgleichs gezeigt haben, werden uns ein neuer Ansporn sein müssen, so schnell wie möglich an eine vernünftige Neugliederung der Länder heranzugehen. Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf über diesen Finanzausgleich — es ist gut, wenn man auch einmal ein Wort des Lobes für die fleißigen Mitarbeiter des Herrn Finanzministers sagt — ist meiner Meinung nach eine technische Meisterleistung sowohl in der Formulierung des Gesetzes als auch in der geradezu elegant geschriebenen Begründung. Aber die Schwierigkeiten des Problems werden dadurch natürlich nicht beseitigt; mein Herr Vorredner hat soeben schon daruf hingewiesen; denn es entsteht nun die paradoxe Situation, daß die unitarische Institution des Bundes, der Bundestag, der föderalistischen Institution des Bundes, dem Bundesrat, Hilfestellung leisten muß, um diesen Finanzausgleich, der doch in erster Linie eine materielle Frage der Länder wäre, erfolgreich zum Abschluß zu bringen. Wir werden so prozedieren müssen, wie wir schon öfter prozediert haben, bei dem Überleitungsgesetz, bei dem Einkommensteuergesetz, bei dem Gesetz über die Hilfe für Schleswig-Holstein. Der Finanzund Steuerausschuß des Bundestages wird zu gemeinsamer Beratung mit dem Finanzausschuß des Bundesrates zusammentreten müssen. Mein Herr Vorredner hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß es dann wieder unsere Aufgabe sein wird, den ehrlichen Makler zu spielen. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß es in diesen gemeinsamen Beratungen gelingen wird, im Einvernehmen mit dem Bundesrat einen solchen Finanzausgleich doch noch zustande zu bringen. Aber das wäre dann wieder nur eine Arbeit für ein Jahr, für das abgelaufene Jahr. Im nächsten Jahr werden wir wieder vor der großen Frage stehen. So schieben wir die Dinge stückweise vor uns her. Das ist ein Zustand, der wenig erfreulich ist. Wir müssen die Gründe zu erkennen versuchen. Der entscheidende Grund liegt in der falschen Gliederung des Bundes in seine Länder und auch in einer falschen Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern. Mit der Frage des Finanzausgleichs wird die Frage Unitarismus oder Föderalismus an der Wurzel gepackt, und wir werden der Entscheidung in der Zukunft nicht aus dem Wege gehen können. Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre dem föderalistischen Geist zweifellos sehr zugute gekommen, wenn es den Ländern gelungen wäre, eine Materie, die sie nur selbst betrifft, im Geiste guter Zusammenarbeit zu lösen, und wenn wir hier im Bundestag und als Bundestag nur dazu berufen gewesen wären, formell noch unsere Zustimmung zu dem zu geben, was die Länder uns als einheitlichen Gesetzentwurf vorgelegt hätten. Leider ist dies aber nicht geschehen. Es ist sogar so, daß die Länder den vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt abgelehnt ha ben, aber darüber hinaus selbst nicht zu einem eigenen Gesetzentwurf gekommen sind. Wir können daher im Bundestag nicht in der Rolle des Mittlers oder des ehrlichen Maklers auftreten, sondern wir müssen diese schwierige Materie selbst materiell lösen. Als ich als Außenstehender seinerzeit die Verhandlungen — bei der Beratung des Grundgesetzes — über die Regelung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern verfolgte und dann schließlich hörte, auf welcher Basis man sich — mehr oder weniger unter dem Druck der Besatzungsmächte — einigte, fragte ich mich, ob es wohl je möglich sein werde, mit diesem Kuckucksei fertigzuwerden. Aber diese Überlegungen helfen uns nicht über die Tatsache hinweg, daß diese Materie geregelt werden werden muß. Denn wir können unsere politische und staatsrechtliche und damit auch unsere Wirtschaftliche und soziale Zukunft nur sichern, wenn wir die finanziellen Verhältnisse nicht allein des Bundes, sondern auch der Länder und der Gemeinden in Ordnung bringen und in Ordnung halten. Der Herr Bundesfinanzminister hat zur grundsätzlichen Seite dieser Angelegenheit ausgezeichnete Ausführungen gemacht. Wir haben andererseits — und auch das möchte ich besonders betonen — einen Gesetzentwurf vor uns liegen, von dem man sagen kann, daß er wirklich mit Fleiß, mit großer Sorgfalt und Einfühlungsvermögen ausgearbeitet worden ist. Wir haben weiter die Forderungen gehört, die bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs zwangsläufig mit zur Debatte gestellt werden müssen: die Grundforderung nach der Frage, ob das derzeitige System der Länder in dieser Form überhaupt aufrechterhalten werden kann, d. h. ob die Länder, die alle mehr oder weniger auf Grund eines Besatzungsdiktats geschaffen wurden, in sich lebensfähig sind, oder ob es nicht unsere Aufgabe ist, hier zuerst einmal die Lebensfähigkeit zu schaffen und damit ein wesentliches Hindernis für einen vernünftigen jährlichen Finanzausgleich zu beseitigen. Andererseits müssen die Fragen berücksichtigt werden: Erfolgt die Steuerveranlagung nach gleichen Grundsätzen? Erfolgt die Steuereinziehung nach gleichen Grundsätzen? Sind die Voraussetzungen für die Ansätze der Steuern im wesentlichen gleich, und wie ist die Verteilung der Finanzkraft bzw. die Verteilung der Lasten zwischen den Ländern und den Gemeinden? Mit allen diesen Fragen werden wir uns bei der Beratung des Gesetzentwurfs mit Sorgfalt und Hingabe beschäftigen müssen. Aber eines kann ich schon sagen: wir können nicht nivellieren, d. h. wir können keinen Finanzausgleich schaffen, der sozusagen auf der Basis der Gleichheit allen finanzstarken Ländern zur Auflage macht, so viel abzuführen, daß sie bis zur Mittellinie herabkommen und die finanzschwachen Länder so viel bekommen, daß sie mit ihrer Finanzlage die Mittellinie erreichen. Der Gesetzentwurf wird vielmehr auch nach seiner Verabschiedung finanzschwache und finanzstarke Länder hinterlassen und hinterlassen müssen. Ich möchte schließen, indem ich an alle Beteiligten den Appell richte: Ohne guten Willen geht es nicht! Das Wort hat Herr Abgeordneter Eickhoff. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt ohne weiteres die Vorlage eines Gesetzentwurfs über den Finanzausgleich. Alle, die diesen Gesetzentwurf durchgearbeitet haben, werden die Überzeugung bekommen haben, daß tatsächlich, wie vorhin schon erwähnt worden ist, eine einwandfreie Arbeit geleistet worden ist. Im § 2 lese ich zum ersten Mal das schöne Wort: „Finanzkraftmeßzahl eines Landes". Bis § 13 wird dann festgelegt, was bei dieser Finanzkraftmeßzahl berücksichtigt, d. h. abgezogen oder hinzugerechnet wird. Im Endergebnis muß man aber dazu kommen, daß wirklich ein sehr gutes Resultat erzielt worden ist. Grundsätzlich müssen wir uns zu diesem Gesetzentwurf bekennen; denn nur auf diese Weise ist ein vernünftiger und gerechter Finanzausgleich zwischen den Ländern möglich. Der Widerstand des Bundesrats ist uns nicht ganz verständlich. Der Föderalismus, der uns auf Grund des Grundgesetzes vorgeschrieben ist—nicht der überspitzte Föderalismus —, muß sich an diesem Problem bewähren. Echter Föderalismus bedeutet doch ganz einfach, den freiwilligen Gemeinsinn bei erhaltener Eigenständigkeit bewahren. Wenn sich unsere elf deutschen Länder nicht von persönlichen Bedürfnissen und Forderungen freimachen können, dann wird die Idee eines alle landschaftlichen Unterschiede plattwalzenden Unitarismus zwangsläufig großgezogen, und damit würden alle in der deutschen Geschichte begründeten traditionellen Sonderheiten der deutschen Stämme beseitigt. Ich glaube nicht, daß irgendeiner von uns daran ein Interesse haben könnte. Meine Damen und Herren, wir schließen uns diesem Entwurf voll und ganz an, und ich hoffe, daß etwa auftretende Unstimmigkeiten im Ausschuß glattgebügelt werden können. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanzund Steuerfragen beantragt. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Damit ist die Überweisung beschlossen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: a)


      (Zuruf von der SPD: Das ist zu idyllisch!)


      (Zustimmung in der Mitte.)


      (Sehr richtig! bei der SPD)


      (Sehr gut! bei der SPD.)


      (Sehr richtig! in der Mitte.)


      (Bundesfinanzminister Schiffer)


      (Sehr richtig! in der Mitte.)


      (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


    Rede von Dr. Hermann Schäfer
    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
    • insert_commentNächste Rede als Kontext
      Rede von Willi Lausen


      • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
      • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


      (Sehr richtig! bei der SPD.)


      (Sehr richtig! bei der SPD)


      (Lausen)


      (Hört, Hört! bei der SPD.)


      (Beifall bei der SPD.)