Rede von
Ernst
Kuntscher
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Wochen nach der Konstituierung dieses Hohen Hauses im Vorjahr standen Anträge zur Verhandlung, die sich mit der unbedingt notwendigen und dringenden Umsiedlung von Vertriebenen in d i e Länder, die wenig oder schwach belegt sind, befaßt haben. Fachausschüsse des Parlaments haben sich eingehend mit dieser Frage beschäftigt. Das Ergebnis war, daß am 29. November 1949 im Wege einer Rechtsverordnung die Umsiedlung von 300 000 Vertriebenen aus den drei überbelegten Ländern SchleswigHolstein, Niedersachsen und Bayern verfügt wurde. Ein festgelegter Schlüssel sah vor, daß 150 000 Vertriebene aus Schleswig-Holstein und je 75 000 Vertriebene aus Niedersachsen und Bayern in die weniger belegten Länder umgesiedelt werden sollen. In ,dieser Verordnung war auch eine weitgehende Begünstigung für die Aufnahmeländer dahingehend enthalten, daß alle Personen, die ehemals ihren Wohnsitz in den Abgabeländern hatten und nach dem 1. April 1949 in die Aufnahmeländer umsiedelten, in die aufzunehmende Quote einzurechnen sind.
Wir stehen nun am Ende des Jahres 1950 und sind in der Lage, eine Bilanz zu ziehen, wie diese Verordnung erfüllt und ob das Soll eingehalten wurde, das durch diese Verordnung festgelegt war. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß Zahlen, die uns amtlich zur Verfügung stehen und die mit dem 10. Oktober abschließen, besagen, daß kaum zwei Drittel des Aufnahmesolls von den Aufnahmeländern erfüllt sind. Heutige Zeitungsberichte bringen uns die Nachricht aus einer gestrigen Pressekonferenz, wonach sich die Zahl von - zwei Dritteln des erfüllten Solls auf zirka 75 % erhöht hat. Die weiteren amtlichen Zahlen zeigen uns aber auch. daß ,die Aufnahmefreudigkeit der einzelnen Aufnahmeländer sehr, sehr verschieden ist. Wir müssen es ganz besonders bedauern, daß gerade Nordrhein-Westfalen, jenes Land, wo auch Arbeitsplätze vorhanden wären, mit der Erfüllung des Aufnahmesolls sehr weit im Rückstand ist. Diese unerfreuliche Bilanz ist um so bedauerlicher, wenn man bedenkt, daß der Arbeits- und der Kontrollausschuß des Soforthilfeamtes der Umsiedlung dahingehend Rechnung getragen haben, daß sie aus Soforthilfemitteln den Aufnahmeländern ansehnliche Beträge zur Verfügung stellen, um den sozialen Wohnungsbau in einem sehr starken Maße vorwärts zu treiben und um Wohnraum für diejenigen zu schaffen, die aus den überbelegten Ländern nach den schwachbelegten Ländern umgesiedelt werden sollen. Desgleichen wurden aus Haushaltsmitteln des Bundes für die gleichen Zwecke beachtliche Beträge bereitgestellt. Es wurden für diese Zwecke — es ist wichtig, das zu wissen — für den sozialen Wohnungsbau 100 Millionen DM aus Soforthilfemitteln, 70.9 Millionen DM aus Haushaltsmitteln des Bundes, 23,6 Millionen DM aus Erträgnissen der Umstellungsgrundschulden, weitere 30 Millionen DM aus Soforthilfemitteln für die Zwischenfinanzierung der ersten Hypotheken und nochmals 40 Millionen DM aus Soforthilfemitteln für die Ergänzung des Eigenkapitals im Umsiedlerwohnungsbau, also insgesamt 264,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt.