Rede von
Paul
Harig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrage zustimmen. Sie wird ihm zustimmn, wenn sie auch nicht so optimistisch ist, zu glauben, daß auf diesem Wege die Arbeiterklasse Deutschlands zum Sozialismus kommen könne. Die Frage ist von einer sehr großen Bedeutung, und sie spielt in alle Fraktionen hinein. Die Frage steht in der Arbeiterschaft an erster Stelle. Schon seit hundert Jahren wird die Sozialisierung von der Arbeiterklasse gefordert. Schon am 18. November 1918 hat die damalige Regierung einen Beschluß gefaßt, die Grundstoffindustrie zu sozialisieren. Es ist den meisten der hier Anwesenden bekannt, daß schon damals ein sogenannter Sozialisierungsausschuß eingesetzt worden ist. Der Sozialisierungsausschuß kam nicht zum Ziel, und dann hat die Arbeitsgemeinschaftspolitik der damaligen sozialdemokratischen Führer dazu beigetragen, daß der Klassenkampf der Arbeiterklasse für die Verwirklichung dieses ein Jahrhundert alten Zieles nicht durchgeführt werden konnte.
Im Jahre 1945 kam ein Buch heraus. Das Buch behandelte die Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung und ist geschrieben von Jack Schiefer. In diesem Buch hat Jack Schiefer schon damals festgestellt, daß die Arbeitsgemeinschaftspolitik auffliegen mußte, als sie ihre Abwehrfunktion gegenüber den Unternehmern erfüllt hatte. Ich bin überzeugt, daß diesmal wieder so verfahren wird, daß diese Arbeitsgemeinschaftspolitik, die wir heute vorfinden, wiederum in dem Moment auffliegt, wo sie ihre Abwehrfunktion erfüllt hat, und es ist dann das Unglück gekommen, von dem wir nun alle so viel reden und unter dem wir so viel zu leiden haben.
Die Gewerkschaften ganz Deutschlands haben sich in einer Reihe von Konferenzen zusammengesetzt, um auch zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es gibt Interzonenkonferenzen, auf denen einstimmige Beschlüsse angenommen worden sind, die Schlüsselindustrie in Gemeinbesitz zu überführen. Wir haben dergleichen Parallelen in den Land-
tagen. In den Landtagen sind Sozialisierungsbeschlüsse angenommen worden. Verwirklicht wurde nichts. Die Arbeitsgemeinschaftspolitik von heute verhindert wiederum, daß der Kampf für die Verwirklichung dieses jahrhundertealten Zieles organisiert wird.
Die Urabstimmung, die jetzt in den entflochtenen Werken durchgeführt worden ist, hat gezeigt, daß rund 96 % der Arbeitnehmer dieser Betriebe für den Kampf zur Verwirklichung des Mitbestimmungsrechtes sind. Ich gehe nicht fehl, wenn ich hier erkläre, daß diese 96 %, die sich für den Kampf für das Mitbestimmungsrecht entschieden haben, auch für den Kampf zur Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, der Grundstoffindustrien zu gewinnen sind, so wie es gefordert wurde. Ich weiß ganz genau: das Gesetz Nr. 27 wird uns dem Ziele, das da der Arbeiterschaft vorschwebt, niemals näherbringen. Ich weiß ganz genau: dieses Gesetz Nr. 27 ist nur die Folge der Anerkennung des Besatzungsstatuts und der Anerkennung des Petersbergs. Im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben, die durch die New Yorker Beschlüsse von den Außenministern, die dort getagt haben, gestellt wurden, fällt der Grundstoffindustrie eine ungeheure Bedeutung zu, und die Frage der Besitzänderung ist eine Frage von Leben und Tod für das deutsche Volk.
Die Einheit der Arbeiterschaft herstellen heißt auch gleichzeitig, dafür zu sorgen, daß dieser Sehnsuchtstraum der deutschen Arbeiterklasse verwirklicht werden kann. in der Deutschen Demokratischen Republik zum Beispiel hat man die Schlüsselindustrien in die Hände des Volks überführt.
Dort ist dem Monopolkapital die Macht genommen worden,
mit Hilfe dieser gewaltigen Konzentration an wirtschaftlicher Macht tun und lassen zu können, was es will. Das, glaube ich, ist auch hier notwendig. Aber die Arbeiterklasse Westdeutschlands kann ihre geschichtliche Aufgabe nur erfüllen, wenn sie den Einfluß der amerikanischen Gewerkschaften ausschaltet und den Kampf zur Verwirklichung der Forderungen der Arbeiterschaft organisiert.
Ich erkläre hier im Namen meiner Fraktion, daß wir den Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse nicht verloren haben.