Rede von
Dr.
Freiherr
Hans Albrecht
von
Rechenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD war insofern eine kleine Überraschung für mich, als er nicht mit der so vorbildlichen Sorgfalt abgefaßt ist, wie es sonst die Anträge von dieser Seite des Hauses zu sein pflegen. Denn es sind zumindest zwei absolut falsche Beziehungen in diesem Antrag enthalten. In dem Absatz 1 — es ist schon von Herrn Abgeordneten Schröder darauf hingewiesen worden — wird zur Durchführung des Beschlusses vom Februar verlangt, daß die Regierung nunmehr einen Gesetzentwurf zur Überführung der Kohle in Gemeineigentum vorlegt. Nun ist in dem Beschluß vom Februar mit keinem Sterbenswörtchen gesagt worden, was in was hinein überführt werden soll. Insofern ist also diese Beziehung falsch. Sie ist umso falscher, als der damalige Redner — es war auch der Herr Abgeordnete Henßler
— das Fehlen einer Richtung, in welcher sich die Neuordnung abspielen sollte, beklagt hat. Nun muß ich allerdings zugeben, daß es doch nicht so ganz an den Haaren herbeigezogen ist, wenn dieser kleine Zusatz gemacht ist. Denn wir haben in der damaligen Verhandlung erleben müssen, wie ein Abgeordneter der CDU den Sinn dieses Antrags richtig herausstellte: nämlich Überführung der Kohle in Gemeineigentum, während etwas vorher ein anderer Sprecher der CDU, der heute gesprochen hat, Herr Dr. Schröder, auf ein Eingesandt in der Zeitschrift „Die Zeit" mit Entrüstung verneint hatte, daß etwa der Sinn dieses Antrags der CDU auf irgendeine Enteignung im Kohlenbergbau hinginge.
Zitieren Sie doch genauer! Das ist besser.)
— Genau so war es. Ich habe es mir heute morgen noch von meinem Sekretär vorlesen lassen, als ich die Freude hatte, zu hören, daß Sie zu dieser Sache sprechen würden.
— Oh, ich kann ja, wenn Sie das wollen, sehr deutlich sagen, was ich damals geschrieben habe. Ich
habe gefragt: Ist denn ein Abgeordneter, der als Anwalt sich darüber klar sein muß, wie der Durchschnittsleser seine Worte nach allgemeiner Rechtsprechung auslegen muß, berechtigt, Erklärungen abzugeben, die, wenn sie wahr wären, bedeuten, daß das Ahlener Programm der CDU nicht mehr besteht? Das war meine Antwort.
— Ich wüßte nicht, wozu ich zur Ordnung zu rufen wäre.
Im zweiten Absatz steht ebenfalls eine Beziehung die ich nicht richtig finde, meine Herren von der SPD. Da schreiben Sie nämlich „zur Durchführung des Art. 15 des Grundgesetzes". Nun ist im Art. 15 des Grundgesetzes zwar stipuliert, daß man in Gemeineigentum überführen kann, aber nur grundsätzlich. Wenn Sie gesagt hätten „in Ausnützung der in Art. 15 gegebenen Möglichkeiten", dann wäre das richtig gewesen.
— Ja, ich glaube, es ist notwendig, daß man das hier sagt. Es könnte sonst womöglich, Gott behüte, der Eindruck entstehen, wir hätten so etwas wie ein sozialistisches Grundgesetz.
Das haben wir nun Gott sei Dank nicht. Ich bin natürlich der Meinung, daß es Wirtschaftsunternehmungen, Wirtschaftszweige gibt, die in staatlicher Regie betrieben werden müssen. Ganz klar, daß ich der Mainung bin. Aber anderseits bin ich auch der Auffassung, daß das nach Möglichkeit nur Ausnahmefälle, gewissermaßen Notbehelfe, sein sollten. Es gibt eine Reihe von Gründen dafür. Einen Grund für diese meine Überzeugung möchte — ich will hier keine Grundsatzdebatte machen — ich Ihnen doch nennen. Ich bin überzeugt. daß die so erstrebte soziale Gerechtigkeit um so ferner rückt, je mehr man sozialisiert.
Ich gebe durchaus zu, daß auch die soziale Marktwirtschaft an sich in keiner Weise eine Gewähr dafür bietet, daß soziale Gerechtigkeit erreicht wird. Es kommt darauf an — und das scheint mir überhaupt das Vordringliche zu sen —, daß in der sozialen Marktwirtschaft jeder Teilnehmer des Wirtschaftsgeschehens, egal ob Arbeitnehmer, ob Arbeitgeber, egal ob Gewerkschaft, ob Unternehmerverband, gezwungen wird, sich sozial einwandfrei zu verhalten. Mir scheint das die allerdringlichste und wichtigste Aufgabe einer Gesetzgebung zu sein. Statt dessen erleben wir immer wieder, daß man den Versuch macht, sich in der Wirtschaft Machtpositionen zu erhalten oder zu schaffen, selbstverständlich immer unter der Versicherung, man tue das i a nur aus dem moralisch höchst einwandfreien Grunde, die Machtposition der verbrecherischen Anderen zu beseitigen.
— Jawohl, mein Herr, da sind wir einig. — Ich bin der Meinung, es muß ein Wirtschaftssystem geschaffen werden, in dem jeder Tüchtige zum Zuge kommen kann. Jeder, der was kann. Allerdings tüchtig mit dem Können, dem Wissen, dem Köpfchen, nicht mit dem Maul!
Nun kommt die CDU und bringt einen Abänderungsvorschlag. Ich muß schon sagen, das verstehe ich nicht ganz. Herr Dr. Schröder hat uns soeben überzeugend versichert, daß er auf dem Boden des Ahlener Programms steht.
Gewiß, ich kann mit meinem Köpfchen durchaus verstehen, daß die SPD ihre klare Linie vertritt und diesen Antrag einbringt. Ich kann auch verstehen, daß ein Gegner sagt: Nein, den Antrag lehne ich ab, ja, daß er sogar zum Gegenschlag ausholt und erklärt: Ich beantrage Umänderung in Aufrechterhaltung des Privateigentums.
Warum sollen wir aber jetzt hier plötzlich wieder denselben Fehler machen, wie er schon damals gemacht wurde, also die Regierung ohne Richtung lassen? Das ist doch gewissermaßen so, wie wenn ich den Sekretär hier bitte, mir ein Billet zu kaufen, ihm aber nicht sage, wohin ich eigentlich fahren will.
Nein, meine Damen und Herren, wir lehnen diesen Versuch, die klare Verantwortung zu umgehen und die Frage offenzulassen, absolut ab. Ich finde, der Wähler hat ein absolutes Recht, von all denen, die er hierher geschickt und, denen er sein Vertrauen geschenkt hat, zu wissen, wie sie hier ihr Versprechen verwirklichen wollen, für das Privateigentum, für die soziale Marktwirtschaft wirklich einzutreten.
Meine Damen und Herren! Ich muß zum Schluß kommen. Im dritten Absatz ist von Ihnen, glaube ich, noch ein Denkfehler begangen worden, indem Sie etwas verbieten wollen, was meiner Ansicht nach gar nicht verboten werden darf. Sehen Sie: Die Bundesregierung ist von einer Mehrheit des deutschen Volkes gebildet worden. Sie erinnern sich, daß sich die Wähler bei der Bundestagswahl, bei 'der es um die Frage der Sozialisierung oder Nichtsozialisierung ging, mit ganz klarer Mehrheit gegen die Sozialisierung ausgesprochen haben.
Nun habe ich schon gehört: Herr Henßler denkt an die Wahlen der letzten Wochen. Ja, meine Damen und Herren von der SPD: Wir sind uns doch wohl alle darin einig, daß diese Wahlen das Verdienst eines Mannes sind, der nicht Ihrer Partei angehört!
Ich glaube nicht, daß der Ausfall dieser Landtagswahlen irgendetwas in bezug auf die Stellung des deutschen Volkes zur Frage der Sozialisierung oder Nichtsozialisierung ausmacht. Daher würde die Bundesregierung nach meiner Überzeugung ihre Pflicht nicht erfüllen, wenn sie im Verfolg des Auftrags, den sie doch von uns, den Wählern, bekommen hat, jetzt nicht alles täte, um die Neuordnung auf einen Weg zu führen, der das Privateigentum nach Möglichkeit schützt. Das sind die Gründe, aus denen heraus die FDP sowohl die Zusatzanträge wie den Antrag der SPD ablehnen muß.