Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ähnlich wie mein Herr Vorredner, der Kollege Henßler, nicht die Absicht, in eine, sagen wir einmal, materielle Diskussion über die Regelung der Neuordnung einzutreten, halte es aber doch für notwendig, einige Anmerkungen über Form und Verfahren zu machen. Zumindest möchte ich die Hoffnung aussprechen, daß die heutige Diskussion hier in diesem Hohen Hause die Arbeit an der Neuordnung von Kohle und Eisen um ein ganz entscheidendes Stück weiter vorantreibt.
Herr Kollege Henßler hat mich an sich der Notwendigkeit enthoben, den historischen Zusammenhang herzustellen, und ich bin ihm durchaus dankbar dafür, daß er aus der parlamentarischen Vorgeschichte, die die Behandlung dieses Problems im Landtag von Nordrhein-Westfalen gehabt hat, einige charakteristische Punkte hervorgehoben hat. Wenn er mit solcher Wärme das Ahlener Programm und entscheidende Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers zitiert hat, so danke ich ihm für den Respekt, der damit vor unserem Programm als solchem gezollt wird.
— Sie werden uns gleich beim Handeln sehen, Herr
Neumann; Sie brauchen nur einen Augenblick zuzuhören. — Auch ich halte, wenn wir auf die
Regierungserklärung zurückgehen, es für den richtigen Ausgangspunkt dieser Debatte, und ich
möchte sagen, Herr Henßler, daß ich in diesem
Punkt eigentlich noch ein Stück über Sie hinausgehe. Ich glaube, daß nicht nur die sozial- und
gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundstoffindustrien erfordert, sondern daß es noch eine ganze gute Reihe von Gründen mehr gibt, die eine Neuordnung in den Grundstoffindustrien notwendig machen.
Aber gerade weil das unser Standpunkt war und weil wir diesem Teil der Regierungserklärung eine ganz besondere Bedeutung beigemessen haben, haben wir bereits am 18. Oktober 1949, also knapp vier Wochen nach der Regierungserklärung, wie Sie sich erinnern werden, den Antrag gestellt, der Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, ein Gesetz über die Neuordnung der Kohle vorzulegen. Wir haben dann mit der Unterstützung, ich möchte beinahe sagen, der einhelligen Unterstützung des ganzen Hauses am 8. Februar dieses Jahres, nachdem eine Ausschußberatung vorhergegangen war, diesen unseren Antrag in einen Beschluß des Bundestags umgewandelt, und wir können nur mit einem gewissen Maß von Bedauern feststellen, daß — ich will mich zurückhaltend ausdrücken — in der Erledigung dieser Frage nichts Entscheidendes sichtbar geworden ist. Ich glaube, daß es eigentlich kein ganz gutes Zeichen ist, wenn das Haus, während es vorher bei der Debatte über den Kohlen- und Eisenpreis gefüllt war und sehr viele Persönlichkeiten sich deshalb hierher bemüht haben, der Diskussion dieses Antrags, der sich auf ein Grundproblem von Staat und Gesellschaft bezieht, offenbar ein wesentliches geringeres Interesse entgegenbringt.
Aber lassen Sie mich! Ich weiß sehr wohl, nach welcher Richtung das zu sagen ist, und es gilt sicherlich der richtigen Richtung.
Warum ist auf diesem Gebiet bisher nichts Entscheidendes geschehen? — Wir möchten nicht in den Verdacht kommen, daß wir der Regierung etwa ungerechtfertigterweise einen Vorwurf machen. Ich möchte sagen: Viele von uns kennen die Problematik der Neuordnung, wie sie sich im Zuge der Gesetze Nr. 75 und 27 ergeben hat, zu genau, als daß sie nicht wüßten, mit wie unendlich vielen Hypotheken politischer und sonstiger Art die Behandlung dieses Problems belastet ist. Und soviel ist einstweilen auch klar — und ich glaube, Herr Henßler wird dem nicht widersprechen —, daß der technisch-organisatorische Teil der Neuordnung ein Aufgabengebiet ist, das im wesentlichen noch nicht in deutscher Zuständigkeit liegt. Das bedauern wir; aber das ist eine Tatsache, mit der wir jedenfalls beim Stande dieser Diskussion zu rechnen haben.
Aber in der Sache ist ein Anderes außerordentlich wichtig. Wir nähern uns jetzt in etwa der Schlußphase der technisch-organisatorischen Neuordnung. Diese Schlußphase wird aller Wahrscheinlichkeit nach so aussehen, daß sich dann die Aktien zahlreicher neugegründeter Gesellschaften bei Kohle und Eisen in den Händen von Treuhändern befinden werden. Das ist ein Stadium der vorläufigen Eigentumslösung, das wir außerordentlich schnell abgestellt sehen möchten. Wir möchten dort kein allzu langes Übergangsstadium tolerieren, sondern wir haben den dringenden Wunsch — und deshalb begrüßen wir in dem Umfang, den ich gleich näher kennzeichnen werde, auch diesen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion —, daß durch die deutsche Gesetzgebung ein enger Gesamtzusammenhang zwischen dem Problem der technisch-organisatorischen Neuordnung und ihrer Verwirklichung, ihrer endgültigen Perfektion und Vollendung geschaffen wird. Hier ist in der Tat
ein Feld, das wir gerade von diesem hohen Hause her mit besonderer Hartnäckigkeit verteidigen müssen. Es war bereits nach den Gesetzen Nr. 75 und 27 der ausgesprochene Wunsch und Wille der Alliierten, daß dieser Teil der Neuordnung der Grundstoffindustrien eine Angelegenheit — wie es dort heißt — der deutschen Regierung, lies richtig: des Deutschen Bundestages sein sollte. Das ist ein so fundamentales Recht dieses Hauses, daß es selbstverständlich Anspruch darauf hat, schon in einem Stadium, in dem es noch nicht unmittelbar realisierbar ist, seinen energischen Willen anzukünden.
In diesem Sinne möchte ich gerade die Notwendigkeit, einen schnellen Übergang von einer vorläufigen in eine endgültige Lösung zu finden, unterstreichen und ganz klarstellen, daß diese endgültige Lösung nur mit dem Willen dieses Hauses geschaffen werden kann. Daß es schließlich einen sehr engen Zusammenhang zwischen den Problemen der Neuordnung der Grundstoffindustrien in technisch-organisatorischer und schließlich in eigentumsmäßiger Beziehung auch mit den Fragen des Mitbestimmungsrechts gibt, das weiß jeder, der sich mit dieser Problematik auch nur am Rande beschäftigt hat. Nicht zuletzt ist das allen, auch dem uninteressierten Teil der deutschen Öffentlichket, doch aus der Urabstimmung klar geworden, wie sie gerade in der eisenschaffenden Industrie stattgefunden hat.
Lassen Sie mich nun zum Antrag der Fraktion der SPD im einzelnen Stellung nehmen. Ich darf die Ziffer 3 vorweg nehmen. Sie unterstreicht das, was ich gerade gesagt habe: die Legitimation und den Willen dieses Hauses, eine Neuordnung bei Kohle und Eisen in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Zu dieser Ziffer 3 sagen wir vorbehaltlos ja.
Zu den Ziffern 1 und 2 kann ich kein so vorbehaltloses Ja aussprechen. In der Ziffer 1 hat die sozialdemokratische Fraktion das wieder aufgegriffen, was ursprünglich Gegenstand unseres Antrags und dann des Beschlusses dieses Hauses war. Sie hat aber diesem Beschluß abweichend von seinem Text eine, sagen wir einmal, stärkere Profilierung gegeben, die, wie gesagt, damals unterlassen worden ist, die wir aber im Augenblick nicht für unausweichlich halten. Wir sind der Meinung, daß wir der Regierung, die sich in der Regierungserklärung zu einer solchen Neuordnung bekannt hat, einstweilen keine bindenden Richtlinien, möchte ich sagen, mit auf den Weg geben wollen. Dies ist ja mehr oder weniger ein Ermunterungsantrag; und ich glaube, es war auch die Absicht der Antragsteller — wenn ich Herrn Henßler richtig verstanden habe —, sich von einer eingehenderen Substantiierung der materiellen Rechtslage entfernt zu halten.
Ich darf folgenden Abänderungsantrag stellen: Wir werden zu Ziffer 1 beantragen, die Worte „Überführung in Gemeineigentum" zu streichen; zu Ziffer 2 die Worte „zur Durchführung des Artikels 15 des Grundgesetzes ebenfalls zu streichen, und sind bereit, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion mit diesen Modalitäten anzunehmen.
Lassen Sie mich abschließend nur einige wenige Worte hinzufügen. Die verantwortliche deutsche Politik kann sich in diesen Fragen unter keinen Umständen einen unbegrenzt langen Schwebezustand erlauben. Diese Fragen sind Grundfragen unserer sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung, und sie dürfen als solche nicht konserviert, sondern sie müssen gelöst werden. Daher verlangen wir von der Regierung die schleunige Entwicklung und Durchführung einer in sich geschlossenen Gesamtkonzeption. Diesem Ziel sollte nach unserer Meinung die heutige Debatte dienen; und wir haben daher den Wunsch, daß sich eine möglichst breite Mehrheit in diesem Hause für eine solche Aufforderung an die Regierung findet.
Ich darf abschließend der Überzeugung Ausdruck geben, die meine Freunde angesichts dieses Fragenkomplexes beseelt. Es ist diese: daß die innere Kraft unserer Abwehr und unseres Selbstbehauptungswillens als Volk und Staat von der Qualität unserer sozialen und wirtschaftlichen Ordnung abhängig ist. Diese Ordnung zu schaffen, ist einer unserer Beiträge zur Verteidigung unserer Heimat und Europas.