Rede von
Franz
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen zu dem Problem, das hier zur Debatte steht, zunächst zwei Abänderungsanträge zu den Anträgen der Bundesregierung vorzulegen.
Zunächst ein Abänderungsantrag zu der Drucksache, welche die Erhöhung der Kohlenpreise beinhaltet. Dieser Abänderungsantrag liegt Ihnen vor. Er wird aber von mir nicht in der vorliegenden Form gestellt, sondern ich ändere ihn in Ziffer 2 ab. Es ist der Änderungsantrag des Abgeordneten Etzel zur Beratung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen — Umdruck Nr. 31 —, den ich auch für meine Fraktion stelle. Bisher werden in Ziffer 2 statt 6,— DM 4,80 DM beantragt. Ich beantrage nunmehr, die Ziffer 2 zu ändern, wie folgt:
2. Die den Preisen in § 1 zugrunde liegende Durchschnittspreiserhöhung von DM 6.— je Tonne beträgt nur DM 4.50 je Tonne. Der Bundesminister für Wirtschaft wird ermächtigt, die in der Tabelle des § 1 aufgeführten Einzelpreise entsprechend abzuändern. Dabei ist von einem Koksfeinkohlenpreis von DM 37.50 je Tonne, von einem Stückkohlenpreis von DM 40.— je Tonne und von einem
Hochofenkokspreis von DM 48.— je Tonne auszugehen.
Dieser Änderungsantrag - Umdruck Nr. 31 - entspricht zwar nicht dem letzten Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik dieses Hohen Hauses. Da ich aber erkannt habe, daß in diesem Haus für diesen Antrag keine Mehrheit zu erreichen sein wird, bin ich bereit, auf den Preis von 4,50 DM zu gehen und außerdem die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen. 4,50 DM ist ja ein Durchschnittspreis. In der Tabelle, die Ihnen in der entscheidenden Drucksache vorliegt, sind die Preise, die zu dem damals gedachten Durchschnittspreis von 6 DM führen, gestaffelt. Es muß also eine entsprechende Änderung stattfinden. Dabei ist zu beachten, daß in dieser Tabelle sogenannte Eckpreise vorgesehen sind. Ein solcher Eckpreis ist der Preis für Stückkohle von 40 DM und außerdem der Koksfeinkohlenpreis und der Hochofenkokspreis. Die von mir jetzt beantragten Änderungen der Eckpreise bedeuten für den Hochofenkokspreis 6 DM je Tonne und bedeuten dementsprechend für den Koksfeinkohlenpreis 5,50 DM und für den Stückkohlenpreis 5 DM. Das sind die entsprechenden Relationen. Zur Begründung dieses Änderungsantrags werde ich die notwendigen Ausführungen gleich im Zusammenhang mit dem zweiten Änderungsantrag machen.
Der zweite Änderungsantrag, der gestellt wird — Umdruck Nr. 32 —, sieht in § 1 vor:
1. Die Preise für Walzwerksfertigerzeugnisse dürfen um 18 DM je Tonne im Durchschnitt aller Sorten erhöht werden.
Ich ändere diesen Antrag dahin, daß statt „18 DM" „16,50 DM" einzusetzen sind. Das ist die notwendige Konsequenz, die sich aus der Verbilligung des Hochofenkokspreises ergibt und die in den Anträgen eine entsprechende Berücksichtigung finden muß.
Meine Damen und Herren! Das Thema, das heute hier zur Behandlung steht, ist von größter Wichtigkeit, und ich glaube, wir sollten, wenn wir unserer Demokratie einen Dienst erweisen wollen, dieses Thema sehr sachlich und sehr nüchtern behandeln. Wenn wir soeben vom Herrn Kollegen Harig gehört haben, diese ganzen Preiserhöhungsanträge hätten keinen anderen Sinn als den, den Großmagnaten an Rhein und Ruhr erhöhten Gewinn zuzuschanzen, dann kann man eine solche Bemerkung ja schon deswegen nicht ernst nehmen, weil Herr Harig ganz genau weiß, daß die gesamten Kohlenbergwerke seit langer Zeit beschlagnahmt sind
und die Eigentümer überhaupt nichts mehr zu sagen haben. Herr Kollege Harig weiß ganz genau, daß die Verwaltung der Kohlenzechen unter der Combined Coal Group erfolgt, und zwar durch die Deutsche Kohlenbergbauleitung, in die die deutschen Gewerkschaften zur entsprechenden Kontrolle gebührend eingebaut sind. Es kann sich also gar nicht um die Bereicherung der bestimmten Personengruppe, die hier angegriffen worden ist, handeln.
Ich möchte nun auch darauf hinweisen, daß ich es persönlich nicht verstehen würde, wenn man hier sagte, daß irgendein System — sagen wir, das System der Marktwirtschaft — versagt hätte; denn gerade der Raum, der hier zur Diskussion steht, unterliegt ja von vornherein nicht den Gesetzen der Marktwirtschaft, sondern der Kohlenpreis ist von vornherein gebunden gewesen.
Wir haben — wenn auch vorübergehend, weil nicht entsprechender Absatz da war, irgendwelche Lenkung nicht nötig war — in dem Augenblick, als ein Engpaß auftrat, in der Person des Herrn Dr. Sogemeier gleich Maßnahmen zur Lenkung ergriffen in der Erkenntnis der Tatsache, daß marktwirtschaftliche Grundsätze dort nicht durchzuführen sind, wo ein Markt überhaupt nicht besteht.
Das vorausgeschickt, meine Damen und Herren, dreht es sich meines Erachtens um folgendes Problem. Die Kohle ist ein wesentlicher Grundstoff für die gesamte deutsche Produktion. Dieser Grundstoff muß in genügender Menge vorhanden sein, dazu gehören Menschen. Die Schwierigkeit ist aber die, daß wir im deutschen Kohlenbergbau nicht genügend Menschen haben, welche dieses Handwerk gelernt haben. Von 300 000 unter Tage beschäftigten Bergleuten sind insgesamt 140 000 neu angelegt worden. Diese 140 000 neu angelegten Menschen haben naturgemäß nicht die handwerkliche Fertigkeit, die der gelernte Bergmann hat. Es wäre ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, daß der Bergmann im wesentlichen ein ungelernter Arbeiter sei. An seine handwerkliche Fähigkeit werden sehr viel höhere Anforderungen gestellt als an die der meisten anderen handwerklichen Berufe. Wenn also 140 000 Menschen zusätzlich angelegt sind, dann führt das dazu, daß die Förderungsleistung nicht so mitkommt, wie das z. B. in anderen Industriezweigen der Fall ist. Wir haben in der deutschen Volkswirtschaft im Augenblick eine Leistung pro Mann und Schicht von 95,3 %; im deutschen Kohlenbergbau liegt sie aus diesen und anderen Gründen zur Zeit nur bei 72 %.
Wenn ich Ihnen weiter sage, daß von den 300 000 unter Tage angelegten Menschen zur Zeit noch 45 000 gar keine eigene Wohnung haben und von ihren Familien getrennt sind, wodurch sich Sonntagsbesuche mit zwangsläufigen Fehlschichten ergeben, dann möge Ihnen das auch eine Erklärung für die Schwierigkeiten sein, die hier bestehen.
Es war nun, um den Bergbau aktiv zu machen, den Bergleuten versprochen worden, daß sie in der Bezahlung an der Spitze der deutschen Industriearbeiter liegen sollten. Durch Entwicklungen auf dem Lohnmarkt, auf die ich im einzelnen nicht eingehen will, war es dazu gekommen, daß sie zuletzt nicht mehr an der Spitze lagen, und die ursprüngliche Absicht der Bergarbeitergewerkschaft, die Tarife nicht zu kündigen, war angesichts anderer Vorkommnisse, welche die Bergarbeiterlöhne zurückschwimmen ließen, nicht durchzuführen, so daß schließlich die Tarife gekündigt wurden. Man war dann in neue Verhandlungen getreten und hatte schließlich eine zehnprozentige Lohnerhöhung zugebilligt. Diese zehnprozentige Lohnerhöhung, niedergelegt im Abkommen vom 26. Oktober 1950, war zwischen der Kohlenbergbauleitung einerseits und der Industriegewerkschaft Bergbau andererseits vereinbart worden. Es war vorgesehen, daß das Abkommen nur dann Geltung haben sollte, wenn die zuständigen Instanzen -
das sind die Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat — entsprechende wirtschaftliche Maßnahmen treffen würden. Entsprechende wirtschaftliche Maßnahmen heißt, „daß die Lohnerhöhung in entsprechendem Maße durch Preiserhöhungen abgewälzt wird". Im Abkommen vom 26. Oktober 1950 heißt es deswegen wörtlich: „Daß ab 1. 11. 50 die Bundesregierung durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen die Durchführung ermöglicht, ist, Voraussetzung für diese Tarifvereinbarung".
Ich bemerke ausdrücklich, daß diese zehnprozentige Tariferhöhung nicht in eine Relation zu einer Steigerungsleistung gesetzt war; eine Erhöhung der Steigerungsleistung war also nicht Voraussetzung für diese zehnprozentige Lohnerhöhung.
Da wir im Zusammenhang mit den durch den Koreakonflikt entstandenen Verhältnissen auf dem Weltmarkt usw. etwa ab September in die Situation gekommen waren, daß unsere Haldenbestände von fast 21/2 Millionen Tonnen Kohle abgefahren wurden und wir in einen Kohlenengpaß gerieten, war es darüber hinaus notwendig, Vereinbarungen zu treffen, welche dazu führen sollten, die Kohlenförderung zu steigern und auf diese Art und Weise als Beitrag der Kohlenwirtschaft, also Industrie und Arbeiterschaft, zu erreichen, daß die übrige deutsche Volkswirtschaft nicht zurückfallen würde und daß die erforderlichen Kohlen möglichst vorhanden seien. Deswegen hat eine Besprechung unter Vorsitz des Herrn Bundeswirtschaftsministers stattgefunden, bei der die Industriegewerkschaft Bergbau auf der einen Seite und die deutsche Kohlenbergbauleitung auf der andern Seite zugezogen war. Hier ist dann am 9. November 1950 ein Abkommen getroffen worden, in dem es im Eingang ausdrücklich heißt:
Zur Behebung der derzeitigen Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung im Bundesgebiet, insbesondere zur Vermeidung drohender Stilllegung von zahlreichen Betrieben und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit ist in einer Verhandlung am 9. November 1950 unter Vorsitz des Bundesministers für Wirtschaft zwischen der IG-Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung eine grundsätzliche Verständigung über eine Reihe von Maßnahmen erzielt worden.
Dieses Abkommen bezweckte folgendes. Mit den Mitteln, die vorhanden waren, und mit der Anzahl Bergleute, die vorhanden war, sollte eine Steigerung der Produktion erreicht werden, und zwar zunächst dadurch, daß im Steinkohlenbergbau monatlich zusätzliche Schichten an zwei Arbeitstagen in regelmäßiger Mehrarbeit gefahren würden. Weiter sollte für diese Mehrarbeit eine fünfzigprozentige Lohnerhöhung gewährt werden, und soweit diese Mehrarbeit in Sonntagsschichten gefahren wurde, sollte noch eine weitere fünfundzwanzigprozentige Lohnerhöhung eintreten. Schließlich sollte eine Anwesenheitsprämie von 3 % auf den Lohn für diejenigen Arbeiter gezahlt werden, welche alle angesetzten Schichten gefahren haben, und dann sollte noch ein besonderes Erfolgsanteilsystem ausgearbeitet werden, das ebenfalls die Förderungsleistung steigern sollte.
Das Ganze, meine Damen und Herren, war ein Abkommen, von dem diejenigen, die an ihm teilgenommen haben — und ich habe an ihm teilgenommen — insofern sehr beeindruckt waren, als nämlich, wenn ich das einmal so nennen darf, beide Sozialpartner in einem hohen Maße von Verantwortungsbewußtsein es auf sich genommen haben, auf der einen Seite durch Sonderschichten den Förderungsanteil zu erhöhen und auf der anderen Seite an diesem erhöhten Anteil die Bergarbeiter entsprechend teilnehmen zu lassen.
Es ist dann in Verfolg dieses Abkommens eine weitere Tarifvereinbarung vom 16. November 1950 getroffen worden. Wir haben die Hoffnung - und ich glaube, sie wird sich erfüllen -, daß der Weg,
den wir beschritten haben, einen Teil der vorhandenen Probleme insofern löst, als mit den vorhandenen Mitteln und Arbeitskräften eine sehr wesentliche Förderungssteigerung erreicht und so ein erheblicher Teil des Engpasses beseitigt werden kann. Ich glaube nicht, um das hier an dieser Stelle zu sagen, daß der ganze Engpaß beseitigt werden kann; und wir müssen und dürfen von der Hohen Kommission, von den Alliierten erwarten, daß sie ihre — ich will es einmal so nennen — Überforderungen an auszuführender Kohle so weit einschränken, wie das notwendig ist, um unsere deutschen Menschen nicht ins Hintertreffen geraten und einen Teil unserer Wirtschaft teilweise zum Erliegen kommen zu lassen, wie das sonst eintreten könnte. Das ist das entscheidende Problem.
Nun, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen gesagt, wir haben Abkommen getroffen, und diese Abkommen kosten natürlich etwas; und zwar sind hier folgende Preise zu sehen.
Die zehnprozentige Lohnerhöhung, die primär vereinbart worden ist, hat nach den Rechnungen, die uns vorgelegt worden sind, im Durchschnittsverfahren eine Erhöhung von 1,76 DM pro Tonne an Unkosten eingeschlossen. Die dreiprozentige Lohnerhöhung als Anwesenheitsprämie bedeutet eine Erhöhung von 0,36 DM, die Sonderschichten im allgemeinen mit der fünfzigprozentigen Lohnerhöhung — immer pro Tonne im Durchschnittsverfahren gerechnet — 44 Pfennig und die Sonntagsschichten noch einmal einen Zuschlag von 10%; das macht zusammen 2,66 DM. Wenn der Herr Kollege Harig hier gesagt hat: Wenn die Löhne also nur 2,66 DM bedingen, warum verlangt ihr dann 4,50 DM?, dann ist dazu doch folgendes zu sagen, — was nebenbei bemerkt der Herr Kollege Harig natürlich ganz genau weiß; denn er ist ja Sachverständiger.
— Doch, er war sogar einmal da, das weiß ich.
Meine Damen und Herren, wir müssen folgendes sehen. Die Förderung, die im deutschen Ruhrkohlenbergbau, im Aachener Bergbau usw. herausgebracht wird, wird ja nicht in voller Höhe verkauft. Herausgebracht wird etwas, was man verwertbare Förderung nennt. Von dieser verwertbaren Förderung werden nur 75,9 % verkauft. Die verbleibenden 24,1 % sind wie folgt aufzuschlüsseln. Zunächst hat der Kohlenbergbau einen Eigenverbrauch. Dieser Eigenverbrauch beträgt 11 %. Dann werden an den deutschen Bergmann von alters her Deputate geliefert, die nicht bezahlt werden. Diese Deputate betragen 2 %. Der restliche Betrag ergibt sich durch Gewichtsverluste, die dadurch entstehen, daß an Stelle von Kohle Koks verkauft wird. 24,1 % also werden weniger verkauft, als die verwertbare Förderung beträgt.
Der Verkauf erstreckt sich nun nicht nur in das Inland, sondern auch in das Ausland. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Auslandspreise bisher bereits wesentlich höher gelegen haben als die Inlandspreise. Wenn wir also jetzt eine Erhöhung von 4,50 DM vorschlagen, dann ist diese Erhöhung praktisch nur auf dem Inlandsmarkt zu erreichen, weil der Auslandsmarkt bereits um 5,15 DM insgesamt über dem bisherigen Satz liegt. Der Inlandsabsatz beträgt aber nur 55,6 %. Wir müssen also erkennen, daß die Lohnerhöhungen von der Kohle hereingebracht werden müssen, die im Inland verkauft werden kann. Das ist etwas mehr als die Hälfte. Im Umrechnungsverfahren auf diese im Inland abzusetzende Kohle betragen die Mehrkosten von 2,66 DM, die sich aus der Lohnerhöhung ergeben, auf diese verringerte Menge von insgesamt 55 % rund 5 DM.
Wir haben nun bei unseren Untersuchungen im wirtschaftspolitischen Ausschuß festgestellt, daß in dieser ganzen Summe, die da zur Diskussion stand, noch rund 2 Millionen Tonnen zur Selbstversorgung der Kohlenwirtschaft zusätzlich enthalten waren, die, umgelegt auf die Tonne Kohle zugunsten der Wirtschaft, 17 Pfennig betragen würden. Diese 17 Pfennig muß man von 5 DM absetzen, bleiben 4,83 DM.
Nun ist ausgeführt worden, daß die erhöhte Kohlenförderung ja insofern kostendegressiv wirke, als sich bei einer Steigerung der Förderung die Generalien nicht ohne weiteres erhöhen und eine gewisse Beschränkung der Generalien eintritt. Es waren außerdem Bedenken erhoben worden, ob die zehnprozentige Lohnerhöhung tatsächlich 1,76 DM beinhalte. Um das, was da nun in den kalkulatorischen Durchschnittsrechnungen als Auffangmöglichkeiten enthalten war, noch irgendwie mit abzusetzen, ist der wirtschaftspolitische Ausschuß in der ersten Sitzung auf 4,50 DM gekommen.
Der Ausschuß des Bundesrates hat nachher in einer erneuten Nachrechnung 4,87 DM gesagt. Wir haben uns in der zweiten Sitzung dann wieder auf 4,80 DM geeinigt. Aber wenn ich heute in meinem Antrag 4,50 DM beantrage, brauche ich die Problematik, die in diesen Dingen steckt, nicht besonders vorzutragen. Ich glaube, 4,50 DM ist derjenige Betrag, der politisch erreichbar ist und den — und das scheint mir unbestreitbar zu sein —die im Inland abzusetzende Kohle für die Aufbringung der Lohnerhöhung notwendigerweise aufzubringen hat.
Die Frage ist nun: Ist die Kohlenwirtschaft als solche in der Lage, diese 4,50 DM aus ihren bisherigen Erträgnissen zusätzlich zu verkraften? Wir haben nach sehr eingehenden Untersuchungen f est-gestellt, daß das unserer Ansicht nach nicht der Fall sein kann. Es ist über die Ertragslage im Kohlenbergbau ein großes Enquetegutachten gemacht worden, welches auf September 1948 abstellte. Damals ist festgestellt worden, daß der gesamte Bergbau pro Tonne Kohle mit einem Unterschuß von 3,70 DM arbeitet. Diese damaligen Errechnungen sind nun vom Bundeswirtschaftsministerium und auch von der Kohlenbergbauleitung weitergeführt worden. Die Kohlenbergbauleitung hat uns in ihrer Standardrechnung eingehende Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß auch sie heute noch hier in diesem Punkt auf 3,70 DM Unterschuß kommt. Sie ist allerdings der Meinung, daß außerdem noch 1,18 DM für Abschreibungen im Kapitaldienst erforderlich seien. Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinerseits die Zahlen weitergeführt, untersucht und festgestellt, daß, auf das Erträgnis des ersten Quartals 1950 umgerechnet, sich auch bei dieser Untersuchung immer noch ein Mindererlös von 1,34 DM ergäbe und, wenn man den gesamten Bergbau der Nordgruppe nimmt, sogar von 1,70 DM. Es ist also festzustellen, daß man auch bei diesen Untersuchungen — man mag die Dinge drehen und wenden, wie immer man will - dazu kommt, daß
unsere deutsche Kohlenwirtschaft im Augenblick mit einem Unterschuß von 1,70 DM arbeitet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine kleine Abweichung. Ich sehe in dieser Tatsache einen sehr großen Gegenstand unserer Sorge. Wir arbeiten doch praktisch seit 1939 im Bergbau im Raubbauverfahren, indem wir weitgehend die besten Flöze abbauen und schwierige Stellen und Flöze umfahren. Wir müssen, um auf die Dauer zu entsprechenden Leistungen in der Kohlenwirtschaft zu kommen, eine große Menge Schachtanlagen niederbringen. Im Augenblick werden im gesamten Ruhrgebiet Schachtanlagen im wesentlichen überhaupt nicht niedergebracht. Nur ganz vereinzelt werden Schachtanlagen auf bereits angeritzten Feldern niedergebracht. Es ist vorgesehen, insgesamt 25 Anlagen niederzubringen. Wenn wir die für diese Dinge notwendigen Kapitalien nicht aufbringen, kommen wir — vielleicht nicht von heute auf morgen, aber doch später — in eine schwierige Lage. Aber seien wir uns darüber klar: eine Kapitalinvestition im Bergbau ist nicht von heute auf morgen in ein Ergebnis umzudeuten, weil man im Bergbau immer nur beim Schacht — also an einer Ecke — anfangen kann und nicht wie bei einer Fabrik vielleicht an zehn Stellen. Wenn wir aber auch bei sehr gewissenhafter Untersuchung sowohl im Wirtschaftspolitischen Ausschuß als auch im Bundeswirtschaftsministerium — aufbauend auf das damalige Enquetegutachten — feststellen, daß im gesamten deutschen Kohlenbergbau mit Unterschuß gefahren wird, kann man nicht auf die Idee kommen, diese mindestens 4,50 DM, die ich eben errechnet habe, noch auf 'die Wirtschaft umzulegen. Aus diesem Grunde muß ich also für mich und auch für meine Freunde die Frage verneinen, ob diese notwendige Lohnerhöhung im Bergbau selbst verkraftet werden könnte. So bin ich zu dem Antrag gekommen, den ich Ihnen hier vorgelesen habe.
Was die Stahlseite anlangt, so muß folgendes gesehen werden. Die durch die Korea-Ereignisse bedingten Verhältnisse haben sehr bald zu einer Erschwernis in der Beschaffung von Erzen geführt. Eisen kann nicht ohne Erz hergestellt werden. Wir brauchen Auslandserze. Die Erzpreise sind wesentlich gestiegen. Außerdem war auf dem deutschen Markt eine sehr große Schrottverknappung eingetreten. Der deutsche Schrottpreis, der bei etwa 72 lag, lag bei einem Schrottpreis auf dem internationalen Markt, ich glaube, von 130 DM wesentlich unter dem internationalen Preis. Auch der deutsche Schrottmarkt war nicht mehr ergiebig. Aus diesem und noch einem anderen Grunde wurde es nötig, die Schrottherstellung bzw. Schrottbeibringung — das ist der richtige Ausdruck — zu vergrößern. In einer eingehenden Verhandlung, bei ,der ich zugegen war, ist man zu dem Ergebnis gekommen, vorübergehend — d. h. bis zum 31. März 1951 — eine Schrottpreiserhöhung um 19 DM zu bewilligen, die aber nicht dem Handel zugute kommen soll, wenigstens nicht dem Großhandel, sondern die dazu dienen soll, draußen bei den vielen — etwa 5 000 — kleinen Schrottsammelstellen durch eine Preiserhöhung einen größeren Schrottanfall zu ermöglichen. Diese Erhöhung um 19 DM ist, wie gesagt, zeitbedingt und bis zum 31. März begrenzt.
Aus diesem Grunde war aber nun hier für die Eisenherstellung ein zweiter Unkosten erhöhender Faktor gegeben. Die Kohlenpreiserhöhung bedeutet eine Erhöhung für den Hochofenkoks von 6,— DM. Alle diese Preiserhöhungen bedeuten, daß auch der Preis für Stahlstabeisen höher werden muß, und zwar um 26,50 DM; dabei sind 10 DM von der Schrottpreiserhöhung abhängig — diese Erhöhung um 10 DM ist temporär —, die restlichen 16,50 DM sind echte Eisenpreiserhöhung. Weil die Schrottpreiserhöhung bis zum 31. März 1951 begrenzt ist, weil außerdem weitere Ermittlungen über die Ertragslage des Bergbaues laufen, haben beide Anträge den Grenztermin des 31. März 1951, d. h. wir wollen erst einmal über die nächsten Wintermonate hinwegkommen. Inzwischen sollen sehr genaue Unterlagen beigebracht werden, damit festgestellt werden kann, ob die heute von uns zu treffende Entscheidung wirklich richtig ist. Diese Erhöhung soll also nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, damit das Hohe Haus sich dann erneut mit diesen Dingen beschäftigen kann.
Ich darf abschließend noch darauf aufmerksam machen, daß bei der Kohlenpreiserhöhung gerade auf den sogenannten kleinen Mann besondere Rücksicht genommen worden ist. Die Kohlenpreiserhöhung ist am niedrigsten — sie ist ja gestaffelt — bei den Positionen, welche die Hausbrandversorgung und Kleingewerbetreibende betreffen. Beim Braunkohlenbrikettpreis tritt überhaupt keine Erhöhung ein, im übrigen eine von zwei und vier Mark und beim Stückkohlenpreis von nur drei Mark die Tonne. Das sind also zehn, fünfzehn und zwanzig Pfennig für den Zentner.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind hier vor die Notwendigkeit gestellt, die Erhöhungen, die ich Ihnen eben begründet habe — die auf den Lohnerhöhungen beruhen, wie sie mit den Gewerkschaften abgesprochen sind —, in der von mir vorgeschlagenen Weise abzuwälzen. Ich bitte daher, die Änderungsanträge im Zusammenhang mit dem Gesamtantrag der Bundesregierung anzunehmen.